Trendstudie »Jugend in Deutschland 2024«: Verantwortung für die Zukunft? Ja, aber...

Trendstudie »Jugend in Deutschland 2024«

Pessimismus bei der Jugend: Trendstudie offenbart Sorgen und Rechtsruck

Die junge Generation in Deutschland ist so pessimistisch wie noch nie. Das zeigt die aktuelle Trendstudie »Jugend in Deutschland 2024«.

Obwohl sie die Corona-Pandemie für überwunden halten, steigt bei den befragten 14- bis 29-Jährigen die mentale Belastung. Sorgen um die Sicherung des Wohlstands führen zu hoher politischer Unzufriedenheit und damit zu einem deutlichen Rechtsruck. Die jungen Menschen sind gewillt, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Was es dafür braucht, zeigt diese Trendstudie.

Das sind die Ergebnisse der siebten Trendstudie »Jugend in Deutschland«. Sie basiert auf einer repräsentativen Befragung von 2.042 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren. Die Studie wird seit dem Jahr 2020 in regelmäßigem Abstand wiederholt. Sie wird von Simon Schnetzer herausgegeben und fachlich von Kilian Hampel und Klaus Hurrelmann begleitet.

Psychische Belastungen trotz Ende der Pandemie

Im Vergleich zu den früheren Studien scheint die Stimmung zu kippen. Das zeigt sich in einem hohen Ausmaß von psychischen Belastungen wie Stress (51%), Erschöpfung (36%) und Hilflosigkeit (17%), die in den letzten drei Jahren trotz des Abflauens der Corona-Pandemie weiter angestiegen sind. Es geben 11 Prozent der Befragten an, aktuell wegen psychischen Störungen in Behandlung zu sein.

Auch die wirtschaftliche Lage bedrückt sie. Die Mehrheit der Befragten geht davon aus, dass sich die ökonomische Situation in Deutschland verschlechtern wird. »Unsere Studie dokumentiert eine tiefsitzende mentale Verunsicherung mit Verlust des Vertrauens in die Beeinflussbarkeit der persönlichen und gesellschaftlichen Lebensbedingungen«, so Simon Schnetzer. »Die Aussicht auf ein gutes Leben schwindet. Die große Frage für alle Akteure in der Gesellschaft wird sein, wie sie junge Menschen für eine positive Vision im Land begeistern und sie an Veränderungsprozessen beteiligen können.«

Nachhaltigkeit – Bereitschaft und Realität

Bei der Einstellung der jungen Generation in Bezug auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit zeigt sich, dass fast der Hälfte von den Befragten der Klimawandel Sorgen bereitet, und sie der Meinung sind, dass in Deutschland nicht genug zum Schutz der Umwelt getan wird (45%). Gleichzeitig sind diejenigen in der Unterzahl, die bereit sind, für Nachhaltigkeit auch Verzicht zu üben. Die junge Generation erwartet von Politik und Wirtschaft kollektive Ansätze und strukturelle Veränderungen, weil sie hier den wirkungsvollsten Hebel zur Veränderung sieht.

Zunehmende Unzufriedenheit und rechtspopulistische Tendenzen

Die großen finanziellen Sorgen der jungen Menschen in Deutschland aufgrund von Inflation (65%), teurem Wohnraum (54%) und Altersarmut (48%), aber auch die Spaltung der Gesellschaft (49%) oder die Zunahme von Flüchtlingsströmen (41%) führen zu hoher Unzufriedenheit der jungen Generation mit ihrer Lebenssituation und den politischen Verhältnissen. Das Potenzial für rechtspopulistische Einstellungen in der jungen Generation hat sich deutlich verstärkt, wie ein Vergleich mit früheren Studien zeigt.

»Wir können von einem deutlichen Rechtsruck in der jungen Bevölkerung sprechen. Das schlägt sich in den politischen Präferenzen der 14- bis 29-Jährigen nieder. Während die Parteien der Ampel-Regierung in der Gunst immer weiter absinken, hat die AfD besonders großen Zulauf.«, resümiert Klaus Hurrelmann.

Digitalisierung und Arbeitsmarkt – Hoffnungen und Herausforderungen

Die Studie untersucht die Lebenssituation der jungen Generation von der Schule bis zur Erwerbstätigkeit. »Die Ergebnisse zeigen dringenden Handlungsbedarf: Die jungen Menschen kritisieren ein eklatantes Digitalisierungsdefizit im gesamten Bildungsbereich und in der Wirtschaft in Deutschland. Außerdem beklagen sie, dass ihre schulische Ausbildung sie zu wenig auf das wirkliche Leben und die Arbeitswelt vorbereitet.«, so Kilian Hampel.

