EU-Staaten mangelt es an Reformen bei Bildung und Integration

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Experten kritisieren Mangel an Bildungsreformen in EU-Mitgliedstaaten 

Viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union zeigen Versäumnisse bei der Bewältigung der drängendsten sozialpolitischen Herausforderungen. Insbesondere im Bildungsbereich sowie bei der Integration von Ausländern besteht laut Expertenmeinung eine große Lücke zwischen dem Reformbedarf und den tatsächlich umgesetzten Reformen. Dies sind die Kernergebnisse des EU-Reformbarometers der Bertelsmann Stiftung. Die Studie basiert auf einer europaweiten Expertenbefragung, an der über 1.000 Wissenschaftler teilgenommen haben. Diese haben sozialpolitische Reformen zwischen Mitte 2014 und Anfang 2016 in fünf Dimensionen untersucht: Armut, Bildung, Arbeitsmarkt, sozialer Zusammenhalt und Nichtdiskriminierung sowie Gesundheit.

Nach Einschätzung der befragten Experten herrscht in allen fünf Dimensionen großer Reformbedarf. Allerdings sind die EU-Mitgliedstaaten im Durchschnitt nur knapp 50 Prozent des EU-weit ermittelten Reformbedarfs angegangen. Die größte Reformlücke wird im Bildungsbereich gesehen. Hier wurde lediglich ein Drittel des Reformbedarfs adressiert. Am geringsten waren die bildungspolitischen Reformaktivitäten in Griechenland, Litauen und Spanien. Das Vereinigte Königreich wiederum war zwar überdurchschnittlich aktiv, in manchen Fällen jedoch mit negativen sozialen Folgen. Als Beispiel nennen die Experten die zum Teil drastische Erhöhung von Studiengebühren. Malta schneidet aus Sicht der Wissenschaftler bei den bildungspolitischen Reformen am besten ab. Als positiv bewerten sie unter anderem ein Programm zur Reduzierung der Zahl der Schulabbrecher, kostenfreie Kinderbetreuung oder die Einführung von Abend- und Onlinekursen für flexibles Studieren.

Defizite bei der Förderung des lebenslangen Lernens

Ein besonders niedriges Reformniveau zeigt sich im europäischen Vergleich im Bereich des lebenslangen Lernens. In zehn Ländern fanden laut Experten keinerlei Reformen statt, die darauf abzielen, die finanziellen oder personellen Ressourcen für lebenslanges Lernen zu verbessern. Einen großen Reformbedarf sehen die Wissenschaftler darüber hinaus in vielen Ländern in Bezug auf den starken Einfluss der sozialen Herkunft auf den Bildungserfolg. Sechs Länder waren nach Auskunft der Experten in dieser Hinsicht gar nicht aktiv: Kroatien, Finnland, Griechenland, Ungarn, die Slowakei und Spanien.

»Der Mangel an Bildungsreformen in vielen Ländern gibt Anlass zur Sorge«, so der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung Aart De Geus. »Die Mitgliedstaaten der EU sollten alles daran setzen, um vor allem die Durchlässigkeit der Bildungssysteme und lebenslanges Lernen zu fördern. Ansonsten werden 'Armutskarrieren' weiter vererbt und soziale Ungleichheiten zementiert«.

Versäumnisse auch bei der Integration von Ausländern

In Bezug auf die Integration von Ausländern geben die Wissenschaftler den Mitgliedstaaten ebenfalls schlechte Noten. Drängendstes Problem ist die Armutsbekämpfung. Die Experten berichten, dass es in 15 EU-Mitgliedstaaten keine nennenswerten Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut unter Ausländern gegeben habe.

Die Flüchtlingskrise hat den Reformbedarf in einer Reihe von Mitgliedstaaten zusätzlich erhöht. Dies gilt vor allem für die EU-15, das heißt die EU-Mitgliedstaaten vor der Osterweiterung in 2004. Hier attestieren die Experten einen großen Handlungsbedarf, während sie den Bedarf in den Beitrittsländern als eher gering ansehen. In den meisten der betroffenen Länder gab es entweder nur sehr wenige Reformmaßnahmen oder diese hatten sogar negative Folgen, wie zum Beispiel in Dänemark, Spanien oder Österreich. So hat die dänische Regierung die Sozialhilfe für Asylsuchende halbiert. Italien erhält hingegen von den Experten eine positive Bewertung sowohl für die Integration von Ausländern im Allgemeinen als auch von Flüchtlingen im Speziellen. Dort hat der Gesetzgeber nach Auskunft der Experten die Registrierung der Asylbewerber verbessert. Flüchtlinge erhalten darüber hinaus eine Aufenthaltsgenehmigung für sechs Monate und dürfen bereits nach zwei Monaten eine Arbeit aufnehmen.

Deutschland: Reformbedarf im Bildungsbereich, Fortschritte bei prekärer Beschäftigung

Deutschland hat trotz eines im EU-Vergleich durchschnittlichen Reformbedarfs im Beobachtungszeitraum nur eine geringe Aktivität entfaltet. Nachholbedarf sehen die Experten für den Zeitraum von Mitte 2014 bis Anfang 2016 insbesondere im Bildungsbereich. Zwar habe der Gesetzgeber überdurchschnittlich viele Reformen im Bereich der frühkindlichen Bildung umgesetzt. Defizite sehen die Befragten allerdings bei der Integration von Flüchtlingen in das Bildungssystem. Darüber hinaus gebe es trotz leichter Verbesserungen nach wie vor einen starken Einfluss der sozialen Herkunft auf den Bildungserfolg. Gute Noten stellen die Experten hingegen den Arbeitsmarktreformen in Deutschland aus. So gehen sie davon aus, dass Maßnahmen wie die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Rückgang prekärer Beschäftigungsverhältnisse führen werden.

Insgesamt zeigt sich in der EU ein breites Spektrum an Reformbemühungen für mehr soziale Inklusion. Während neue Mitgliedstaaten wie Kroatien, Bulgarien und Rumänien nach Experteneinschätzung große Anstrengungen unternommen haben, um aufzuschließen, stehen die Krisenländer Griechenland und Spanien deutlich schlechter da. Schlusslicht in der Gesamtbewertung ist das Vereinigte Königreich.
Zusatzinformationen

Hintergrund
Das Reformbarometer wurde von der Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit Bernd Marin, European Bureau for Policy Consulting and Social Research, Wien sowie Christian Keuschnigg, Universtität St. Gallen entwickelt. Es ist Teil des Projektes »Social Inclusion Monitor (SIM) Europe« der Bertelsmann Stiftung, welches regelmäßig die sozialen Teilhabechancen und Reformpolitiken in den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union untersucht und bewertet. An der Expertenbefragung des Reformbarometers haben sich 1058 Wissenschaftler aus ganz Europa beteiligt. Die Online-Befragung fand im Frühjahr 2016 statt und deckt den Zeitraum Juli 2014 bis Januar 2016 ab. Die Ergebnisse ermöglichen den Vergleich von Reformpolitik sowohl über Themenbereiche als auch über Länder hinweg.

 

 

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