Digitalisierung: Was auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zukommt
Die Arbeitswelt verändert sich rasant, alles wird digital und vernetzt. Was bedeutet das für die Beschäftigten? Fachleute der Hans-Böckler-Stiftung beantworten in einer aktuellen Analyse die wichtigsten Fragen. Wie unter den Bedingungen des digitalen Wandels die Chancen für kreative, gute Arbeit stehen, leuchtet auch die 8. IT- und Engineering-Tagung aus, welche die Stiftung am 22. und 23. November in Kooperation mit der IG Metall veranstaltet.
Worum geht es bei Digitalisierung und Arbeiten 4.0?
Rechner sind in den vergangenen Jahren durch hochentwickelte Prozessoren schneller geworden. Mehr Daten können zu geringeren Kosten gespeichert und für neue Geschäftsmodelle genutzt werden. Die Bandbreite der Datenübertragung hat sich vervielfacht. Mittels mobiler Geräte wie Smartphones und Tablets ist es möglich, von überall auf Informationen zuzugreifen. Durch engere Vernetzung verändern sich Wertschöpfungsketten: Künftig könnten alle – vom Rohstofflieferanten über Zulieferer, Fabrik, Handel bis hin zum Endkunden – direkt miteinander verbunden sein. Neue Verfahren wie 3D-Druck machen herkömmliche Fertigungsmethoden überflüssig. In der Fabrik der Zukunft arbeiten Roboter fast ohne Zutun des Menschen. Dieser Wandel wird massive Folgen für Beschäftigte und Unternehmen haben, zeigt die Analyse der Forscherinnen und Forscher der Hans-Böckler-Stiftung auf. Vor allem in der Logistik, bei Banken und Versicherungen, in der Medienbranche und im Handel bekommen Beschäftigte den Umbruch bereits jetzt zu spüren.
Wird die Digitalisierung Arbeitsplätze vernichten?
Die Befürchtung, dass Menschen durch Maschinen ersetzt werden und massenhaft Arbeitsplätze verloren gehen, ist weit verbreitet. Häufig wird eine Studie der US-Forscher Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne zitiert, wonach jeder zweite Arbeitsplatz gefährdet sein soll. Allerdings berechnen die Wissenschaftler selbst gar keine Beschäftigungseffekte, sondern sprechen nur von einer »Automatisierungswahrscheinlichkeit» bestimmter Berufe. Für Deutschland zeigen verschiedene Studien, dass technologischer Fortschritt nicht zwangsläufig zu steigender Arbeitslosigkeit führt. Letztendlich könnte der Bedarf nach Arbeitskräften sogar steigen. Gleichwohl dürfte es zu erheblichen Verschiebungen kommen: Vor allem einfache Arbeiten werden wegfallen. Demgegenüber könnten neue Arbeitsplätze in Bereichen entstehen, die eine höhere Qualifikation erfordern, etwa in der Programmierung und Überwachung von Maschinen.
Wird das Arbeiten flexibler? Und wem nutzt das?
Dank digitaler Kommunikations- und Informationstechnologien könnte es selbstverständlich werden, dass Beschäftigte zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten arbeiten – das könnte die Präsenzkultur in den Betrieben aufbrechen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben würde dadurch im besten Fall leichter. Dies wäre ein großer Fortschritt für Frauen, die die Hauptlast der Kindererziehung tragen, und für Männer, die sich mehr Zeit für die Familie wünschen. Denkbar ist allerdings auch ein anderes Szenario: Im schlechtesten Fall gibt es für Beschäftigte kaum noch ein Leben außerhalb der Arbeit. Menschen könnten sich verpflichtet fühlen oder dazu verpflichtet werden, nach Dienstschluss und am Wochenende zu arbeiten – jederzeit erreichbar, ständig unter Druck.
Damit die neue Flexibilität den Beschäftigten nicht nur Nachteile bringt, sind klare Regeln nötig: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die am Nachmittag früher gehen, um die Kinder von der Kita abzuholen, oder die zu Hause arbeiten, weil das Kind krank ist, sollen keine Nachteile für die Karriere befürchten müssen. Außerdem sollten Beschäftigte ihre Arbeitszeit je nach Lebensphase anpassen können. Wer seine Arbeitszeit verkürzt, etwa um Sorgearbeit zu leisten, sollte das Anrecht haben, später auf Vollzeit zurückzukehren.
