Babyboomer mit Wunsch nach vorzeitigem Ruhestand

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Altersübergangsreport

Herausforderungen bei der Stellenbesetzung und im Umgang mit älteren Arbeitnehmer*innen

Viele Unternehmen in Deutschland stehen vor dem Problem, offene Stellen nur schwer besetzen zu können. Ein wichtiger Faktor, der diese Situation verschärft, ist das vorzeitige Ausscheiden älterer Arbeitnehmer.

Umfragen zeigen, dass rund 70 Prozent der geburtenstarken Jahrgänge (1955 bis 1969) vor Erreichen der Regelaltersgrenze aus dem Erwerbsleben ausscheiden wollen. Ein Ansatz, um dem zunehmenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, könnte darin bestehen, ältere Arbeitnehmer*innen länger im Erwerbsleben zu halten.

Diese Strategie wird jedoch von vielen Unternehmen bislang nur unzureichend umgesetzt, wie der aktuelle Altersübergangsreport des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen zeigt.

Studie zur Situation älterer Arbeitnehmer*innen

Im Rahmen des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekts »Altersübergangsmonitor« untersuchen die IAQ-Wissenschaftler Prof. Dr. Martin Brussig und Dr. Max Keck, wie Betriebe mit Beschäftigten umgehen, die kurz vor dem Renteneintritt stehen.

Ein zentrales Ergebnis ihrer Untersuchung zeigt, dass weniger als die Hälfte der Arbeitnehmer*innen, die in Rente gehen, dies direkt aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung heraus tun. Zudem bestätigen Umfragen, dass rund 70 Prozent der Babyboomer vorzeitig in Rente gehen wollen.

Die Studie weist nach, dass viele Unternehmen bislang nur begrenzt Maßnahmen ergreifen, um diesem Trend entgegenzuwirken. Die Forscher beziehen sich dabei auf Daten der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2021, die zeigt, dass es in vielen Betrieben an spezifischen personalpolitischen Maßnahmen für ältere Beschäftigte fehlt.

Gründe für Frühverrentung und mögliche Gegenmaßnahmen

Hohe Arbeitsbelastung und gesundheitliche Probleme sind laut der Studie die häufigsten Gründe, weshalb ältere Arbeitnehmer*innen den Wunsch nach einem vorzeitigen Ruhestand äußern. Allerdings gaben drei Viertel der Befragten an, dass sie bei besseren Arbeitsbedingungen wie flexiblerer Zeiteinteilung, mehr Wertschätzung oder besserer Zusammenarbeit im Team bereit wären, länger zu arbeiten.

Hier sehen die Forscher einen entscheidenden Hebel, um die Frühverrentung zu reduzieren. Doch nur 17 Prozent der Betriebe in Deutschland haben spezielle Maßnahmen eingeführt, um ältere Beschäftigte länger im Betrieb zu halten. Betriebe mit Betriebs- oder Personalrat schneiden hier deutlich besser ab: In rund 93 Prozent dieser Betriebe werden zumindest einige Maßnahmen angeboten, etwa in Form von Weiterbildungen oder angepassten Leistungsanforderungen für ältere Arbeitnehmer*innen.

Unzufriedenheit mit bestehenden Maßnahmen

Obwohl viele Betriebe zumindest einzelne Maßnahmen anbieten, sind die meisten Betriebs- und Personalräte mit deren Umsetzung unzufrieden. Rund ein Drittel der befragten Betriebe zeigt nur ein geringes Problembewusstsein für die Belange älterer Beschäftigter und die Hälfte der Betriebsräte bewertet die Maßnahmen als unzureichend. Lediglich ein Viertel der Betriebe kann auf eine breite Palette von Angeboten für ältere Arbeitnehmer*innen verweisen.

Insbesondere größere Betriebe bieten zwar häufiger Maßnahmen an, in der praktischen Umsetzung sehen Betriebs- und Personalräte jedoch häufig Defizite.

Fachkräftemangel und mangelnde Umsetzung von Maßnahmen

Interessanterweise zeigt die Studie, dass in Betrieben, die bereits unter Fachkräftemangel leiden, die Umsetzung von Maßnahmen zur Unterstützung älterer Arbeitnehmerinnen besonders schlecht ist.

Die Forscher plädieren daher dafür, die Regelaltersgrenze nicht weiter anzuheben, sondern in maßgeschneiderte Lösungen für die Unternehmen zu investieren. Davon profitieren vor allem Betriebe mit guter wirtschaftlicher Lage, Tarifbindung und starken Betriebsräten. In diesen Betrieben sind differenzierte Angebote für ältere Arbeitnehmerinnen deutlich häufiger anzutreffen.

Aber auch hier gilt: Die Maßnahmen müssen in der Praxis konsequent umgesetzt werden, um ihre volle Wirkung zu entfalten.

Bibliographie
Keck, Max, Martin Brussig. 2024b. Herausforderungen und Chancen für die betriebliche Förderung der Erwerbstätigkeit älterer Beschäftigter bis zur Regelaltersgrenze. Duisburg: Institut Arbeit und Qualifikation. Altersübergangs-Report 2024-04.


  VERWEISE  


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