Anhörung zum Rechtsanspruch auf Homeoffice: Experten uneins

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Homeoffice notebook küche

Ein geteiltes Echo haben Vorschläge der Opposition im Deutschen Bundestag unter anderem für einen Rechtsanspruch auf Homeoffice hervorgerufen. Das zeigte am 3. Mai 2021 eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales unter der Leitung von Matthias W. Birkwald (Die Linke). Zwar begrüßten alle Sachverständigen grundsätzlich das Anliegen, einen rechtlichen Rahmen für das Arbeiten von zuhause aus zu schaffen. Wie dieser im Detail ausgestaltet sein sollte, wurde von den Experten jedoch unterschiedlich beurteilt.

Grundlage der Anhörung waren drei Oppositionsvorlagen: Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Antrag einen Rechtsrahmen für orts- und zeitflexibles Arbeiten zu schaffen. Dabei soll das Arbeitsschutzgesetz, nicht aber die Arbeitsstättenverordnung einschlägig sein. Auch einen Rechtsanspruch auf Erörterung will die FDP schaffen, Anträge der Beschäftigten auf Homeoffice müssten von Arbeitgebern danach stets geprüft und mit den Beschäftigten besprochen werden. Die Fraktion Die Linke setzt sich hingegen für einen individuellen Rechtsanspruch auf Homeoffice ein: Dieses soll aber nur als Ergänzung zum bestehenden Arbeitsplatz im Betrieb ausgeübt werden und nur einen begrenzten Teil der vertraglich festgelegten Arbeitszeit umfassen dürfen. Ein Recht auf Homeoffice will auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einführen: Für Beschäftigte im Homeoffice sollen Arbeitsschutz- und Arbeitszeitgesetze gleichermaßen gelten; die Erreichbarkeit soll mit der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit geregelt werden.

Ablehnend standen der Forderung nach einem Recht auf Homeoffice insbesondere Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Zentralverbandes Deutsches Handwerk (ZDH) gegenüber. Die Schaffung eines allgemeinen Rechtsanspruchs halte er für verfehlt, sagte etwa Roland Wolf, Leiter der Abteilung Arbeits- und Tarifrecht beim BDA. Die Arbeit im Homeoffice sei zu wenig klar definiert - eine gesetzliche Regelung drohe ins Leere zu laufen. Stattdessen bestehe die Gefahr, dass ein Rechtsanspruch Belegschaften spalte, denn nicht alle Tätigkeiten ließen sich von zuhause aus erledigen, so der Sachverständige.

Als Vertreter des ZDH kritisierte zudem Jan Dannenbring, dass ein Rechtsanspruch die Betriebe unnötig mit Regelungen belasten würde. Das von der Linksfraktion in ihrem Antrag vorgesehene Rückkehrrecht schränke die Privatautonomie der Arbeitgeber ein. Auch der Rechtsanspruch auf Erörterung, den die FDP-Fraktion einführen will, gehe zu weit.

Klar für einen gesetzlichen Anspruch sprach sich die Vertreterin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Marta Böning, aus. Die Corona-Pandemie habe den Regelungsbedarf deutlicher denn je gemacht. Chancen wie Risiken seien im letzten Jahr »wie im Brennglas« zutage getreten. Einerseits habe sich gezeigt, dass viel mehr Tätigkeiten von zuhause aus möglich seien als von Arbeitgebern zuvor immer behauptet. Ungeregelt jedoch führe Homeoffice zu Überstunden und könne Gesundheit und Privatleben der Beschäftigten belasten, warnte Böning. Aus diesem Grund brauche es einen gesetzlichen Rahmen.

Diese Auffassung stützte auch Yvonne Lott, Leiterin des Referats Geschlechterforschung am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung: Ein Rechtsanspruch habe das Potenzial, soziale Gleichheit zu fördern, stärke die Legitimation von mobilem Arbeiten und wirke Karrierenachteilen sowie der Entgrenzung von Arbeit im Homeoffice entgegen, betonte die Soziologin.

Elke Ahlers, ebenfalls vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung, hob in ihrer Stellungnahme Aspekte hervor, die über ein Recht auf Homeoffice reguliert werden müssten, darunter der Aspekt der Freiwilligkeit und Kombination aus Homeoffice und Betrieb, die Geltung des Arbeitszeitgesetzes sowie Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.

Ein Rechtsanspruch schaffe einheitliche Arbeitsbedingungen in der Wirtschaft und gebe so den Betriebsparteien einen »klaren Kompass«, betonte Johanna Wenckebach vom Hugo Sinzheimer Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Hans-Böckler-Stiftung. Dass ein Rechtsanspruch wie ein »Spaltpilz« in die Belegschaft hineinwirken würde, diese Befürchtung des BDA-Vertreters teilte die Sachverständige dagegen nicht. Eine klare gesetzliche Grundlage diene viel eher dem Betriebsfrieden als individuell ausgehandelte Lösungen, so ihr Argument. Ein bloßes Erörterungsrecht für Arbeitnehmer, wie es die FDP vorschlägt, sah Wenckebach in ihrer Stellungnahme ebenfalls skeptisch: Die Entscheidung über die Rahmenbedingungen der Arbeit bleibe in der »Hand der Arbeitgeber«, so die Juristin.

Richard Giesen, Direktor des Zentrums für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht, hingegen befürwortete den Antrag der FDP: In der gegenwärtigen Praxis zeige sich, dass wichtige arbeitsrechtliche Regelungen des Arbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetzes bei Homeoffice und mobiler Arbeit »ignoriert« würden. Der FDP-Vorschlag ziele darauf, diesen Zustand zu überwinden. Die Gesetzgebung der Bundesregierung in diesem Bereich habe dagegen nur »Symbolcharakter«, kritisierte Giesen. Forderungen von Grünen und Linken zementierten die bestehende »Widersprüchlichkeit«: Wer die arbeitgeberseitige Verantwortung betone, müsse folgerichtig auch die Besichtigung des Arbeitsplatzes zur Gefährdungsbeurteilung zulassen. Doch das könne niemand wollen, der Arbeitgeber habe bei Arbeitnehmern zuhause nichts zu suchen.

Nils Backhaus von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unterstrich hingegen die Bedeutung von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten im Homeoffice: Ein rechtlicher Rahmen müsse nichtsdestotrotz Mindestanforderungen für die Arbeit zuhause vorgeben so etwa im Hinblick auf die ergonomische Ausstattung des Arbeitsplatzes, für die Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung. Die Corona-Krise habe schließlich gezeigt, dass mobile Arbeit zwar Chancen, aber auch deutliche Schattenseiten habe. Risiken seien zeitliche Entgrenzung, soziale Isolation und Muskel-Skelett-Erkrankungen.

Daran anknüpfend empfahl Peter Krauss-Hoffmann vom Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen weitere arbeitswissenschaftliche Forschungen. Diese böten eine »belastbare Basis« für eine Rechtsetzung von staatlicher Seite. Diese sehe er jedoch eher als »Ultima Ratio«, so der Sachverständige in seiner Stellungnahme. Besser seien betriebliche oder sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen.

 

 

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