Altersübergangsreport: Arbeitsbedingungen und Gesundheit älterer Erwerbstätiger

altersuebergangsreport

IAQ untersuchte Arbeitsbedingungen älterer Erwerbstätiger. 

Fast jede vierte Erwerbsperson in Deutschland ist heute über 55 Jahre alt – vor 20 Jahren lag der Anteil der Älteren erst bei 12 Prozent. Nicht nur für die Betroffenen, auch für die Personalpolitik hat das Konsequenzen. Denn Arbeitsbedingungen und Gesundheit beeinflussen maßgeblich, wie lange und in welchem Umfang jemand arbeiten kann. Der aktuelle Altersübergangsreport aus dem Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE) nimmt die betriebliche Realität der 6,15 Millionen älteren Erwerbstätigen mit einem Arbeitsvolumen von mindestens 10 Stunden in den Blick.

Die IAQ-Wissenschaftlerin Dr. Sarah Mümken hat dafür Daten aus der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung (Bundesinstitut für Berufsbildung / Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) von 1979 bis 2012 ausgewertet. Danach haben die physischen Anforderungen nach Wahrnehmung der Betroffenen abgenommen, vor allem in der Gruppe der Älteren zwischen 55 und 59 Jahren. Dagegen sind die psychischen Anforderungen wie Termin- und Leistungsdruck für Jung wie Alt weiter angestiegen, darüber klagen Ältere teilweise relativ stark. Beschäftigte zwischen 55 und 59 Jahren schätzen ihre Gesundheit generell schlechter ein und äußern häufiger Beschwerden als Jüngere. Ab 60 Jahren zeigen die Indikatoren dagegen die besten Werte. Vermutlich aber nicht wegen besserer Gesundheit, sondern weil diejenigen, die wegen einer schlechten Konstitution aus dem Erwerbsleben ausscheiden oder weniger als 10 Stunden arbeiten, nicht mehr erfasst wurden.

Am höchsten ist der Anteil der Älteren unter den freien und hochqualifizierten Berufen wie Ärzten, (Hochschul-)Lehrern, Richtern oder Sozial- und Geisteswissenschaftlern, im Öffentlichen Dienst und unter den Selbstständigen. Vom Beruf ist auch abhängig, wie lange Beschäftigte im Erwerbsleben bleiben wollen und können. In Berufsgruppen, in denen viele über schlechte Gesundheit klagen, erfolgt der Eintritt in die Rente meist früher. Während bei den Freiberuflern und Hochqualifizierten fast die Hälfte der Befragten als Hauptmotiv für den Vorruhestand den Wunsch nach mehr Zeit für private Interessen angibt, werden in landwirtschaftlichen Berufen zu mehr als 80 Prozent gesundheitliche Gründe beziehungsweise die anstrengende Tätigkeit angeführt.

Die Ergebnisse des Reports deuten darauf hin, dass Arbeitsanforderungen bislang eher wenig altersspezifisch ausgerichtet sind. »Wird aber von allen Beschäftigten ein längeres Erwerbsleben gefordert, müssen auch für diejenigen geeignete Arbeitsplätze vorhanden sein, die gesundheitsbedingt nicht mehr alles bewältigen können« plädiert Dr. Sarah Mümken. Gesundheitsgerechte Arbeitsplätze sind dabei allerdings keineswegs nur im höheren Alter notwendig. »Eine Personalpolitik, die auf demografische und institutionell bedingte Änderungen angemessen reagieren will, muss gute Arbeitsbedingungen in jedem Alter gewährleisten«, so die IAQ-Forscherin. Betriebliche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung könnten hierbei die Arbeitsfähigkeit erhöhen und gesundheitlichen Einschränkungen vorbeugen.

Auf einen Blick
  • 6,15 Millionen Personen bzw. 17 Prozent aller Erwerbstätigen, die mindestens 10 Stunden pro Woche arbeiten, sind 55 Jahre oder älter. Der Anteil der Älteren ist am höchsten unter den Professionen, wie Ärzten, (Hochschul-)Lehrern, Richtern oder Sozial- und Geisteswissenschaftlern, im Öffentlichen Dienst und unter den Selbstständigen.
  • Die Arbeitsplätze der Älteren unterscheiden sich bezüglich der Arbeitsanforderungen kaum von denen der Jüngeren. Außerdem werden die Anforderungen von Älteren ähnlich belastend empfunden wie von Jüngeren.
  • In der subjektiven Wahrnehmung sind im Vergleich zu 1979 bis 2012 tendenziell – in allen Altersgruppen – körperliche Anforderungen zurückgegangen und psychische Anforderungen überwiegend gestiegen. Speziell in der Gruppe der 55- bis 59-Jährigen fiel der prozentuale Rückgang der untersuchten körperlichen Anforderung am stärksten aus. Im Bereich der psychischen Anforderungen sind Ältere aber zum Teil von relativ starken Zuwächsen betroffen.
  • Auch wenn sich die Anforderungen und Belastungswahrnehmungen im Alter nur wenig unterscheiden, schätzen die Erwerbstätigen zwischen 55 und 59 Jahren ihre Gesundheit schlechter ein und äußern häufiger Beschwerden als Jüngere.
  • Ab einem Alter von 60 Jahren zeigen die Gesundheitsindikatoren dagegen die besten Werte. Dies liegt aber vermutlich nicht daran, dass sich im höheren Alter die Gesundheit wieder verbessert. Vielmehr werden diejenigen, welche mangels einer schlechten gesundheitlichen Konstitution aus dem Erwerbsleben ausscheiden oder weniger als 10 Stunden arbeiten, lediglich von der Befragung nicht mehr erfasst.
  • Wie lange Beschäftigte im Erwerbsleben bleiben wollen und können, ist auch vom Beruf abhängig. In Berufsgruppen, in denen ein hoher Anteil über eine schlechte Gesundheit klagt, ist der Wunsch nach einem vorzeitigen Erwerbsaustritt verbreitet und der tatsächliche Renteneintritt erfolgt früher. Die Motive für einen Vorruhestand unterscheiden sich je nach Beruf. Während bei den Professionen der Wunsch nach mehr Zeit für private Interessen von fast der Hälfte der Befragten das Hauptmotiv ist, werden in landwirtschaftlichen Berufen zu mehr als 80 Prozent gesundheitliche Gründe beziehungsweise die anstrengende Tätigkeit angeführt.

 
Das IAQ berichtet in unregelmäßiger Folge über Ergebnisse des »Altersübergangs-Monitors«, der von der Hans-Böckler-Stiftung und dem Forschungsnetzwerk Alterssicherung der Rentenversicherung gefördert wird.

 

 

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