Studie: Lehrerkooperation in Deutschland
Teamarbeit gilt als Kernelement einer modernen Arbeitswelt. Wie eng Lehrer kooperieren, was ihnen das bringt und woran es noch fehlt, hat eine aktuelle Studie untersucht.
Kooperation prägt bereits heute den Alltag der Lehrer, beschränkt sich aber vor allem auf den Austausch über Materialen und Schüler. Wenig verbreitet sind hingegen Unterricht im Team oder Hospitationen. Besonders intensiv ist die Zusammenarbeit in Schulen mit Inklusionsangebot und in gebundenen Ganztagsschulen. Das zeigt eine Studie, die Bertelsmann Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stiftung Mercator und Deutsche Telekom Stiftung am Donnerstag veröffentlichten. Die Studienautoren und Bildungsforscher Dirk Richter (Bergische Universität Wuppertal) und Hans Anand Pant (Humboldt-Universität zu Berlin, Deutsche Schulakademie) sehen in einer stärkeren Teamarbeit zwischen Lehrkräften einen Erfolgsfaktor für gute Schulen, der gerade angesichts wachsender Vielfalt in den Klassen an Bedeutung gewinnt.
Rund fünf von durchschnittlich 43 Stunden Wochenarbeitszeit wenden Lehrer nach eigenen Angaben für Kooperationen mit Kollegen, anderen pädagogischen Fachkräften sowie Eltern und außerschulischen Partnern auf. Im Vordergrund stehen dabei der Austausch über Unterrichtsmaterialien und Schüler (82 Prozent) und die Arbeitsteilung unter Kollegen (77 Prozent). Weniger verbreitet sind komplexere Formen der Zusammenarbeit, beispielsweise in fachbezogenen Teams (50 Prozent).
Weniger als ein Viertel der Lehrer unterrichtet häufiger auch im Team (23 Prozent), nur jeder zehnte Lehrer hospitiert häufiger im Unterricht anderer Lehrer (9 Prozent). Die Zusammenarbeit mit Kollegen erachten 97 Prozent der Lehrer als wichtig, für 87 Prozent lohnt sich der damit verbundene Aufwand. Das geht aus der repräsentativen Befragung von über 1.000 Lehrkräften in Deutschland durch infratest dimap hervor, die der Studie zugrunde liegt.
Teamarbeit und Begeisterung für den Beruf gehen Hand in Hand
Die Umfrage zeigt auch: Die meisten Lehrer mögen ihren Beruf. 80 Prozent bezeichnen sich als hoch motiviert, 76 Prozent sind sehr zufrieden in ihrem Job. Nur 6 Prozent klagen über große Erschöpfung, lediglich 2 Prozent haben starke Zweifel an der eigenen Kompetenz. Besonders positiv äußern sich diejenigen Lehrer, die eng mit Kollegen zusammenarbeiten.
Diese Zusammenarbeit ist allerdings teilweise nicht so intensiv wie in anderen Ländern. In Deutschland unterstützen sich zwar mehr Lehrer gegenseitig mit Unterrichtsmaterialien als im OECD-Mittelwert (62 zu 46 Prozent). Geht es jedoch um Diskussionen über die Lernentwicklung von Schülern (50 zu 62 Prozent) oder gemeinsame Bewertungsstandards (33 zu 41 Prozent), fällt Deutschland hinter dem internationalen Durchschnitt zurück.
Wenig Einblick in Unterricht von Kollegen
Je komplexer die Zusammenarbeit, desto weniger Lehrer beteiligen sich daran. So geben nur 50 Prozent der Lehrer an, in ihrer Schule gemeinsam mit Kollegen Unterrichtskonzepte oder Strategien zur Bewältigung beruflicher Probleme zu entwickeln. Besonders schwach ausgeprägt ist die Feedback-Kultur innerhalb des Lehrerkollegiums. »Ein Großteil der Lehrkräfte in Deutschland erhält keine oder nur sehr wenige Einblicke in den Unterricht anderer Kollegen«, folgern die Studienautoren. Im Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern sieht es schon anders aus: Immerhin mehr als jeder zweite Lehrer gibt seinen Schülern regelmäßig Rückmeldung über deren Lernentwicklung (53 Prozent). Die Meinungen der Schüler zum Unterricht hingegen fragt nur rund jeder dritte Lehrer (32 Prozent) regelmäßig ab.
Besonders verbreitet und intensiv ist die Zusammenarbeit der Lehrer an gebundenen Ganztagsschulen sowie an nicht-gymnasialen Schulformen. Außerdem zeigt die Studie, dass auch Inklusion ein wichtiger Treiber für Kooperation ist: Je höher der Anteil von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, desto häufiger und intensiver arbeiten Lehrer auch konzeptionell zusammen.
Als wichtigste Voraussetzung für eine enge und intensive Teamarbeit benennt die Studie die Unterstützung durch die Schulleitung, fest installierte Teamarbeitszeiten, gemeinsame Anwesenheit in der Schule auch außerhalb des Unterrichts und feste Strukturen für jahrgangsinterne und -übergreifende sowie fachbezogene und -übergreifende Abstimmungen. Die Bertelsmann Stiftung, die Robert Bosch Stiftung, die Stiftung Mercator und die Deutsche Telekom Stiftung empfehlen, die Kooperationsmöglichkeiten für alle, die in Schule zusammenarbeiten, zu verbessern. Die Studie zeige, dass eine intensive Kooperation von Lehrern nicht nur mit deren Kompetenzaufbau, höherer Berufszufriedenheit und besserer Gesundheit einhergehe. Teamarbeit im Lehrerkollegium – unter Einbezug anderer Professionen wie Sozialarbeiter und Schulpsychologen – sei ein Schlüssel dafür, mit der wachsenden Vielfalt in den Schulklassen umzugehen und Schüler besser individuell fördern zu können.
Hintergrund
Die Studie »Lehrerkooperation in Deutschland: Eine Studie zu kooperativen Arbeitsbeziehungen bei Lehrkräften der Sekundarstufe I« haben die Bildungsforscher Dirk Richter (Bergische Universität Wuppertal) und Hans Anand Pant (Humboldt-Universität Berlin, Deutsche Schulakademie) im Auftrag von vier Stiftungen anlässlich des 6. Internationalen Gipfels zum Lehrerberuf (ISTP) am 3./4. März in Berlin angefertigt. Empirische Daten lieferte eine repräsentative Umfrage unter 1.015 Lehrkräften, die das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap vom 12. Oktober bis 13. Dezember 2015 durchführte.
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