Armutsgefährdung in den Bundes­ländern weiter unterschiedlich

(Geschätzte Lesezeit: 3 - 5 Minuten)
destatis

Das Armutsrisiko war – gemessen an der Armutsgefährdungsquote – im Jahr 2016 in den südlichen Bundesländern Baden-Württemberg mit 11,9 % und Bayern mit 12,1 % am geringsten. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, wies das bundesweit höchste Armutsrisiko Bremen mit 22,6 % auf, gefolgt von Sachsen-Anhalt mit 21,4 % und Mecklenburg-Vorpommern mit 20,4 %. Die Armutsgefährdungsquote ist ein Indikator zur Messung der relativen Einkommensverteilung.

Deutliche Unterschiede bei den Armutsgefährdungsquoten gab es 2016 zwischen Ost- und Westdeutschland: Im früheren Bundesgebiet (ohne Berlin) hatten 15,0 % der Bevölkerung ein erhöhtes Armutsrisiko, in den neuen Ländern (einschließlich Berlin) waren 18,4 % der Menschen armutsgefährdet.

Ein besonders hohes Armutsrisiko haben Erwerbslose. Mehr als die Hälfte (52,9 %) der Erwerbslosen im früheren Bundesgebiet und mehr als zwei Drittel der Erwerbslosen in den neuen Ländern (66,9 %) waren 2016 armutsgefährdet. Im Vergleich der Bundesländer gibt es noch größere Unterschiede: Während 2016 in Baden-Württemberg 43,4 % der Erwerbslosen armutsgefährdet waren, waren es in Sachsen-Anhalt 75,6 %.

Auch Alleinerziehende und ihre Kinder sind überdurchschnittlich armutsgefährdet. 42,4 % der Alleinerziehenden-Haushalte im früheren Bundesgebiet und 46,9 % dieser Haushalte in den neuen Ländern waren 2016 armutsgefährdet. Während in Berlin 34,5 % der Alleinerziehenden-Haushalte von Armut bedroht waren, traf dies in Sachsen-Anhalt auf 60,0 % der Alleinerziehenden-Haushalte zu.

Diese und weitere Ergebnisse zur Armutsgefährdung, zum Teil in tiefer regionaler Gliederung, sowie detaillierte Erläuterungen zu den Datenquellen und den angewandten Berechnungsverfahren stehen im Internetangebot der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder zur Verfügung. Dort finden sich auch Armutsgefährdungsquoten, die auf Basis regional unterschiedlicher Armutsgefährdungsschwellen ermittelt wurden.

 

Armut 2016

Ergebnisse des Mikrozensus, Berechnungen durch Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW).
1 Anteil der Personen mit einem Äquivalenzeinkommen von weniger als 60 % des Bundesmedians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung in Privathaushalten am Ort der Hauptwohnung. Das Äquivalenz­einkommen wird auf Basis der neuen OECD-Skala berechnet.
2 Nach dem »Labour-Force-Konzept“ der International Labour Organization (ILO).
3 Zu den Kindern zählen Personen im Alter von unter 18 Jahren ohne Lebenspartner/-in und eigene Kinder im Haushalt.

Methodische Hinweise:

Diese Ergebnisse gehen aus aktuellen Berechnungen auf Basis des Mikrozensus hervor, die von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder im Rahmen des Arbeitskreises »Sozialberichterstattung der amtlichen Statistik“ durchgeführt wurden. Der Mikrozensus ist die größte jährliche Haushaltsbefragung in Europa; er bietet aufgrund seiner Stichprobengröße die Möglichkeit, für alle Bundesländer verlässliche Indikatoren zu ermitteln und zu vergleichen. Das bedarfsgewichtete Einkommen (Äquivalenzeinkommen) wird auf Basis der 1994 entwickelten neuen Skala der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) berechnet. Nach dieser wird der ersten erwachsenen Person im Haushalt das Bedarfsgewicht 1 zugeordnet, für die weiteren Haushaltsmitglieder werden kleinere Gewichte eingesetzt (0,5 für weitere Personen im Alter von 14 und mehr Jahren und 0,3 für jedes Kind im Alter von unter 14 Jahren), weil angenommen wird, dass sich durch gemeinsames Wirtschaften Einsparungen erreichen lassen.

Die Grundlage der hier veröffentlichten Armutsgefährdung ist die Armutsgefährdungsschwelle auf Bundesebene (Bundesmedian), die für Bund und Länder einheitlich ist und somit einen regionalen Vergleich ermöglicht.

