Arbeitszeit ist Dreh- und Angelpunkt bei Vereinbarkeit von Privat- und Arbeitsleben
DGB-Index »Gute Arbeit 2017« vorgelegt
Ein Arbeitstag mit Grenzen macht es Beschäftigten leichter, Privates und Arbeit miteinander zu vereinbaren. Das ist ein zentrales Ergebnis des DGB-Index Gute Arbeit 2017, der gestern in Berlin vorgestellt wurde. 55 Prozent der befragten Beschäftigten wünschen sich demnach einen Arbeitstag von - im Regelfall - nicht mehr als acht Stunden, neun Prozent gaben an, diese Begrenzung gebe es an ihrem Arbeitsplatz bereits. 46 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Mitsprache bei der Arbeitszeitgestaltung.
Reiner Hoffmann, DGB-Vorsitzender:
»Vereinbarkeit ist nicht nur ein Thema für gestresste Mütter. Das Thema geht alle an: auch die Männer und vor allem die Arbeitgeber. Sie müssen flexibler werden, wenn es um die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht. Stattdessen das Arbeitszeitgesetz schleifen zu wollen, ist die völlig falsche Antwort: auf die Digitalisierung, auf den Fachkräftebedarf und nicht zuletzt auf die Vereinbarkeitsfrage«.
Nachtarbeit stellt das größte Handicap für die zeitliche Vereinbarkeit dar: 52 Prozent derjenigen, die »sehr häufig« oder »oft« nachts arbeiten, haben Probleme, Arbeit und Privatleben in Einklang zu bringen. Dies gilt auch für 45 bzw. 44 Prozent derjenigen, die häufig am Abend oder am Wochenende arbeiten.
Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender IG Metall:
»Der DGB-Index Gute Arbeit zeigt klar, welche Faktoren zur Unzufriedenheit bei der Arbeitszeit führen: Wer nachts arbeitet, wer ausufernde Arbeitszeiten hat oder ständig erreichbar sein muss, hat massive Probleme, Arbeit und Privatleben miteinander zu vereinbaren. Die Flexibilisierung in den Betrieben darf nicht weiter einseitig zulasten der Beschäftigten gehen, sie muss ihnen auch nutzen. Unser Ziel ist mehr Selbstbestimmung. Dazu brauchen wir eine Wende bei der Arbeitszeit. Auf der Tarifebene genauso wie in der Politik«.
14 Prozent der Befragten arbeiten »sehr häufig« (6 %) oder »oft« (8 %) von zu Hause. Das führt jedoch nicht automatisch zu einer besseren Vereinbarkeit. Ist das »Home Office« vom Arbeitgeber angeordnet oder wird zu Hause gearbeitet, weil die Arbeitsmenge sonst nicht zu bewältigen ist, berichten 42 Prozent (betriebliche Vorgabe) bzw. 39 Prozent (Arbeitsmenge) von Problemen. Ist die Arbeit von zu Hause selbst gewollt, lassen sich Arbeit und Privates besser vereinbaren (26 % mit Problemen).
Frauen reduzieren deutlich öfter ihre Arbeitszeit als Männer: 51 Prozent der Frauen arbeiten weniger als 35 Stunden (8 % der Männer). Als Grund für ihre Teilzeit geben 71 Prozent der Frauen den Wunsch nach besserer Vereinbarkeit an (40 % der Männer in Teilzeit haben dasselbe Motiv). Grundsätzlich wünschen sich viele Beschäftigte eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit. Die vorherrschende Arbeitsteilung sieht aber anders aus: Männer arbeiten überwiegend Vollzeit, Frauen arbeiten häufig Teilzeit und kümmern sich um die Kinder.
Michaela Rosenberger, Vorsitzende NGG:
»Die aktuellen Befunde zeigen, dass Flexibilisierung und Entgrenzung von Arbeitszeit und Arbeitsort kein Selbstläufer für eine bessere Vereinbarkeit sind: Entgrenzung ist das Gegenteil von Vereinbarkeit und Flexibilität ist nicht Selbstbestimmung. Wir brauchen eine ‚beschäftigtenorientierte Flexibilität‘ mit gesetzlichem Anspruch auf befristete Teilzeit und ein Rückkehrrecht auf Vollzeit«.
Hintergrund
Seit 2007 werden für den »DGB-Index Gute Arbeit« einmal im Jahr Beschäftigte zu ihren Arbeitsbedingungen befragt. 2017 waren es in einer repräsentativen (telefonischen) Zufallsstichprobe ca. 4.800 Beschäftigte aller Branchen, Berufe, Einkommens- und Altersgruppen, Regionen und Betriebsgrößen. Neben den jährlichen Fragen nach Arbeitsbelastung, Einkommen und Ressourcenausstattung lag der Schwerpunkt in diesem Jahr auf der »Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und privaten Interessen«.