Arbeitnehmer sind gestresst, tun aber wenig dagegen
Im Stress zufrieden?
Lebensstau und Altersspitzen
Insbesondere die 30- bis 39-jährigen Arbeitnehmer fühlen sich starken Belastungen ausgesetzt: 51,2 Prozent von ihnen sehen sich ‚hohen‘ oder ‚sehr hohen‘ körperlichen und 71,1 Prozent ‚hohen‘ oder ‚sehr hohen‘ psychischen Belastungen ausgesetzt. »In diesem aktiven Lebensabschnitt sind die Arbeitnehmer zwar besonders leistungsfähig, aber auch besonders gefordert«, erklärt Traub die Eigenwahrnehmung der Altersgruppe. »In diesem Zeitabschnitt wird von Berufstätigen erwartet, zwei oder drei Sprossen auf der Karriereleiter zu erklimmen und Verantwortung zu übernehmen. Außerdem werden auch im privaten Bereich, beispielsweise in der Partnerschaft und der Familienplanung, wichtige Weichen gestellt«. Interessanterweise sehen sich die sogenannten Best Ager (50 bis 59 Jahre) in noch höherem Maße körperlichen Belastungen ausgesetzt (55,2 Prozent spüren ‚hohe‘ oder ‚sehr hohe‘ körperliche Belastung). Jenseits des 60. Lebensjahres sinkt die Belastung in der Eigenwahrnehmung dann wieder deutlich (36 Prozent). Die ‚sehr hohe‘ Belastung nimmt isoliert betrachtet relativ konstant mit steigendem Alter ab, während 23,5 Prozent der 18 und 19 Jährigen eine extreme Belastung verspüren, sind es bei den über 60-Jährigen nur noch 9,9 Prozent.
Als zentrale Ursachen für den Stress machen die Arbeitnehmer vor allem das hohe Arbeitspensum (72,5 Prozent) sowie Konflikte mit Vorgesetzten (45,8 Prozent) und Kollegen (43,5 Prozent) aus. Erstaunlich ist: Sowohl die Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber tun relativ wenig, um Belastungen zu vermeiden oder abzubauen. Nur etwa die Hälfte der Arbeitnehmer sucht bewusste Erholungsphasen in der Freizeit. Die offene Kommunikation mit den Vorgesetzten pflegen nur 38 Prozent. Ein Drittel der Arbeitnehmer versucht über gute Ernährung oder Sport einen Ausgleich zu schaffen. Knapp die Hälfte der Arbeitgeber ergreift aus Sicht der befragten Arbeitnehmer gar keine Maßnahmen, um Stress zu vermeiden. Immerhin 24,3 Prozent bieten flexible Arbeitszeiten an. »Bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern gibt es großen Nachholbedarf im Stressmanagement. Hier kann man mit wenig Aufwand viel erreichen«, so Traub.
Deutschlands Arbeitnehmer sehen sich hohen Belastungen ausgesetzt, sind aber insgesamt mit ihren Jobs zufrieden.
Bildrechte: Orizon GmbH
Hintergrundinfos zur Studie
Die Orizon GmbH hat 2015 zum vierten Mal die Studie »Arbeitsmarkt – Perspektive der Arbeitnehmer« durchgeführt. An der bevölkerungsrepräsentativen Online-Befragung nahmen dieses Jahr 2.123 Arbeitnehmer und Arbeitsuchende in Deutschland teil. Durchgeführt wurde die Studie von dem unabhängigen Marktforschungs- und Analyseunternehmen Lünendonk GmbH. Zur Gewährleistung der Repräsentativität wurden vorgegebene Quoten über die soziodemographischen Merkmale Alter, Geschlecht, Schulbildung und Bundesland etabliert. Verzerrungen wurden durch Gewichtung aufgehoben. Die Gewichtung erfolgte nach Mikrozensus.
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