Pandemie lässt Ausbildungsmarkt nicht unberührt
Elf Prozent weniger Ausbildungsverträge in 2020
Der Ausbildungsmarkt musste im Zuge der Corona-Pandemie und ihrer Bekämpfung erhebliche Einbußen verkraften: Das Ausbildungsangebot sank 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 50.700 Plätze beziehungsweise 8,8 % auf 527.400, und die Zahl der jungen Menschen, die eine Ausbildungsstelle nachfragten, verringerte sich um 53.000 beziehungsweise 8,9 % auf 545.700.
Zudem nahmen pandemiebedingt die Schwierigkeiten zu, das Ausbildungsangebot der Betriebe und die Nachfrage der Jugendlichen zusammenzuführen. Ausbildungsmessen, Jobbörsen und Betriebspraktika konnten in den meisten Regionen nicht stattfinden. Im Ergebnis waren auch deshalb 59.900 beziehungsweise 11,7 % der betrieblichen Ausbildungsplatzangebote zum Stichtag 30. September 2020 immer noch nicht besetzt (Vorjahr: 53.100 beziehungsweise 9,4 %) und 78.200 Bewerber/-innen (14,3 % der Nachfrage) befanden sich weiterhin auf der Suche (Vorjahr: 73.700 beziehungsweise 12,3 %).
Infolge des sinkenden Angebots und der Nachfrage sowie der zunehmenden Passungsprobleme fiel die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um 57.600 beziehungsweise 11,0 % niedriger aus als ein Jahr zuvor. Mit nunmehr 467.500 lag sie in Deutschland erstmals unter 500.000 (2019: 525.000).
Dies sind zentrale Ergebnisse der Analysen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zur Entwicklung des Ausbildungsmarktes im Jahr 2020. Sie basieren auf der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum Stichtag 30. September sowie auf der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA).
Die Schrumpfung des Ausbildungsmarktes ist allerdings nicht ausschließlich auf das Geschehen rund um die Pandemie zurückzuführen. Denn bereits zuvor war unter anderem als Folge sinkender Schulabgängerzahlen mit einem tendenziellen Rückgang der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um mehr als 10.100 gerechnet worden. Die Differenz zwischen diesem Wert und dem tatsächlichen Rückgang in Höhe von knapp 57.600 liefert somit eine erste grobe Schätzung, in welchem Ausmaß die Pandemie den Ausbildungsmarkt beeinträchtigte. Demnach wäre der Rückgang von rund 47.400 Verträgen dem Krisengeschehen 2020 zuzuschreiben.
Besonders hohe Rückgänge wurden von den zuständigen Stellen in Industrie und Handel registriert (-13,9 %). Von den größeren Ausbildungsberufen waren unter anderem stark betroffen: Tourismuskaufmann/-frau (-58,8 %), Veranstaltungskaufmann/-frau (-36,2 %), Hotelfachmann/-frau (-29,9 %), Fachkraft im Gastgewerbe (-24,0 %), Restaurantfachmann/-frau (-22,3 %), Koch/Köchin (-21,3 %), aber auch Berufe wie Technische/-r Produktdesigner/-in (-28,0 %), Werkzeugmechaniker/-in (-25,5 %) oder Mediengestalter/-in Digital und Print (-23,5 %).
Im Handwerk fiel der Rückgang mit insgesamt -7,5 % moderater aus. Berufe wie Maurer/-in, Dachdecker/-in, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger/-in, Zimmerer/Zimmerin oder Zweiradmechatroniker/-in konnten sogar ein Plus erzielen. Moderat war der Verlust auch im Öffentlichen Dienst mit -2,9 %. Der Vertragsrückgang in den Freien Berufen betrug -8,4 %, und im relativ kleinen Zuständigkeitsbereich Hauswirtschaft lag er bei -10,4 %. Allein in der Landwirtschaft konnte ein Vertragszuwachs von +0,9 % erzielt werden, so zum Beispiel in den Berufen Gärtner/-in, Forstwirt/-in oder Pferdewirt/-in.
BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser ruft dazu auf, sich nach Überwinden der Pandemie nicht auf eine automatische Neubelebung des Ausbildungsmarktes zu verlassen. »Denn die Finanzkrise 2008/2009 hat bereits gezeigt, dass eine einmal erfolgte Abkehr vom dualen Ausbildungssystem nur unter größten Anstrengungen wieder umzukehren ist. Zwar hat die Corona-Pandemie dem Ansehen des dualen Systems nicht geschadet, da viele system- und versorgungsrelevante Berufe hier ausgebildet werden. Die Motivation zur Ausbildungsteilnahme hängt aber nicht nur von deren Attraktivität ab, sondern auch von der Erwartung, die Ausbildung frei von größeren Störungen, Einschränkungen oder gar Existenzsorgen erfolgreich durchlaufen zu können. Dies trifft auf die Betriebe ebenso zu wie auf die jungen Menschen. Es muss daher alles dafür getan werden, dass sich die im Zusammenhang mit der Pandemie entstandene Verunsicherung nicht chronisch verfestigt. Das laufende Ausbildungs- und Vermittlungsjahr wird allein schon deshalb erneut äußerst schwierig werden.«