Immer mehr Kinder ohne Kitaplatz trotz Rechtsanspruch

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IAQ-Report

Kita-Plätze: Soziale Unterschiede hebeln Rechtsanspruch aus

Immer mehr Kinder in Deutschland haben trotz Rechtsanspruch keinen Kita-Platz. Studien zeigen, dass vor allem die Kinder leer ausgehen, die eine Förderung am dringendsten benötigen.

Das Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen untersucht in einem aktuellen Bericht die Ursachen und mögliche Lösungsansätze.

Anspruch und Wirklichkeit

Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) garantiert allen Kindern in Deutschland den Zugang zu Kindertagesstätten. Dennoch erhalten nicht alle Kinder einen Platz. Besonders benachteiligt sind Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Familien.

Zu diesen Ergebnissen kommen Dr. Sandra Fischer, jetzt Universität Bonn, sowie Stella Glaser und Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE). Sie werteten Befragungsdaten und Interviews mit Trägern der Jugendhilfe aus, um die sozialen Unterschiede beim Zugang zu Kindertagesstätten zu untersuchen.

Aktuelle Lage und Entwicklungen

Seit 2006 hat sich der Anteil der unter Dreijährigen, die eine Kita oder Kindertagespflege besuchen, fast verdreifacht. Im Jahr 2023 wurden 36,4% der unter Dreijährigen betreut - ein Höchststand. Dennoch entspricht dies nicht dem tatsächlichen Bedarf.

Erhebungen des Deutschen Jugendinstituts (DJI) zeigen, dass rund ein Fünftel der Eltern von ein- und zweijährigen Kindern trotz Bedarfs keinen Betreuungsplatz finden. Bei den Drei- bis Fünfjährigen verschlechtert sich die Situation: Die Betreuungsquote sinkt von 94,5 Prozent im Jahr 2014 auf 90,9 Prozent im Jahr 2023.

Dabei zeigen sich deutliche soziale Unterschiede: 2020 werden 90 Prozent der Kinder von Eltern mit höherem Bildungsabschluss eine Kita besuchen, aber nur 74 Prozent der Kinder von Eltern mit niedrigerem Bildungsabschluss. Bei Kindern mit Migrationshintergrund liegt die Besuchsquote bei 80%, bei Kindern ohne Migrationshintergrund bei 91%.

Gründe für Benachteiligung

Die Forscherinnen identifizierten mehrere Gründe für Benachteiligungen beim Kita-Zugang. Benachteiligte Familien verfügen häufig nicht über ausreichende Informationen über mögliche (Rechts-)Wege in das Kita-System. Auch informelle Auswahlkriterien der freien Träger tragen zur Benachteiligung bei, da die Jugendämter nur begrenzten Einfluss auf deren Platzvergabe haben.

Sybille Stöbe-Blossey erläuterte, dass befristete und kompliziert abzurechnende Förderprogramme eine gute Förderung benachteiligter Kinder erschweren. Langfristig angelegte und gesetzlich verankerte Programme könnten hier Abhilfe schaffen. Die Familienzentren in Nordrhein-Westfalen seien ein guter Ansatz, der mit anderen Förderprogrammen verknüpft und auf benachteiligte Sozialräume ausgeweitet werden sollte.

Finanzielle Hürden

Eine weitere Hürde sind die Kosten. Familien, die staatliche Transferleistungen erhalten, sind von den Kita-Elternbeiträgen befreit. Einkommensschwache Eltern hingegen müssen Beiträge zahlen, oft in gleicher Höhe wie gut verdienende Familien. Die Wohngeldreform 2022 wird die Situation erleichtern, indem sie mehr Familien einen Anspruch auf einen beitragsfreien Kita-Platz einräumt.

Offen bleibt jedoch, ob die Familien von ihrem Anspruch wissen und ob die Beitragsbefreiung tatsächlich in Anspruch genommen wird. Prof. Stöbe-Blossey betonte die Notwendigkeit, die Elternbeiträge bundesweit einkommensabhängig zu gestalten und die Verfahren zu vereinfachen. In Nordrhein-Westfalen gebe es bereits eine solche Regelung, die jedoch stark von der Kassenlage der Kommunen abhänge.

Zusammenfassung

Die Wissenschaftlerinnen fordern einen zügigen Kita-Ausbau und einen gesicherten Zugang für benachteiligte Kinder in der Zeit vor der Einschulung. Ein Rechtsanspruch allein reicht nicht aus. Bei der Finanzierung muss die unterschiedliche Finanzkraft der Kommunen stärker berücksichtigt werden, um Familien in strukturschwachen Regionen nicht zusätzlich zu benachteiligen.

Bibliographie:
Sandra Fischer, Stella Glaser, Sybille Stöbe-Blossey, 2024: Zwischen (Rechts-)Anspruch und Realität: Soziale Selektivität in der Kindertagesförderung. Duisburg: Institut Arbeit und Qualifikation


  VERWEISE  


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