EU-Kommission forciert Aufbau einer Europäischen Arbeitsbehörde
EU-Kommission beschließt Vorschläge zur Einrichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde und für den Zugang zum Sozialschutz für alle
Gestern legte die Kommission entsprechend der Ankündigung von Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union 2017 einen Vorschlag zur Einrichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde vor sowie eine Initiative zur Gewährleistung des Zugangs zum Sozialschutz für alle Arbeitnehmer und Selbstständigen. Begleitet werden diese Initiativen von einer Mitteilung über das Monitoring der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte, die eng mit dem Europäischen Semester für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik verknüpft ist.
Der für den Euro und den sozialen Dialog zuständige Vizepräsident Valdis Dombrovskis sagte:»Europa ist nun auf stetigem Wachstumskurs und die Beschäftigungszahlen steigen, doch müssen wir dafür sorgen, dass das Wachstum inklusiver ist und allen zugutekommt. In diesem Paket werden eine Reihe von Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels aufgezeigt: sicherstellen, dass die Regeln für das Leben und Arbeiten in der Europäischen Union allgemein bekannt sind und durchgesetzt werden; die Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte weiterverfolgen; generell starke Impulse für soziale Rechte geben; den Schwerpunkt auf den Zugang zu Sozialschutz legen. Ein stärkeres soziales Europa ist ein nachhaltigeres Europa«.
Marianne Thyssen, EU-Kommissarin für Beschäftigung, Soziales, Qualifikationen und Arbeitskräftemobilität, fügte hinzu: »Der (..) vorgelegte Vorschlag für eine Europäische Arbeitsbehörde ist das Ergebnis unserer Bemühungen zur Sicherstellung einer fairen Arbeitskräftemobilität, die eine Grundvoraussetzung für einen reibungslos funktionierenden europäischen Arbeitsmarkt ist. Die Behörde wird mobilen Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen helfen, an die erforderlichen Informationen zu gelangen, und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Durchsetzung fairer und wirksamer Regeln stärken. Mit unserem Vorschlag für den Zugang zum Sozialschutz stellen wir außerdem gemeinsam mit den Mitgliedstaaten sicher, dass niemand zurückgelassen wird. Wir wollen gewährleisten, dass alle Menschen Zugang zu angemessenen Leistungen haben, unabhängig davon, wie sich die neue Arbeitswelt entwickelt«.
Die Zahl mobiler Bürgerinnen und Bürger, d. h. Menschen, die in einem Mitgliedstaat leben und/oder in einem anderen arbeiten, hat sich mit 17 Millionen im Jahr 2017 fast verdoppelt. Die Europäische Arbeitsbehörde wird den Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen und den nationalen Verwaltungen helfen, die Chancen, die die Freizügigkeit bietet, optimal zu nutzen und eine faire Arbeitskräftemobilität zu gewährleisten. Es werden drei Ziele verfolgt:
Zunächst einmal wird die Behörde die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen über Arbeits-, Ausbildungs-, Mobilitäts-, Einstellungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten informieren sowie Leitlinien über Rechte und Pflichten zur Verfügung stellen, die mit dem Leben, Arbeiten und/oder der unternehmerischen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der EU verbunden sind.
Zweitens wird sie die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden bei grenzüberschreitenden Sachverhalten fördern, indem sie ihnen dabei hilft sicherzustellen, dass die EU-Rechtsvorschriften, die die Mobilität schützen und regeln, leicht nachvollziehbar sind und befolgt werden. Derzeit unterliegt die Freizügigkeit der Arbeitskräfte einem umfassenden EU-Regelwerk, das gerade teilweise geändert und modernisiert wird, z. B. hinsichtlich der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der EU und Fragen wie der Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen. Es geht nicht nur vorrangig darum, diese Rechtsvorschriften fairer und zweckmäßiger zu machen, sondern auch sicherzustellen, dass sie korrekt angewandt und auf faire, einfache und effiziente Weise in allen Wirtschaftszweigen durchgesetzt werden. Die Behörde wird beispielsweise zu einem besseren Informationsaustausch beitragen, den Kapazitätenaufbau bei nationalen Behörden unterstützen und diesen bei konzertierten und gemeinsamen Kontrollen behilflich sein. Dadurch werden das Vertrauen zwischen den Akteuren gestärkt, die Routine der täglichen Zusammenarbeit verbessert sowie potenzieller Betrug und die Verletzung von Vorschriften vermieden.
Drittens wird die Europäische Arbeitsbehörde vermitteln und bei grenzüberschreitenden Streitfällen auf Lösungen hinwirken, z. B. bei Unternehmensumstrukturierungen, die mehrere Mitgliedstaaten betreffen.
Ihre Arbeit als dezentrale EU-Agentur wird die Europäische Arbeitsbehörde nach Abschluss des entsprechenden EU-Gesetzgebungsverfahren im Jahr 2019 aufnehmen können. Um die Einrichtung der Agentur zu erleichtern und sicherzustellen, dass sie ihre Arbeit umgehend aufnehmen kann, setzt die Kommission außerdem eine Beratungsgruppe ein, die wichtige Interessenträger umfasst und sich mit den praktischen Aspekten der Arbeit der Behörde befassen soll.
