Die Coronakrise darf nicht zur Integrationskrise werden

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In den vergangenen zehn Jahren sind die Migrationszahlen gestiegen und die Integration der Zugewanderten hat sich verbessert. Einige der Integrationsfortschritte könnten jedoch nun von der Corona-Pandemie und ihren wirtschaftlichen Folgen zunichtegemacht werden. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen OECD-Studie.

Im Internationalen Migrationsausblick 2020 ruft die OECD Regierungen dazu auf, die Gesundheit und Sicherheit aller Beschäftigten in systemrelevanten Wirtschaftsbereichen zu gewährleisten und ausreichend Mittel für die Integration bereitzustellen. Dies sei Voraussetzung, damit Migrant*innen weiter zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben beitragen können.

Der Studie zufolge hat sich die Coronakrise in beispielloser Weise auf das Migrationsgeschehen ausgewirkt. 2019 – also vor der Pandemie – gab es 5,3 Millionen dauerhafte Zuzüge in den OECD-Raum, ähnlich waren die Zahlen 2017 und 2018. Die Zahl der aufgenommenen Geflüchteten ging zurück, bei der dauerhaften Arbeitsmigration gab es hingegen einen Zuwachs von mehr als 13 Prozent in 2019. Mit über fünf Millionen Zuzügen erhöhte sich auch die befristete Arbeitsmigration in OECD-Ländern.

In Reaktion auf die Coronakrise verhängten fast alle OECD-Länder Einreisebeschränkungen für Ausländer*innen. Die Zahl neuer Visa und Aufenthaltsgenehmigungen sank in den OECD-Ländern in der ersten Jahreshälfte 2020 im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum um 46 Prozent. Das ist der stärkste je verzeichnete Rückgang. Im zweiten Quartal betrug der Rückgang sogar 72 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum – in Deutschland 57 Prozent, in Österreich 40 Prozent und in der Schweiz 31 Prozent. Insgesamt wird für 2020 bei der internationalen Migration in den OECD-Raum ein historisches Tief erwartet.

Die Mobilität wird voraussichtlich noch längere Zeit nicht auf ihr früheres Niveau zurückkehren. Das liegt einerseits an der geschwächten Arbeitsnachfrage und andererseits an den weiterhin strengen Reisebeschränkungen sowie der Zunahme von Telearbeit unter Hochqualifizierten und von Fernunterricht für Studierende.

»Migration bleibt wichtig, um Wirtschaftswachstum und Innovation zu fördern und auf den raschen Wandel der Arbeitsmärkte zu reagieren«, so OECD-Generalsekretär Angel Gurría bei der gemeinsamen Vorstellung des Berichts mit der Europäischen Kommissarin für Inneres Ylva Johansson. »Wir müssen Rückschritte bei der Integration vermeiden und zeigen, dass Migration zum Leben gehört!«

Zugewanderte Arbeitskräfte stehen in dieser Krise an vorderster Front. Sie stellen im OECD-Raum einen großen Teil des medizinischen Fachpersonals: Im Durchschnitt stammt ein Viertel der Ärzteschaft aus dem Ausland - in Deutschland etwa ein Fünftel, in Österreich ein Sechstel und in der Schweiz sogar fast die Hälfte. Ähnlich sieht es bei den Krankenpflegekräften aus: Ein Sechstel von ihnen im OECD-Raum sowie in Deutschland ist Immigrant*in – ein Fünftel in Österreich und ein Drittel in der Schweiz.

Auch in vielen anderen Schlüsselsektoren sind Immigrant*innen stark vertreten. Sie stellen in vielen OECD-Ländern über ein Drittel der Beschäftigten im Verkehr, im Reinigungsgewerbe, in der Nahrungsmittelindustrie und bei IT-Dienstleistungen. Das gilt auch für die Schweiz. In Deutschland und Österreich liegt ihr Anteil in diesen Sektoren jeweils bei mindestens einem Viertel.

Dennoch haben Immigrant*innen auf dem Arbeitsmarkt mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Pandemie bedroht die Fortschritte, die bei der Arbeitsmarktintegration in den vergangenen zehn Jahren erreicht wurden. In allen Ländern für die Daten verfügbar sind, ist die Arbeitslosigkeit unter den Zugewanderten stärker gestiegen als unter den im Inland Geborenen. So fiel der bisherige Anstieg der Arbeitslosigkeit in Deutschland zu 34 Prozent auf jene mit ausländischer Staatsbürgerschaft. Sogar bei 42 Prozent liegt der Wert, wenn alle Bürger mit Migrationshintergrund einbezogen werden. In Österreich fielen 41 Prozent des anfänglichen Anstiegs der Arbeitslosigkeit auf Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft, in der Schweiz 46 Prozent.

Migrant*innen sind auch besonders von den gesundheitlichen Folgen der Pandemie betroffen. Das liegt einerseits daran, dass sie in der Pandemie häufig an vorderster Front arbeiten und andererseits daran, dass sie häufiger unter Bedingungen leben, die mit höheren Risiken verknüpft sind – etwa beengten Wohnverhältnissen oder Armut. Studien aus mehreren OECD-Ländern zeigen, dass Zugewanderte ein mindestens doppelt so hohes Infektionsrisiko wie im Inland Geborene haben.
Von der Migrations- und Integrationspolitik unserer Regierungen wird abhängen, ob eine starke und inklusive Erholung von der Krise gelingt, so die Autoren.

 

 

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