Dank demografischem Wandel rechnen junge Absolventinnen und Berufstätige dennoch mit sehr guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt, was auch damit zusammenhängt, dass mittlerweile 24 Prozent der 18- bis 29-jährigen Erwerbstätigen bereits Abwerbeangebote erhalten. Die Studienergebnisse belegen auch, dass digitaler Überkonsum die Psyche maßgeblich beeinflusst: Jugendliche mit einer hohen täglichen Bildschirmzeit am Smartphone haben nach eigenen Angaben deutlich stärker mit psychischen Belastungen zu kämpfen.

Eigenständige Zukunftsgestaltung – Verantwortung mit Vorbehalten

Junge Menschen in Deutschland sind grundsätzlich bereit, Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft zu übernehmen. Rund 45 Prozent stimmen ausdrücklich der Aussage zu, dass sie die Verantwortung für den Wohlstand in Deutschland tragen werden. Allerdings wollen sie das zu ihren Konditionen machen.

Besonders deutlich wird das im beruflichen Bereich, wo sie mit klaren Vorstellungen an veränderte Arbeitsbedingungen antreten und viele Arbeitsweisen der älteren Generationen infrage stellen. Sie wollen die Verantwortung nicht zu den gleichen Bedingungen übernehmen, die sie bei ihren Eltern, den Macht habenden Politikern und den beruflich Vorgesetzten vorfinden. Und in vielen Punkten erwarten sie eine Reform von Bildung, Politik und Wirtschaft, welche sie selbst nicht alleine erbringen können: lebensrelevante Bildung, wirkungsvolle Beteiligung, umfassende Digitalisierung, Schutz der Umwelt und die Perspektive auf ein gutes Leben.

Zur Methodik
Die vorliegende Publikation ist die siebte Trendstudie der Serie »Jugend in Deutschland« und enthält detaillierte Auswertungen über verschiedene Lebenssituationen junger Menschen. In der Vorjahresstudie wurden Altersgruppen von 14 bis 69 Jahren verglichen. Für das Frühjahr 2025 ist die achte Veröffentlichung innerhalb der Serie der Trendstudien geplant.

Das Trendforschungs- und Beteiligungsformat Jugend in Deutschland wird von dem Jugendforscher Simon Schnetzer als Geschäftsführer geleitet. Beratung für die inhaltliche und methodische Entwicklung des Fragebogens erfolgte durch Kilian Hampel (Universität Konstanz) und Klaus Hurrelmann (Hertie School, Berlin). Die Trendstudie Jugend in Deutschland wird durch den Verkauf von Studien finanziert.

Die Studie basiert auf einer repräsentativen Online-Befragung. In die Befragung gehen insgesamt Aussagen von 2.042 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren ein. Die Quoten für die Repräsentativität der Studie wurden vom Institut für Demoskopie Allensbach erstellt. Die Teilnehmenden für die quantitative Datenerhebung wurden über die Bilendi Online-Access-Panels rekrutiert. Die Stichproben wurden so zusammengestellt, dass sie der soziodemografischen Altersstruktur der deutschsprachigen Gesamtbevölkerung in Deutschland der jeweiligen Altersgruppe entsprechen. Der Erhebungszeitraum der Befragung erstreckte sich vom 08. Januar bis zum 12. Februar 2024. Ergänzend wurde als qualitatives Forschungsformat ein Trendlabor mit einer Gruppe von 14- bis 29-Jährigen durchgeführt, um die Ergebnisse zu interpretieren.


Kritischer Konsum wegen Social-Media-Influencer*innen
Politische Maßnahmen zum Schutz von Jugendlichen nötig Ob und wie stark Jugendliche von sogenanntem Influencer-Marketing in sozialen Netzwerken beeinflusst werden, hängt von bestimmten Faktoren ab. Das Fraunhofer-Institut für System- und...
Mentoring hilft benachteiligten Jugendlichen beim Berufsstart
Berufseinstieg als Wachstumsfaktor – wie wir Kompetenzen für die Zukunft aufbauen können Die Unterstützung durch ehrenamtliche Studierende verdoppelt die Chance von Jugendlichen aus benachteiligten Familien, eine Berufsausbildung zu beginnen....
Die meisten jungen Menschen blicken positiv in ihre berufliche Zukunft
Die jungen Menschen in Deutschland schätzen ihre Berufsaussichten überwiegend als gut ein. Jede*r Zweite von ihnen geht davon aus, dass ein Berufsabschluss in Zukunft immer wichtiger wird. Allerdings fühlen sich viele von der Schule ungenügend auf...

.