Hartz-IV-Leistungen: Mindestens ein Drittel verzichtet auf Anspruch

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O Ton Arbeitsmarkt

Freiwilliges Leben unter dem Existenzminimum – was widersinnig klingt ist für etliche Menschen in Deutschland Realität. Studien gehen davon aus, dass zwischen 34 und 50 Prozent der Menschen, die eigentlich Hartz-IV-Leistungen beziehen könnten, auf ihren Anspruch verzichten. Unter den Erwerbstätigen sind es Schätzungen zufolge sogar bis zu zwei Drittel der Anspruchsberechtigten.

Erwerbsfähige Bürger können in Deutschland Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II bzw. »Hartz IV«) nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) beantragen. Ein Anspruch auf Hartz IV besteht dann, wenn Antragsstellende hilfebedürftig im Sinne des SGB II sind. Hilfebedürftigkeit liegt zum Beispiel dann vor, wenn Personen kein oder nur unzureichendes Einkommen unterhalb der Hartz-IV-Regelsätze erzielen.

Doch nicht alle, die nach dieser Definition theoretisch hilfebedürftig und damit leistungsberechtigt sind, stellen Antrag auf Hartz-IV-Leistungen. Unterschiedliche Studien aus den Jahren 2012 bis 2017 ermittelten, dass mindestens ein Drittel der eigentlich Leistungsberechtigten auf Hartz IV verzichtet – und damit unter dem Existenzminimum lebt.

Verzichtsquote von 34 bis 50 Prozent

In der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag nennt die Bundesregierung insgesamt sechs Studien, die sich mit dem Verzicht auf Grundsicherungsleistungen befassen. Die ermittelte Verzichtsquote reicht von 33,8 bis sogar 49,9 Prozent. Fünf der Studien nutzten das Sozioökonomische Panel (SOEP) als Datenquelle.

Deutlich höher ist der Leistungsverzicht unter Erwerbstätigen. Die von der Bundesregierung genannten Studien schätzen, dass mindestens die Hälfte der Anspruchsberechtigten mit Einkommen aus Erwerbstätigkeit freiwillig auf Hartz-IV-Leistungen verzichten. Je nach Erhebung wurde für diese Gruppe eine Verzichtsquote von 48,4 bis 63 Prozent berechnet.

Leistungsverzicht bedeutet auch verdeckte Armut

Offiziell gab es im Jahr 2017 laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) rund 4,36 Millionen erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger. Ausgehend von einer Verzichtsquote von 33,8 Prozent hätten in diesem Jahr weitere rund 2,22 Millionen Erwerbsfähige einen Hartz-IV-Anspruch gehabt. Stellen diese Personen jedoch keinen Antrag auf Grundsicherungsleistungen, tauchen sie auch nicht in der Grundsicherungsstatistik der BA auf. Die offizielle statistische Berichterstattung kann insofern nur einen Teil der Menschen abbilden, die an oder unter dem Existenzminimum gemessen an der Grundsicherungsschwelle leben.

Hohe Bürokratische Hürden für Antragssteller

Die genannten Studien weisen daher darauf hin, dass Hartz-IV-Leistungen ihre Zielgruppe der Hilfebedürftigen nicht angemessen erreichen. Als ein Grund für diese Problematik wird die Komplexität des sozialen Sicherungssystems genannt. Antragsstellende könnten bereits bei der Auswahl der richtigen Sozialleistung – Arbeitslosengeld, Wohngeld oder Kinderzuschlag – oder schließlich von der Antragsstellung überfordert sein. Wenn der Hartz-IV-Anspruch dann auch noch zum Beispiel aufgrund von anrechenbarem Einkommen sehr gering ausfällt, ist der Anreiz zur Antragsstellung noch geringer.

Unklar ist auch, inwiefern soziale Stigmatisierung oder das Prinzip »Fördern und Fordern« im Hartz-IV-System den Leistungsverzicht begünstigt. Potenzielle Leistungsberechtigte könnten von den gesetzlichen Verpflichtungen, die der Bezug von ALG II mit sich bringt, abgeschreckt werden. Denn Hartz-IV-Empfänger sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Hilfebedürftigkeit aktiv zu verringern oder zu beenden. Hierzu müssen sie unter anderem jede zumutbare Arbeit aufnehmen und sich der Arbeitsvermittlung der Jobcenter zur Verfügung stellen, andernfalls drohen Sanktionen.

Quelle: O-Ton Arbeitsmarkt

   

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