Die Kommission legte auch einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates für den Zugang zum Sozialschutz für Arbeitnehmer und Selbstständige vor. Da sich die Arbeitswelt aufgrund veränderter Lebensweisen, Geschäftsmodelle und der Digitalisierung weiterentwickelt, müssen sich die Sozialschutzsysteme ständig auf neue Gegebenheiten einstellen. Heute befinden sich fast 40 % der Beschäftigten entweder in einem atypischen Arbeitsverhältnis – d. h. ohne unbefristeten Vollzeitarbeitsvertrag –, oder sie sind selbstständig. Diese Beschäftigten sind sozial nicht immer gut abgesichert und haben keine Arbeitslosenversicherung oder keinen Zugang zu Rentenansprüchen. Im Einklang mit der europäischen Säule sozialer Rechte zielt der heutige Vorschlag darauf ab, den Mitgliedstaaten eine Richtung vorzugeben, wie sie allen Arbeitnehmern und Selbstständigen den Zugang zum Sozialschutz ermöglichen können, insbesondere denjenigen, die aufgrund ihres Beschäftigungsstatus nicht ausreichend durch die Systeme der sozialen Sicherheit abgesichert sind.
Die Empfehlung sieht vor,
- formale Lücken bei der Absicherung zu schließen, sodass sich Arbeitnehmer und Selbstständige, die sich in vergleichbaren Situationen befinden, entsprechenden Sozialversicherungssystemen anschließen können;
- ihnen eine angemessene tatsächliche Absicherung anzubieten, damit sie geeignete Ansprüche aufbauen und geltend machen können;
- die Übertragung von Sozialversicherungsansprüchen von einem Arbeitsplatz zum nächsten zu erleichtern;
- Arbeitnehmer und Selbstständige klar über ihre Sozialversicherungsansprüche und -verpflichtungen zu informieren.
In Ergänzung zu den noch in Planung oder schon in Durchführung befindlichen Initiativen auf EU-Ebene skizziert die Kommission ihren Standpunkt zur Überwachung der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte. Hierzu werden die Prioritäten der Europäischen Säule sozialer Rechte im Jahreszyklus des Europäischen Semesters für die wirtschaftspolitische Koordinierung berücksichtigt, was Folgendes umfasst: eine Analyse der ergriffenen Maßnahmen und der auf nationaler Ebene erzielten Fortschritte; die Bereitstellung technischer Hilfe, vergleichende Leistungsbewertungen und den Austausch bewährter Verfahren; die Bewertung der Leistung in den Bereichen Beschäftigung und Soziales, unter anderem mithilfe des neuen sozialpolitischen Scoreboards, in dem Trends und Leistungen in den EU-Mitgliedstaaten in den drei Kategorien der europäischen Säule sozialer Rechte erfasst werden. Die Kommission veröffentlicht heute ferner eine Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, in der der Rechtsrahmen für jeden einzelnen Grundsatz der europäischen Säule sozialer Rechte in Erinnerung gerufen und auf die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche der EU und der Mitgliedstaaten sowie die Rolle der Sozialpartner und aktuelle EU-Maßnahmen in jedem Bereich eingegangen wird.
Nächste Schritte
- Europäische Arbeitsbehörde: Dieser Vorschlag für eine Verordnung wird jetzt im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren vom Europäischen Parlament und vom Rat geprüft. Nach dem Ziel der Kommission soll die Behörde ihre Arbeit im Jahr 2019 aufnehmen können.
- Zugang zum Sozialschutz: Diese Frage wird nun vom Rat geprüft, der auf Vorschlag der Kommission in Bereichen, in denen die EU über Zuständigkeiten verfügt, Empfehlungen verabschieden kann.
- Die Kommission wird den Ministern für Beschäftigung und Soziales das heutige Initiativpaket auf ihrer Tagung des Rates in Brüssel am 15. März vorlegen. Außerdem werden sich auf der Tagung des Europäischen Rates vom 22. und 23. März 2018 die Staats- und Regierungschefs erneut mit der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte befassen.
Hintergrund
Die Absicht der Kommission, eine Europäische Arbeitsbehörde zu schaffen, hatte Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union vom 13. September 2017 angekündigt. Die Europäische Arbeitsbehörde wird die laufenden Initiativen zur Gewährleistung fairer Mobilitätsbedingungen ergänzen und ihre Umsetzung erleichtern. Dazu zählen die Reform der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern, die »lex specialis‟ im internationalen Straßengüterverkehr und die Modernisierung der EU-Vorschriften für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit.
In der Konsultation zur europäischen Säule sozialer Rechte und im Reflexionspapier über die soziale Dimension Europas wurde daran erinnert, dass eine größere Flexibilität des Arbeitsmarkts und die zunehmende Vielfalt der Arbeitsformen neue Arbeitsplätze geschaffen und mehr Menschen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermöglicht haben. Aber sie haben auch Lücken in der sozialen Absicherung aufgerissen, die nun geschlossen werden müssen. Der Kommissionsvorschlag für eine Empfehlung des Rates für den Zugang zum Sozialschutz ist eine Antwort auf diese veränderten Arbeitsmarktrealitäten, insbesondere die in den letzten Jahren entstandenen neuen Arbeitsformen. Diese Initiative war im April 2017 zusammen mit der europäischen Säule sozialer Rechte angekündigt worden. Sie ist Teil der Arbeitsprogramme der Kommission für 2017 und 2018 und folgt auf eine zweistufige Konsultation der Sozialpartner.
Diese Initiativen gehören zur aktiven Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte, die auf dem Sozialgipfel zu den Themen faire Arbeitsplätze und Wachstum im November 2017 in Göteborg proklamiert wurde. Die Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte ist eine gemeinsame politische Verpflichtung und Verantwortung, und für konkrete Fortschritte vor Ort ist es unabdingbar, dass ihre Umsetzung überwacht wird. Deswegen zieht die Kommission in der heute vorgelegten Mitteilung eine Bilanz der Maßnahmen, die sie zur Umsetzung der europäische Säule sozialer Rechte getroffen hat, wie unter anderem ihre Initiative zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und ihr Vorschlag für transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union.