Lehrermangel: Quereinsteiger unterrichten besonders häufig an Brennpunktschulen
Der Lehrermangel spitzt sich zu
Deshalb entwickelt sich der Quereinstieg in den Lehrerberuf immer stärker von der Ausnahme zur Regel. Quereinsteiger arbeiten besonders häufig an Brennpunktschulen, wie erstmals eine Studie für das Bundesland Berlin aufzeigt. Damit benachteiligte Jugendliche nicht besonders unter dem Lehrermangel leiden, ist besondere Unterstützung für ihre Schulen gefragt.
Die Zahl der Quer- und Seiteneinsteiger an Berliner Grundschulen steigt stark. Zu Beginn des aktuellen Schuljahres 2018/2019 verfügte nur ein Achtel aller neu eingestellten Lehrkräfte über einen Abschluss im Lehramt für die Grundschule. Damit spitzt sich eine Entwicklung weiter zu, die sich bereits in den beiden vorausgehenden Schuljahren abgezeichnet hatte. Waren im Schuljahr 2016/2017 noch 4,3 Prozent (insgesamt 506) aller Lehrkräfte an Grundschulen Quereinsteiger, so waren es im Jahr darauf bereits 6,5 Prozent (insgesamt 781). Dies entspricht einer Zunahme um gut die Hälfte in einem Jahr. In Zeiten des Lehrermangels wird damit aus einer Ausnahme zunehmend der Normalfall: Arbeiteten 2016 in fast jedem dritten Grundschulkollegium nur vollausgebildete Lehrkräfte, galt dies ein Jahr später nur noch für gut ein Sechstel aller Grundschulen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bildungsforscher Dirk Richter, Alexandra Marx und Dirk Zorn für unsere Stiftung.
Quereinsteiger verteilen sich demnach ungleich auf Grundschulen. Wie viele Quereinsteiger an einer Schule sind, hängt stark davon ab, wie viele Kinder aus armen Haushalten diese Grundschule besuchen. Gemessen wird dies am Anteil der Kinder mit Lernmittelbefreiung. An Brennpunktschulen unterrichten doppelt so viele Quereinsteiger wie an Schulen mit vielen Kindern aus finanziell besser gestellten Familien. Schulen mit einem niedrigen Anteil von Kindern mit Lernmittelbefreiung hatten im Schuljahr 2016/2017 so im Schnitt nur 3,1 Prozent Quereinsteiger, Schulen mit vielen Kindern aus ärmeren Haushalten hingegen 6,7 Prozent.
Mit der steigenden Zahl an Quereinsteigern im Schuljahr 2017/2018 bleibt die Kluft zwischen armen und reichen Schulen erhalten: Machten an Schulen mit besser gestellten Kindern Quereinsteiger fünf Prozent der Kollegien aus, lag ihr Anteil an Schulen mit finanziell schlechter gestellten Kindern sogar bei knapp zehn Prozent.
Quereinsteiger dürfen in Zeiten des Lehrermangels nicht verbrannt werden
Dass ausgerechnet Brennpunktschulen besonders viele Quereinsteiger beschäftigen, verschärft die dort ohnehin anspruchsvolle Situation zusätzlich. »Je mehr Quereinsteiger an eine Schule kommen, desto größer ist der Aufwand für die erfahrenen Kollegen, diese ans Unterrichten heranzuführen«, so Dräger. Zumal der Berufseinstieg an Schulen in schwieriger Lage für Quereinsteiger ohnehin herausfordernder sei als an Schulen mit privilegierter Schülerschaft.
Brennpunktschulen brauchen angemessene Ausstattung und Unterstützung
Die Studie macht auch Lösungsvorschläge für die schwierige Situation. Demnach müssen vor allem Brennpunktschulen für regulär ausgebildete Lehrkräfte attraktiver werden, etwa durch bessere materielle und personelle Ausstattung, die am höheren Bedarf orientiert ist. »Bislang«, so Dräger, »können sich erfolgreiche Lehramtsabsolventen ihren Einsatzort quasi aussuchen und wählen deshalb häufig Schulen, die gute Bedingungen versprechen. An eine Brennpunktschule zu gehen, sollte mit attraktiven Entwicklungsmöglichkeiten honoriert werden«.
Die Studie stellt zudem heraus, dass sowohl die neu startenden Quereinsteiger wie auch die Schulen selbst effiziente Unterstützung brauchen. Dräger begrüßt deshalb, dass die Berliner Bildungsverwaltung im Rahmen ihres Unterstützungskonzepts für Quereinsteiger »QuerBer« gezielt Ruheständler als Mentoren an Bord holt. Darüber hinaus sollte der Senat gegen die ungleiche Verteilung der Lehrkräfte auf die Berliner Schulen stärker ansteuern, etwa indem er den Anteil der Quereinsteiger an Schulen begrenzt.
Abschließend macht Dräger deutlich, dass der Lehrermangel an den Grundschulen nicht auf Berlin begrenzt sei und sich in den kommenden Jahren noch weiter zuspitzen werde. Daher lobt er die Offenheit, mit der der Berliner Senat die Verteilung der Quereinsteiger auf die Grundschulen darlegt: Dräger erhofft sich, dass auch andere Bundesländer Einblick in »die soziale Verteilung des Lehrermangels« gewähren und die Daten zum aktiven Gegensteuern nutzen.