Integration von Flüchtlingen: 70 Mrd. Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung möglich

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McKinsey

McKinsey Global Institute: Europa muss sich auf Migration als dauerhaftes Phänomen einstellen - Investitionen in Integration von Flüchtlingen zahlen sich ökonomisch aus 

Die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen in Europa ist nicht nur eine gesellschaftliche, sondern auch eine ökonomische Notwendigkeit. Gelingt die Integration der aktuell rund 1,3 Millionen Flüchtlinge, die voraussichtlich als Asylbewerber europaweit anerkannt werden, könnten sie ab 2025 einen zusätzlichen Beitrag von 60 bis 70 Milliarden Euro jährlich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) leisten. Gleichzeitig kann erfolgreiche Integration auf Grund der Altersstruktur der Flüchtlinge - 80% sind jünger als 35 Jahre - und der höheren Geburtenrate positive demografische Effekte haben. Bleiben hingegen funktionierende Integrationsmaßnahmen aus oder misslingen, würde sich das klar negativ auswirken - wirtschaftlich wie gesellschaftlich.

Dies sind Kernergebnisse einer neuen Studie des McKinsey Global Institute (MGI) mit dem Titel »Europe's new refugees: A road map for better integration outcomes«, die am 1. Dezember 2016 in Berlin veröffentlicht wurde.

»Die Integration von Flüchtlingen ist für Europa eine ökonomische Notwendigkeit«, sagt Solveigh Hieronimus, McKinsey-Partnerin und Koautorin der Studie. Viele Integrationsbemühungen seien gerade in Europa in den vergangenen Jahrzehnten nicht so erfolgreich wie nötig gewesen. Die Folge: Die Arbeitslosenquote von Migranten in der EU war Eurostat zufolge 2015 doppelt so hoch wie unter EU-Bürgern. Nur jeder zweite Flüchtling hat nach fünf bis sechs Jahren einen Arbeitsplatz gefunden. In der Regel verdienen Migranten durchschnittlich 20 bis 30% weniger als ihre einheimischen Kollegen. Solveigh Hieronimus: »Auf EU- und nationaler Ebene erfolgen bereits Investitionen in Milliardenhöhe. Diese Mittel müssen dort investiert werden, wo sie zu den besten Resultaten führen«. Allein Deutschland plant für 2017 mit einem Budget von über zwölf Milliarden Euro für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Asylsuchenden.

Die wichtigsten Herausforderungen, so die MGI-Analysen, bleiben

  • die Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt,
  • der Zugang zu Bildung,
  • die Schaffung von integrationsförderndem Wohnraum,
  • eine effiziente Gesundheitsversorgung sowie
  • Investitionen in den Spracherwerb der Flüchtlinge.

Auf der Verwaltungsseite seien besonders die Maßnahmen effektiv, die darauf abzielen, fachliche und überfachliche Qualifikationen der Flüchtlinge effizient zu erfassen sowie die Verteilung der Asylsuchenden innerhalb eines Landes nach guten Integrationsvoraussetzungen zu optimieren. Die wichtigsten in der Praxis erprobten Hebel zur erfolgreichen Integration hat das MGI in dem Report ausführlich dargestellt.

»Darüber hinaus sollte die EU eine aktivere Rolle einnehmen, um die aktuell entstandenen Spannungen zwischen den Ländern zu beseitigen«, so Hieronimus weiter. Freizügigkeit innerhalb Europas einerseits, jedoch ungleiche Chancen für Asylschutz andererseits führen zu menschlich sehr nachvollziehbaren, jedoch politisch wie administrativ herausfordernden Zuständen - so haben nur sechs der 28 EU-Mitgliedstaaten im letzten Jahr rund 80% der Asylsuchenden aufgenommen. Die Asylprozesse sollten deshalb dem MGI zufolge europaweit ähnlichere Standards haben und die erfolgreiche Gestaltung von Integration sollte überall gleichermaßen in den Fokus rücken.

Die Studie zeigt auch: Die Flut der insgesamt rund 2,3 Millionen Asylsuchenden, die seit 2015 nach Europa gekommen sind, ist einzigartig in der Geschichte Europas seit dem Zweiten Weltkrieg: 70% der Ankömmlinge sind männlich, 70% im erwerbsfähigen Alter und über 50% aus dem Mittleren Osten. Sie unterscheiden sich dadurch signifikant vom Großteil der Flüchtlinge weltweit, zu denen weitaus mehr Frauen und Kinder zählen. Bei früheren großen Fluchtbewegungen nach Europa legten die Menschen zudem nur deutlich kürzere Strecken zurück, z.B. von den Balkanstaaten. »Heute bewegen sich die Schutzsuchenden oft weit und in zwei Etappen - zunächst in ein Nachbarland in unmittelbare Sicherheit und später mit bewusster Wahl eines Ziellandes weiter nach Europa auf der Suche nach einem besseren Leben und oft mit der Absicht, langfristig in Europa zu bleiben«, bewertet Solveigh Hieronimus die aktuellen Entwicklungen.

Es zeichne sich außerdem ab, dass Migration und Flucht anhaltende Phänomene in Europa bleiben: Zum einen ließen die geopolitische Instabilität und der ungleiche Wohlstand mehr Menschen ihre Heimat verlassen. Zum anderen erleichtere die Digitalisierung die Transparenz über bessere Lebensbedingungen in Europa sowie das Organisieren der Reiserouten. Die europäischen Länder müssten sich darauf vorbereiten, dass sich ähnliche Muster künftig wiederholen.

Hintergrund
Das MGI hat neben Migration und Flüchtlingsbewegungen in Europa auch die weltweiten Migrationsbewegungen untersucht. Die globalen Ergebnisse wurden in einem parallelen aktuellen Report veröffentlicht (»People on the move: Migration's impact on individuals and economies«). Weltweit gab es demnach 2015 rund 247 Millionen Menschen, die ihre Heimatländer verlassen hatten - 90% von ihnen aus persönlichen oder ökonomischen Gründen, meist auf der Suche nach Arbeit, also nicht auf der Flucht vor Krieg oder Verfolgung wie die übrigen 10%. Der Beitrag der 247 Millionen Migranten zum globalen Bruttosozialprodukt beläuft sich dem MGI zufolge bereits heute auf rund 6,7 Billionen US-Dollar, ein Anteil von nahezu 10% am gesamten globalen BIP. Dieser Beitrag könnte sich jährlich um eine weitere Billion Dollar erhöhen, wenn Regierungen Integrationsmaßnahmen für die Gesamtheit der globalen Migranten erfolgreicher vorantrieben.

 

 

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