Thematische Schwerpunkte Erasmus+ 2021 bis 2027

(Geschätzte Lesezeit: 4 - 7 Minuten)
Erasmus plus

Das Programm Erasmus+ startet in die nächste Runde. Und dies finanziell gut ausgestattet trotz zusätzlicher Aufwendungen für Corona-Hilfspakete und Konjunkturprogramme. In den Verhandlungen über den EU-Haushalt hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass Bildung der Schlüssel zu vielen Problemen und gerade in Krisenzeiten unverzichtbar ist.

Aber auch schon in den vergangenen Jahren gehörte Erasmus+ zu den wesentlichen Errungenschaften der Europäischen Union. In einer Eurobarometer-Umfrage der EU-Kommission zu den wichtigsten Ergebnissen der EU rangierte Erasmus+ im November 2019 erstmals an 3. Stelle und damit erstmals noch vor dem Euro. Für wichtiger werden lediglich die Freizügigkeit von Personen, Waren und Dienstleistungen und vor allem Frieden unter den Mitgliedstaaten der EU erachtet.

Europäische Bildungsprogramme sind erfolgreich seit 1987. Egal, unter welchem Namen und mit welchem Schwerpunkt die Programme aufgelegt wurden, worum es letztendlich immer ging und geht: Menschen zu befähigen, Transformationsprozesse zu bewältigen. Aktuell steht der Veränderungsprozess hin zu einer zunehmend mobilen, multikulturellen und digitalen Gesellschaft an. Erasmus+ ist nah an den Menschen und nah an den Herausforderungen gesellschaftlicher Veränderungen. In der Programmgeneration 2021-2027 stehen daher vier Themen besonders im Vordergrund:

  • Inklusion und Diversität
  • Digitale Transformation
  • Teilhabe am demokratischen Leben
  • Nachhaltigkeit, Umwelt und Klimaziele

 
Zu diesen Zielen soll Erasmus+ in den nächsten sieben Jahren auf allen Ebenen, in allen Bildungsbereichen und in allen Aktionen beitragen. Das Programm selber ist mit Blick auf eine entsprechende Ausrichtung des Förderinstrumentariums gefragt, aber auch die einzelnen Projekte müssen sich auf die prioritären Themen beziehen.


Inklusion und Diversität

Der Zusammenhalt der Gesellschaften in Europa steht unter Druck. In Fragen von sozialer Gerechtigkeit, Teilhabe und Zukunftsperspektiven driften die Gesellschaften immer weiter auseinander. Erasmus+ soll helfen, Bildungssysteme sozial inklusiver zu gestalten und Barrieren abzubauen.

Das neue Programm möchte Menschen mit geringeren Chancen stärker einbeziehen, unter anderem durch flexiblere Formate der Lernmobilität mit längerfristigen Förderperspektiven (Akkreditierung). Die Teilnahme von kleinen und vor allem neuen Einrichtungen und Grassroots-Organisationen, die unmittelbar mit benachteiligten Lernenden arbeiten, soll erleichtert und aktiv gefördert werden. Virtuelle Zusammenarbeit und kombinierte Mobilität sollen helfen, vor allem Menschen mit geringeren Chancen zu erreichen.

Das Programm definiert »Menschen mit geringeren Chancen« als Menschen, die aus wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, geografischen oder gesundheitlichen Gründen, wegen Behinderungen, Lernschwierigkeiten oder aufgrund ihres Migrationshintergrunds mit Hindernissen konfrontiert sind, wodurch sie de facto keinen Zugang zu den Möglichkeiten des Programms haben.

Wie diese Zielgruppe am besten erreicht und gefördert werden kann, wird unter anderem Bestandteil einer Inklusionsstrategie sein, die alle Nationalen Agenturen (NAs) aufgefordert sind zu entwickeln. Unterstützende Maßnahmen der NAs sollen den gesamten Projektzyklus abdecken, von der Bekanntmachung der Fördermöglichkeiten über konkrete Beratung während der Projektdurchführung bis hin zur Verbreitung von Beispielen guter Praxis.

