Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt
Die Einschätzungen des Eidgenössischen Hochschulinstituts für Berufsbildung (EHB) in der Schweiz sowie des Österreichischen Instituts für Bildungsforschung (öifb) sind am 11. März 2019 Thema einer öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission »Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt« gewesen. Die externen Sachverständigen sprachen in der 8. Sitzung des Gremiums über die berufliche Aus- und Weiterbildung im internationalen Vergleich und darüber, welche Ansätze Hinweise zur Weiterentwicklung der deutschen Systeme liefern können.
Patrizia Salzmann (EHB) stellte den Kommissionsmitgliedern das schweizerische Berufsbildungssystem vor, das 230 Berufe umfasst. »Die höhere Berufsbildung hat in der Schweiz eine große Bedeutung«, sagte sie. »Ein Drittel der Abschlüsse in der Tertiärstufe werden dort gemacht«, betonte Salzmann. Das System sei dabei geprägt von der Orientierung an nachgefragten Qualifikationen und Arbeitsplätzen. Bestätigt habe dies auch die OECD, die dem Land eine Spitzenreiterposition bei der dualen Berufsbildung bescheinigt habe. »59 Prozent der Jugendlichen absolvieren eine duale beruflichen Grundbildung«, sagte Salzmann, gleichzeitig könne aber nicht beobachtet werden, dass bei der Anzahl der akademischen Abschlüsse negative Effekte zu verzeichnen seien. Besonders sei am schweizerischen System auch die hohe Durchlässigkeit, mit der eine Steigerung der Karriereperspektiven einherginge.
Im Hinblick auf informell erworbener Kompetenzen und Bildungsleistungen sei es wichtig, zwischen Anrechnung und Validierung zu unterscheiden, sagte Salzmann. »Von 8.500 Erwachsenen, die 2016 in der Schweiz eine berufliche Grundausbildung abgeschlossen haben, haben 550 Personen dies über eine Validierung von Bildungsleistungen erreicht«, sagte die Forscherin. Dies entspreche 6,5 Prozent der Abschlüsse, also weniger als einem Prozent der Gesamtabschlüsse im Bereich Berufsbildung in der Sekundarstufe II. Eine Anrechnung sei in allen Formen der beruflichen Grundausbildung möglich wohingegen die Validierung aktuell in nur 14 Berufen erfolge. Auch in der Tertiärstufe seien eine vollständige und eine teilweise Validierung für einzelne Abschlüsse möglich. Für einen solchen Prozess müssen mindestens fünf Jahre Berufserfahrung nachgewiesen werden. Wenn gewisse Kompetenzen für die Zertifizierung fehlen, bestehe zudem die Möglichkeit, diese nachzuholen.
»Die Systeme in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind sich ähnlich, unterscheiden sich in Details aber sehr stark«, sagte Peter Schlögl (öifb). Gemeinsam sei den Ländern vor allem »die Reform der kleinen Schritte sowie eine starke Konzentration auf die betriebliche Ausbildung«. Die Betriebsstrukturen in den Ländern seien jedoch sehr unterschiedlich. In Österreich führe die Ausbildung an einer höheren Schule etwa zu einer eigenen Hochschulzugangsberechtigung, sagte Schlögl. »Mittlerweile lässt sich sagen, dass dort mehr Reifeprüfungen abgelegt werden als im allgemeinbildenden Zweig«. Auch die Beruflichkeit als Bildungsziel eine die drei Länder, auch wenn »die Verbleibraten in Berufen deutlich kürzer werden«, sagte Schlögl. In Zukunft komme es daher auch darauf an, Berufe etwas weiter zu fassen und übergreifende Fachkompetenzen zu stärken.
Mit Blick auf die Übergänge von der Schule in die berufliche Bildung verwies Schlögl auf das österreichische Modell des »Jugendcoaching«, bei dem Schüler in der vorletzten Schulstufe durch Lehrer und Sozialarbeiter stärker begleitet würden. »Das Coaching kommt aus den 1990er Jahren , in denen es eine große Lehrstellenlücke gab«, berichtete Schlögl und nannte es eine »Erfolgsgeschichte« in Bezug auf die Problematik, Jugendliche am Übergang von der Schule in den Beruf zu verlieren. Ähnlich erfolgreich sei auch das Angebot der Lehrwerkstätten, da dort ein vollwertiger Berufsabschluss absolviert werden könne. Maßnahmen, die nicht berufsqualifizierend seien, gebe es im österreichischen System nicht, betonte Schlögl. Wichtig sei für ihn »ein modernes Verständnis von aktivem Qualitätsmanagement von Betrieben« in der Aus- und Weiterbildung, so wie es in der Schweiz bereits praktiziert werde, sagte Schlögl.
In Ihren Nachfragen konzentrierten sich die Abgeordneten und Sachverständigen auf mögliche Lehren für das deutsche Berufsbildungssystem. Die CDU/CSU-Fraktion wollte wissen, warum die Durchlässigkeit im schweizerischen Berufsbildungssystem so gut sei und fragte nach Details zum österreichischen »Jugendcoaching«. Die AfD-Fraktion interessierte sich dafür, welche Herausforderungen aus immer kürzeren Verweildauern in Berufen entstünden. Die FDP-Fraktion fragte bezüglich der Validierung von Kompetenzen, wie Beratungsangebote und Prüfkommission sich im schweizerischen System finanzieren.
Die Fraktion die Linke interessierte sich dafür, warum in nur 14 Berufen in der Schweiz eine Validierung erfolge und fragte nach dem Einfluss der Digitalisierung auf die Anpassung von Berufsprofilen in den beiden Ländern. Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen wollte wissen, wie sich die Zahl der Abiturienten in der Schweiz entwickelt habe und fragte nach Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und Fortbildung von Berufsschullehrern. Die SPD-Fraktion konzentrierte sich in ihren Nachfragen darauf, welche Auswirkungen die überbetriebliche Ausbildung auf das Angebot an Lehrstellen habe.
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