Für die Berechnung von Armutsgefährdungsquoten kommen mehrere Datenquellen der amtlichen Statistik in Betracht. Auf europäischer Ebene und auf Bundesebene (insbesondere im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung) wird zur Berechnung von Indikatoren, die die Einkommensarmut und -verteilung betreffen, die Statistik »Leben in Europa“ (EU-SILC) als Datengrundlage herangezogen. Nach den Ergebnissen der EU-SILC-Erhebung ergab sich, bezogen auf das Berichtsjahr 2015, bundesweit eine Armutsgefährdungsquote von 16,7 %. Zu beachten ist, dass sich Mikrozensus und EU-SILC sowohl hinsichtlich des zu Grunde liegenden Einkommenskonzepts und der Einkommenserfassung als auch hinsichtlich des Stichprobendesigns unterscheiden. Für die Darstellung vergleichbarer Indikatoren auf Ebene der Bundesländer kann EU-SILC nicht verwendet werden, da die Stichprobe nicht groß genug ist, um auch für kleinere Bundesländer die entsprechenden Indikatoren auszuweisen.

Neben den dargestellten Armutsgefährdungsquoten gemessen am Bundesmedian werden im Rahmen der Sozialberichterstattung der amtlichen Statistik auch Armutsgefährdungsquoten gemessen am Landes- beziehungsweise regionalen Median berechnet. Hierzu wird das mittlere Einkommen (Median) im jeweiligen Bundesland beziehungsweise in der jeweiligen Region herangezogen. Dadurch wird den Unterschieden im Einkommensniveau zwischen den Bundesländern beziehungsweise Regionen Rechnung getragen. Regionale Einkommensunterschiede werden zum Teil durch Unterschiede im Preisniveau (insbesondere im Mietniveau) ausgeglichen. Dies kann dazu führen, dass die Armutsgefährdung gemessen am Bundesmedian in prosperierenden Regionen unterschätzt und andererseits die Armut in Regionen mit einem relativ niedrigen Einkommensniveau überschätzt wird.

Armutsgefährdungsquoten sind gegenüber stichprobenbedingten Schwankungen des mittleren Einkommens (Median) nicht sehr robust. Das bedeutet, dass bereits geringe zufällige Schwankungen dieses Einkommens merkliche Veränderungen der Armutsgefährdungsquoten zur Folge haben können. Deshalb sollten grundsätzlich nur über einen längeren Zeitraum stabile Entwicklungen inhaltlich interpretiert werden. Dies gilt insbesondere für relative Armutsrisikoquoten kleiner Bevölkerungsgruppen oder für regional tief gegliederte Ergebnisse.

Durch Umstellung auf eine neue Stichprobe sowie durch Sondereffekte im Kontext der Bevölkerungsentwicklung ist die Vergleichbarkeit der Mikrozensusergebnisse für das Berichtsjahr 2016 mit den Vorjahren jedoch eingeschränkt.

Als erwerbslos gilt im Sinne des durch die Europäische Union (EU) konkretisierten Labour-Force-Konzepts der International Labour Organization (ILO) jede Person ab 15 Jahren, die in diesem Zeitraum nicht erwerbstätig war, aber in den letzten vier Wochen vor der Befragung aktiv nach einer Tätigkeit gesucht hat. Auf den zeitlichen Umfang der gesuchten Tätigkeit kommt es nicht an. Eine neue Arbeit muss innerhalb von zwei Wochen aufgenommen werden können. Die Einschaltung einer Agentur für Arbeit oder eines kommunalen Trägers in die Suchbemühungen ist nicht erforderlich. Personen im erwerbsfähigen Alter, die weder erwerbstätig noch erwerbslos sind, gelten als Nichterwerbspersonen.

Zum Haushaltstyp »Alleinerziehende und deren Kind(er)“ zählen Ein-Eltern-Kind-Gemeinschaften, in denen Mütter und Väter ohne Ehe- oder Lebenspartner/-in mit mindestens einem minderjährigen Kind in einem Haushalt zusammenleben. Zu den Kindern zählen Personen ohne Ehe- oder Lebenspartner/-in und eigene Kinder im Haushalt.

 

 

Soziale Ausgrenzung: Lehrkräfte würden eher den Mädchen helfen
Eine aktuelle Studie hat untersucht, welche Rolle das Geschlecht für die Reaktionen von Lehrkräften auf soziale Ausgrenzung unter ihren Schüler*innen spielt. 101 Lehrer*innen wurden nach einer fiktiven Situation befragt. Demnach würden sie einem...
Kinderbonus verringerte Ungleichheit und Armut in Deutschland
Die Armutsrisikoquote in Deutschland ist durch den Kinderbonus um etwa 0,4 Prozentpunkte gesunken, die Kinderarmutsrisikoquote sank um 1,5 Prozent-punkte, wie aus Berechnungen des ifo Instituts hervorgeht. »Bei Alleinerziehenden erhöhte sich das...
Dauernachtarbeit auf Kosten von Gesundheit und Sozialleben
Zahlen zu Dauernachtarbeit in Deutschland veröffentlicht    Beschäftigte, die dauerhaft während der Nacht arbeiten, sind unzufriedener mit ihrer Work-Life-Balance und schätzen ihren Gesundheitszustand schlechter ein als andere...

 

 

Die fünf meistgelesenen Artikel der letzten 30 Tage in dieser Kategorie.

 

.