Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt
Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes wird von Experten überwiegend als Schritt in die richtige Richtung bezeichnet, der aber noch nicht ausreicht, um dem Fachkräftemangel langfristig entgegenzuwirken. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat am Montagvormittag zu dem Regierungsentwurf sowie Initiativen der FDP-Fraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Einwanderungspolitik deutlich.
Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz will die Bundesregierung »eine gezielte und gesteuerte Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt« regeln, der nicht nur für Hochqualifizierte offen sein soll. Ausländer aus Nicht-EU-Staaten, die einen Arbeitsvertrag und eine anerkannte Qualifikation wie ein Hochschulstudium oder eine qualifizierte Berufsausbildung vorweisen können, sollen nach der Neuregelung künftig auch in Deutschland in den entsprechenden Berufen arbeiten können. Die bisherige Beschränkung auf »Engpassberufe«, die besonders vom Facharbeitermangel betroffen sind, soll künftig entfallen.
Auch auf die sogenannte Vorrangprüfung, ob nicht auch Deutsche oder andere Bürger der Europäischen Union für eine Stelle in Frage kommen, soll bei Fachkräften im Grundsatz verzichtet werden. Dies soll nach dem Willen der Bundesregierung allerdings mit der Möglichkeit verbunden werden, die Vorrangprüfung bei Veränderungen des Arbeitsmarktes kurzfristig wieder einführen zu können.
Eine ausländische Fachkraft aus Staaten außerhalb der EU soll zudem eine Aufenthaltserlaubnis für maximal sechs Monate erhalten können, um sich bei adäquaten Deutschkenntnissen einen ihrer Qualifikation entsprechenden Arbeitsplatz suchen zu können. Auch Absolventen deutscher Schulen sowie Inhaber eines ausländischen Schulabschlusses, der in Deutschland zu einem Hochschulzugang berechtigt, sollen zur Arbeitsplatzsuche befristet einreisen können.
Insbesondere die ersten beiden Änderungen trafen auf breite Zustimmung bei den Experten. Professor Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg rechnet dennoch nicht damit, dass das Gesetz einen großen Anstieg der Zuwanderung von Fachkräften auslösen wird. Mit der Anerkennung von beruflichen Abschlüssen bleibe die wichtigste Hürde für die Einwanderung erhalten, so Brückner. Andere Einwanderungsländer hätten »aus guten Gründen« keine vergleichbaren Anerkennungsverfahren. Zwar versuche der Gesetzentwurf über Verwaltungsvereinfachungen dem entgegenzutreten. Doch sei er skeptisch, ob sich damit die »fundamentalen Probleme lösen lassen«. Der Gesetzentwurf sei daher nicht der große Wurf, der benötigt werde, urteilte er.
Stefan Hardege vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) begrüßte es, dass die Bundesregierung die Einwanderung aus Dritt-Staaten in den Blick nehme, da aus der EU immer weniger Menschen kämen. Hardege sagte weiter, es sei schwierig, Kandidaten aus den Dritt-Staaten zu bekommen, die gegenüber den deutschen Berufsabschlüssen gleichwertige eigene Abschlüsse hätten. Auch mit »teilweiser Gleichwertigkeit« solle es aus Sicht des DIHK möglich sein, nach Deutschland zum Arbeiten kommen zu können. Der Verbandsvertreter machte zugleich darauf aufmerksam, dass sich die Visaerteilung durch die deutschen Auslandsvertretungen immer mehr als für die Zuwanderung problematischer Flaschenhals entpuppe.
Die Rechtsanwältin Bettina Offer aus Frankfurt am Main, spezialisiert auf die Beratung von zuwanderungswilligen Fachkräften und suchenden Unternehmen, bestätigte diesen Eindruck. In Bagalore, dem Schwerpunkt der indischen IT-Wirtschaft, gebe es ebenso wie in Mexico-City und in Chicago derzeit keine Termine zur Visaerteilung, sagte Offer. Sie begrüßte das beschleunigte Fachkräfteverfahren - ebenso wie die Zusammenlegung der Ausländerbehörden. Dadurch könne die Kompetenz bei den Behörden gestärkt werden, sagte die Anwältin.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erkenne an, dass es auch unterhalb der Akademikerebene einen Fachkräftebedarf gibt, sagte Gewerkschaftsvertreter Johannes Jakob. Es müsse aber sichergestellt sein, dass es sich tatsächlich um Fachkräfte handelt. »Wir sehen keine Notwendigkeit, Geringqualifizierte zusätzlich einwandern zu lassen«, sagte Jakob und verlangte zugleich, auch inländische Potenziale zu fördern. Was die Anerkennung von Abschlüssen angeht, so sagte der DGB-Vertreter, es sei richtig, den Ansatz der Fachkräfteprüfung beizubehalten. Andernfalls würde für Ausländer und Inländer unterschiedliches Recht geschaffen, was problematisch sei, sagte der DGB-Vertreter.
Tillmann Löhr von der Geschäftsstelle des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, sagte, bei der Umsetzung der Anerkennungsverfahren brauche es Fortschritte. Aus seiner Sicht kann es sinnvoll ein, auch informelle Qualifikationen zu berücksichtigen. Dies könne auf Grundlage des europäischen Qualifikationsrahmens erfolgen. Löhr sprach sich zudem dafür aus, die Einwanderung zum Zwecke der Ausbildung zu einem Schwerpunkt zu machen. Die im Gesetz dazu enthaltenen Hürden - Abschluss einer deutschen Auslandsschule, Hochschulzugangsberechtigung oder Sprachkenntnisse oberhalb der Einbürgerung - seien aber zu hoch, als das damit eine nennenswerte Zahl an Personen in der Praxis erreicht werden könne.
Die Kommunalvertreter Uwe Lübking vom Deutschen Städte- und Gemeindebund sowie Klaus Ritgen vom Deutschen Landkreistag machten in ihrer Stellungnahme deutlich, es sei wichtig, die entsprechenden Stellen in den deutschen Auslandsvertretungen zu ertüchtigen und das Anerkennungsverfahren für die beruflichen Qualifikationen zu beschleunigen. Abgelehnt wurde von den Kommunalvertretern hingegen die Vergabe kurzfristiger Aufenthaltstiteln zum Zwecke der Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche. Es dürfe keine Zuwanderung in das deutsche Sozialsystem geben, weshalb für eine Einreise weiterhin ein Arbeits- oder Ausbildungsvertrag vorausgesetzt werden müsse.
Für eine Vereinheitlichung des geforderten Sprachniveaus auf B1 sprach sich Daniel Terzenbach von der Bundesagentur für Arbeit (BA) aus. Zugleich begrüßte er die geplante Einrichtung einer zentralen Servicestelle Anerkennung. Die aktuelle Ausgestaltung der Anerkennungsverfahren in Deutschland mit der Vielzahl an Akteuren führt laut Terzenbach dazu, »dass die Prozesse sehr komplex und bislang nicht aufeinander abgestimmt sind«. Die Servicestelle könne hier für Transparenz zu Verfahren und Prozessdauern beitragen. »Eine Vereinheitlichung und Vereinfachung der Verfahren kann durch die Stelle allein jedoch nicht erfolgen«, sagte der BA-Vertreter. Es brauche dazu eine gute Zusammenarbeit aller relevanten Partner.