Um eine Akkreditierung im Bereich der Lernmobilität zu erhalten, verpflichten sich die Einrichtungen, die Grundsätze der Inklusion und der Vielfalt bei allen Aspekten und in allen Phasen ihrer Aktivitäten zu beachten und faire und gleiche Bedingungen für alle Teilnehmer*innen zu gewährleisten. Die begünstigten Einrichtungen sollen nach Möglichkeit Teilnehmer*innen mit geringeren Chancen in ihre Aktivitäten einbeziehen und diese auch aktiv an der Ausgestaltung der Lernmobilitäten beteiligen. Sie sollen die vom Programm bereitgestellten Instrumente und Fördermittel bestmöglich hierfür nutzen.

Neben den großen Kooperationspartnerschaften sollen auch die kleineren Partnerschaften einfach zugängliche und inklusive Projektaktivitäten entwickeln, dabei die Perspektive von Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit geringeren Möglichkeiten berücksichtigen und sie in die Entscheidungsfindung einbeziehen. Für die Förderung von Inklusion und Diversität stehen im neuen Programm zusätzliche Kostenkategorien sowie erhöhte Fördersätze zur Verfügung. So erhalten künftig Einrichtungen für die Einbeziehung von Menschen mit geringeren Möglichkeiten eine Inklusionspauschale zusätzlich zu ihrer Organisationspauschale. Um alle spezifischen, individuellen Bedürfnisse der Teilnehmer*innen abzudecken, die zusätzliche finanzielle Unterstützung benötigen, steht künftig ein Instrumentarium mit erhöhten Fördersätzen zur Verfügung. Niemand soll aus finanziellen Gründen von einer Beteiligung an Erasmus+ ausgeschlossen werden.


Digitale Transformation

Europa braucht mehr Investitionen in digitale Kompetenzen und zukunftsweisende Bereiche, wie Klimawandel, saubere Energie, künstliche Intelligenz, Robotik oder Datenanalyse. Erasmus+ kann hier einen Beitrag leisten, indem es Innovationen anregt und Wissens-, Qualifikations- und Kompetenzlücken in Europa zu überwinden hilft. Das Programm soll die Entwicklung hochwertiger digitaler Fähigkeiten und Kompetenzen genauso vorantreiben wie die Entwicklung und Übernahme innovativer digitaler Lern- und Lehrpraktiken und -methoden in allen Sektoren. Dabei geht es auch um qualitativ hochwertige digitale Lerninhalte sowie um Methoden und Kapazitäten des Distanzlernens.

In der Lernmobilität sollen die geförderten Einrichtungen künftig digitale Instrumente und Lernmethoden nutzen, um physische Mobilität sinnvoll zu ergänzen und die Zusammenarbeit mit ihren Partnerorganisationen zu intensivieren und zu verbessern. Sie sollen die digitalen Instrumente und Online-Plattformen, die dazu vom Programm bereitgestellt werden, bestmöglich nutzen.

Virtuelle Zusammenarbeit und das Experimentieren mit virtuellen und Blended-Learning-Formaten sind künftig auch der Schlüssel zu erfolgreichen Kooperationspartnerschaften. Insbesondere Projekte im Bereich der Erwachsenenbildung sind aufgefordert, die Plattform EPALE zu nutzen, um in den Phasen vor, während und nach den Projektaktivitäten zusammenzuarbeiten. Für Kooperationspartnerschaften wird die Möglichkeit bestehen, virtuelle Multiplikatorenveranstaltungen zu organisieren. Diese virtuellen Veranstaltungen werden mit einem eigenen Kostenanteil förderfähig sein.


