Ständige Erreichbarkeit im Job: Ich wär dann gern mal offline

(Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten)
INQA

Im Urlaub nicht erreichbar sein und mal komplett abschalten – das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Doch gerade jetzt, in der Urlaubszeit, fragen sich viele Beschäftigte, Führungskräfte und Selbständige: Muss ich auch in meiner Freizeit erreichbar sein? Die Initiative Neue Qualität der Arbeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gibt dazu Tipps.

Eine Umfrage des Projekts MASTER (Management ständiger Erreichbarkeit) der Initiative Neue Qualität der Arbeit zeigt: Hierüber wird in vielen Betrieben nicht gesprochen. Eine Befragung unter 260 Beschäftigten der IT-Branche zeigt: Nur ein Fünftel gab an, dass es im Unternehmen eindeutige Regelungen zur Erreichbarkeit gibt. Jeder Dritte Beschäftigte war sich zumindest teilweise unsicher, ob Kollegen bzw. Kolleginnen oder Vorgesetzte von ihm erwarten, dass er oder sie in der Freizeit auf Kontaktversuche reagiert. Dies führt zu Unsicherheit und Stress, eine Entspannung ist so kaum möglich.

Diplom-Psychologin Dr. Nina Pauls vom Projekt MASTER rät zu klaren Absprachen: »Beschäftigte sollten ihre Vorgesetzten ganz direkt fragen, wie viel Erreichbarkeit von ihnen erwartet wird.« Zwar dürfen Beschäftigte nach dem geltenden Arbeitsrecht dienstliche Anrufe, E-Mails oder SMS während ihres Urlaubs ignorieren oder ihr Smartphone ausschalten, Umfragen zeigen jedoch, dass dies für viele Beschäftigte keine realistische Option ist. Auch viele Selbstständige stellt die Gestaltung der Erreichbarkeit vor große Herausforderungen: Selbst wenn sie theoretisch die Freiheit hätten, sich für bestimmte Zeiten vollständig zurückzuziehen, fällt genau das vielen schwer. Zu groß ist die Angst, den entscheidenden Auftrag oder Anruf zu verpassen und sich damit ins Abseits zu manövrieren.

Das vom Bundesarbeitsministerium geförderte Projekt psyGA (psychische Gesundheit in der Arbeitswelt) unterstützt Betriebe und Beschäftigte mit kostenlosen Materialien und Handlungshilfen bei einer gesundheitsgerechten Gestaltung der Arbeit.

Tipps für Beschäftigte

  1. Erwartungen klären
    Sie haben das Gefühl, immer erreichbar sein zu müssen, z.B. im Feierabend, am Wochenende oder im Urlaub? Sprechen Sie mit Ihrer Führungskraft, klären Sie die gegenseitigen Erwartungen und finden Sie so gemeinsam eine Lösung, die Sie entlastet.
  2. Vertretung organisieren
    Kümmern Sie sich frühzeitig in Absprache mit Ihrer Führungskraft darum, dass wichtige Aufgaben während Ihrer Urlaubszeit von Kolleginnen und Kollegen erledigt werden. Nur so können Sie im Urlaub abschalten und bleiben auf lange Sicht gesund und leistungsfähig.
  3. Distanz schaffen
    Versuchen Sie sich nach Feierabend oder am Wochenende ganz auf Ihre Erholung zu konzentrieren. Das gilt auch räumlich: Die Arbeit ins Schlafzimmer oder die Küche zu verlagern, mag eine Zeit lang gemütlich sein. Doch auf Dauer leidet oft die Erholungsfähigkeit.

Tipps für Führungskräfte

  1. Absprachen treffen
    Klar kommunizierte Regelungen zur Erreichbarkeit, z.B. im Urlaub, im Feierabend oder zu Stoßzeiten, helfen Ihnen und Ihren Beschäftigten dabei, sich in der Freizeit zu erholen und richtig abzuschalten. Sprechen Sie mit Ihren Beschäftigten verschiedene Situationen durch und klären Sie so gegenseitige Erwartungen. Halten auch Sie als Führungskraft sich an diese Absprachen. Machen Sie sich bewusst, welches Signal Sie senden, wenn Sie spätabends oder am Wochenende Mails schicken.
  2. Vorbild sein
    Auch Führungskräfte müssen nicht immer und überall erreichbar sein. Verordnen Sie sich in Absprache mit Ihren Vorgesetzten und Ihrem Team regelmäßig erreichbarkeitsfreie Zeiten, in denen Sie auftanken können. Denn auf lange Sicht ist eine angemessene Erholung sehr wichtig. Schließlich orientieren sich auch Ihre Teammitglieder an Ihrem Umgang mit Erreichbarkeit.
  3. Vertretungen organisieren
    Bilden Sie wenn möglich Tandems, sodass sich Kolleginnen und Kollegen gegenseitig in Urlaubs- und Krankheitszeiten vertreten können. Bei Bedarf können Sie einen Bereitschaftsplan erarbeiten, der für Notfälle eine Sicherheit bietet. So stellen Sie sicher, dass Ihre Beschäftigten nicht nur eine erholsame Urlaubszeit haben, sondern auch bei spontanen Ausfällen immer jemand ansprechbar ist.