Wie wird die Gesundheit der Beschäftigten geschützt?
Einerseits wird die Arbeit durch unterstützende Robotik oder Software leichter. Es entstehen größere Freiheiten, weil die Beschäftigten über das Internet an jedem Ort und zu jeder Zeit arbeiten können. Andererseits werden die Arbeitsinhalte komplexer und die Anforderungen steigen. Der Arbeitsschutz muss an diese veränderten Bedingungen angepasst werden. Gefragt sind Regeln, die sowohl den Wunsch nach höherer Arbeitsautonomie als auch die Gefahr wachsender Selbstausbeutung berücksichtigen. Bei der Umsetzung von Gefährdungsbeurteilungen besteht noch großer Nachholbedarf – besonders wenn es um die Beurteilung psychischer Belastungen geht. Um die Gesundheit der Beschäftigten besser zu schützen, könnten Themen wie Arbeitszeit, mobiles Arbeiten oder ein Recht auf Nichterreichbarkeit nicht nur durch Gesetze, sondern auch durch spezielle tarifliche Vorgaben – zum Beispiel einem Gesundheitstarifvertrag – oder durch Betriebsvereinbarungen geregelt werden.
Welche rechtlichen Änderungen sind notwendig?
Die fortschreitende Digitalisierung stellt das Arbeits- und Sozialrecht in Deutschland vor neue Herausforderungen. Traditionelle Begriffe wie Arbeitnehmer und Betrieb verschwimmen. Arbeitsorte und Arbeitszeiten lassen sich nur noch schwer abgrenzen. Es entstehen neue, teilweise prekäre Beschäftigungsformen wie Crowdworking, bei dem in der Regel Soloselbständige ihre Dienste über das Internet anbieten. Auch diese Menschen müssen durch das Arbeitsrecht geschützt und in die sozialen Sicherungssysteme einbezogen werden. Sinnvoll wären auch Mindestlöhne für Selbständige, insbesondere für arbeitnehmerähnliche Personen und andere Soloselbständige, sowie eine uneingeschränkte Einbeziehung in die Sozialversicherungspflicht, konstatieren die Autoren.
Ein weiterer Trend, der in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat: Unternehmen lagern Arbeiten zunehmend per Werk- beziehungsweise freiem Dienstvertrag an Fremdfirmen aus. Dabei bleiben nicht nur die Interessen der Stammbelegschaft häufig auf der Strecke, sondern auch die Interessen der auf Basis dieser Vertragsform Beschäftigten. Bei der Vergabe von Werk- und freien Dienstverträgen sollten Betriebs- und Personalräte künftig mitentscheiden können – dafür sind über die bloße Beratung hinausgehende Mitbestimmungsrechte bei Fragen der Beschäftigungssicherung und der Personalplanung notwendig.
Vor welchen Herausforderungen steht die Mitbestimmung?
Die Arbeitswelt verändert sich so rasant, dass der Einzelne damit schnell überfordert ist. Umso wichtiger ist es, dass sich Beschäftigte organisieren und ihr Recht auf Mitbestimmung ausüben. Gemeinsam mit ihren Interessenvertretern sollten sie sich so früh wie möglich dafür einsetzen, den bevorstehenden Wandel zu gestalten. Nicht zuletzt geht es um mehr Selbstbestimmung und Souveränität in der eigenen Arbeit. Neben schutzgebenden Gesetzen sind eine funktionierende gestaltende Tarifpolitik und handlungsfähige Betriebsräte notwendig. Gerade zum mobilen Arbeiten und zum Datenschutz schließen Betriebsräte aktuell viele neue Vereinbarungen ab. Weitere Handlungsfelder sind: flexible Arbeitszeit, Aus- und Weiterbildung, Gesundheitsschutz, Arbeitsorganisation sowie Beschäftigungssicherung.
Weitere Informationen
Nadine Absenger, Elke Ahlers, Alexander Herzog-Stein, Yvonne Lott, Manuela Maschke, Marc Schietinger: Digitalisierung der Arbeitswelt!? (pdf) - Ein Report aus der Hans-Böckler-Stiftung, Mitbestimmungsreport Nr. 24.
VERWEISE
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