Teilhabe am demokratischen Leben

Das Programm soll hier europaweiten Trends gegensteuern. Auch wenn sich 70 Prozent der Europäerinnen und Europäer – bei den jüngeren Generationen ist der Anteil sogar noch höher – heute als EU-Bürgerinnen und -Bürger fühlen, mangelt es häufig an Bewusstsein und Verständnis für die Europäische Union an sich, ihre Funktionsweise und den Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger. Um die Rolle Europas und deren Auswirkungen auf das alltägliche Leben wissen die wenigsten Menschen. Die Stärkung der europäischen Identität und die Teilnahme von Menschen aller Altersklassen an demokratischen und partizipativen Prozessen ist für die Zukunft der Europäischen Union von entscheidender Bedeutung.

Erasmus+ unterstützt daher die aktive Bürgerschaft und das Konzept des lebenslangen Lernens. Es fördert die Entwicklung von sozialen und interkulturellen Kompetenzen, kritischem Denken und Medienkompetenz. Vorrangig sollen Projekte gefördert werden, die den Menschen durch formale oder nicht formale Lernaktivitäten Möglichkeiten zur Teilnahme am demokratischen Leben und zum sozialen und bürgerschaftlichen Engagement eröffnen. Es geht um Bewusstseinsbildung und Verständnis für den Kontext der Europäischen Union, um die gemeinsamen Werte der EU, die Grundsätze von Einheit und Vielfalt sowie um das soziale, kulturelle und historische Erbe Europas.


Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaziele

Bildung ist ein wichtiger Hebel, um die Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Diesen Zielen ist auch Erasmus+ verpflichtet. Das Programm soll in allen Aktionen und über alle Sektoren hinweg für die Herausforderungen des Umweltschutzes und des Klimawandels sensibilisieren. Projekte sollen dazu beitragen, Kompetenzen in verschiedenen nachhaltigkeitsrelevanten Sektoren zu entwickeln, zum Beispiel durch zukunftsorientierte Curricula und individuell angepasste Lehrpläne. Das Programm soll aber auch ganz konkret den Einsatz innovativer Praktiken unterstützen, um Ressourcen zu sparen, Energieverbrauch und Abfall zu reduzieren oder den CO2-Fußabdruck bestenfalls zu verringern oder zu kompensieren. Individuell soll zu Verhaltensänderungen bei Konsumgewohnheiten und Lebensstilen angeregt werden.

Die am Programm teilnehmenden Organisationen und Teilnehmer*innen sollen bei all ihren Aktivitäten einen Ansatz verfolgen, der dazu anregt, über Umweltfragen zu diskutieren, zu lernen, eigenes Verhalten in Frage zu stellen und alternative, umweltfreundlichere Wege zur Umsetzung ihrer Aktivitäten zu finden.

Alle im Bereich der Lernmobilität akkreditierten Einrichtungen verpflichten sich im Rahmen einer Qualitätsvereinbarung, bei ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein nachhaltiges und umweltfreundliches Verhalten zu fördern. Sie sind aufgefordert, Fördermittel bestmöglich für die Nutzung nachhaltiger Verkehrsmittel einzusetzen. Gleiches gilt mit Blick auf die nachhaltige Dimension von Partnerschaften. Alle Teilnehmer*innen am Programm haben künftig die Wahl zwischen einer regulären Reiseunterstützung und einer »grünen Reiseunterstützung« mit einem erhöhten Fördersatz, wenn sie mit einem emissionsarmen Verkehrsmittel wie Zug oder Bus anreisen. Bei »grünen Reisen« können künftig zusätzliche Reisetage pro Teilnehmer/-in gewährt werden.

Der Aufbau integrativer, kohäsiver und widerstandsfähiger Gesellschaften in Europa steht ganz oben auf der Agenda. Ebenso die Stärkung von europäischer Identität und europäischen Werten in einer demokratischen Union. Dafür braucht es Visionen und Raum, um gemeinsam Strategien zu entwickeln und voneinander zu lernen. Erasmus+ wird auch in den nächsten sieben Jahren seinen Beitrag leisten.

 

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