Tipps für Selbstständige

  1. Ruhige Phasen nutzen
    Meistens gibt es auch bei Selbstständigen Zeiten, in denen mal mehr, mal weniger los ist. Sicherlich wissen Sie am besten, wann dies in Ihrer Branche der Fall ist. Sind Sie noch neu in der Selbstständigkeit, können erfahrene Kolleginnen und Kollegen hierzu Auskunft geben. Fragen Sie auch Ihre Kunden nach Zeiten mit weniger Arbeitsaufkommen und nutzen Sie diese Zeiten für Ihren Urlaub.
  2. Urlaub ankündigen
    Kündigen Sie Ihren Urlaub proaktiv vier Wochen vorher an. Nutzen Sie diese Gelegenheit geschickt um ruhende Kontakte zu Kunden aufzufrischen. Ihren Stammkunden zeigen Sie Ihren Einsatz, in dem Sie sich ein paar Tage vor und nach Ihrer Auszeit noch einmal melden und Ihre Verfügbarkeit kommunizieren.
  3. Vorausschauend planen
    Stellen Sie sicher, dass Sie keine Fristen und Termine verpassen und planen am besten ein paar Tage Puffer rund um den Urlaub. Organisieren Sie eine Vertretung, die in Ihrer Abwesenheit auf Anfragen reagiert und Sie im Notfall erreichen kann: jemand, den Sie kennen oder aber einen Serviceanbieter. Auch ein Abwesenheitsagent für Emailpostfach und Anrufbeantworter hält Ihnen den Rücken frei. Und im Urlaub? Wenn Sie »reinschauen« wollen, dann setzen Sie sich am besten feste Zeiten dafür.


HINTERGRUND

Die Initiative Neue Qualität der Arbeit: Zukunft sichern, Arbeit gestalten

Attraktive Arbeitsbedingungen sind heute mehr denn je ein Schlüssel für Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland und bilden die Grundlage für eine erfolgreiche Fachkräftesicherung in Unternehmen und Verwaltungen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unterstützt daher mit der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) eine Plattform, auf der sich Verbände und Institutionen der Wirtschaft, Unternehmen, Gewerkschaften, die Bundesagentur für Arbeit, Sozialversicherungsträger, Kammern und Stiftungen gemeinsam mit der Politik für eine neue, nachhaltige Arbeitskultur einsetzen – entlang der Themenfelder Personalführung, Gesundheit, Wissen & Kompetenz sowie Chancengleichheit & Diversity. Als unabhängiges Netzwerk bietet die Initiative konkrete Beratungs- und Informationsangebote für Betriebe und Verwaltungen sowie vielfältige Austauschmöglichkeiten in zahlreichen - auch regionalen - Unternehmens- und Branchennetzwerken: www.inqa.de.

Management ständiger Erreichbarkeit (MASTER)

Das Projekt »MASTER Management ständiger Erreichbarkeit - Neue Wege zum gesunden Umgang mit modernen Informations- und Kommunikationsmedien« befasst sich mit der Verbreitung, sowie den Ursachen, Folgen und Gestaltungsmöglichkeiten ständiger Erreichbarkeit. Darauf aufbauend werden Umgangsweisen für Beschäftigte, Führungskr.fte und Unternehmen erarbeitet, erprobt und evaluiert: www.erreichbarkeit.eu.

Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt (psyGA)

Das Projekt Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt (psyGA) der Initiative Neue Qualität der Arbeit informiert darüber, wie Mitarbeitende vor zu viel Stress geschützt werden und sowohl Personalverantwortliche als auch Beschäftigte selbst Belastungen entgegenwirken können. Unter dem Motto »Kein Stress mit dem Stress« bietet psyGA praxisnahe Materialien zum Thema psychische Gesundheit für Unternehmen und Organisationen aller Branchen und Größen. Die Projektleitung liegt beim BKK Dachverband e.V.: www.psyga.info.

  

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