Ingenieure: Anzahl offener Stellen höher als vor Corona-Krise
Gliederung
Frauenanteil von Ende 2012 bis Ende März 2021 um 70,9 Prozent gestiegen
Nachdem die Corona-Krise 2020 deutlich negative Spuren auf dem Ingenieurarbeitsmarkt hinterlassen hat, zeigen sich vom ersten bis zum dritten Quartal 2021 deutlich positive Signale auf die Nachfrage. So sank die Gesamtzahl der offenen Stellen in den Ingenieur- und Informatikberufen bis zum dritten Quartal 2020 auf 95.900, wohingegen die Nachfrage im dritten Quartal 2021 wieder auf 132.000 stieg.
Damit liegt die Gesamtzahl der offenen Stellen erstmals seit Beginn der Corona-Krise wieder über dem entsprechenden Quartalswert vor der Corona-Krise (drittes Quartal 2019: 128.900 offene Stellen). Im Vergleich zum Vorjahresquartal mit 95.900 zeigt die Arbeitskräftenachfrage mit einem Plus von 37,6 Prozent Zeichen eines deutlichen Zuwachses. Diese Zahlen gehen aus dem aktuellen Ingenieurmonitor hervor, den der VDI mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) herausgibt.
Etwas zeitverzögert reagiert die Entwicklung bei den Arbeitslosen in den Ingenieur- und Informatikberufen. Die Zahl der Arbeitslosen betrug im dritten Quartal 2019 noch 32.000, stieg dann zu Beginn der Corona-Krise auf rund 46.100 im dritten Quartal 2020 und blieb auf ähnlichem Niveau bis zum ersten Quartal 2021 mit 46.200. Bis zum dritten Quartal 2021 sank die Arbeitslosigkeit auf 39.600. Für die kommenden Quartale ist mit einem weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit zu rechnen.
Vor diesem Hintergrund sind die Engpässe am Arbeitsmarkt im drittem Quartal 2021 weiter deutlich gestiegen. Kamen rechnerisch auf 100 Arbeitslose im dritten Quartal 2019 noch 404 offene Stellen, so sank die Engpasskennziffer im dritten Quartal 2020 auf 208 und stieg bis zum dritten Quartal 2021 wieder auf 334. Besonders groß sind dabei die Engpässe in den Ingenieurberufen Bau/Vermessung/Gebäudetechnik und Architektur, gefolgt von den Ingenieurberufen Energie- und Elektrotechnik und den Informatikberufen. Engpässe bestehen auch in allen anderen Ingenieurberufen.
Künftig negative Auswirkungen der Schulschließungen auf Ingenieurarbeitsmarkt
Aktuelle Befragungen und Auswertungen zum Altersprofil der Erwerbstätigen zeigen, dass durch den demografischen Wandel, die Digitalisierung und die Dekarbonisierung der Bedarf an Ingenieur*innen und Informatiker*innen in den kommenden fünf Jahren deutlich zunehmen wird. So nimmt der jährliche demografische Ersatzbedarf an MINT-Akademiker*innen um 6.600 zu. Bei größeren Unternehmen ab 250 Beschäftigten erwarten rund 63 Prozent für die Entwicklung klimafreundlicher Produkte und Technologien einen zunehmenden Bedarf an Informatiker*innen und 43 Prozent einen steigenden Bedarf an Ingenieur*innen bzw. Umweltingenieur*innen. Dazu erwarten aufgrund der Digitalisierung insgesamt 83 Prozent der größeren Unternehmen einen steigenden Bedarf an digitalen Expertinnen und Experten. Die Corona-Krise wiederum dürfte das Angebot an Ingenieur*innen und Informatiker*innen in den kommenden Jahren reduzieren. Gründe dafür sind negative Auswirkungen der Schulschließungen auf die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler, weniger Berufsorientierung und Studienberatung während der Corona-Pandemie an Schulen und weniger Zuwanderung von Studierenden aus dem Ausland in Informatik- und Ingenieurfächer.
Frauenanteil bei Ingenieur- und Informatikerberufen liegt bei 18,2 Prozent
Neben der Erschließung der Potenziale von Zuwandernden ist auch das Potenzial von Frauen für die Ingenieur- und Informatikberufe stärker zu heben. Zwar ist die Anzahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen in Ingenieur- und Informatikberufen von Ende 2012 bis Ende März 2021 von 143.873 auf 245.928 und damit um 70,9 Prozent gestiegen. Allerdings liegt der Anteil insgesamt nur bei 18,2 Prozent. Betrachtet man die Frauenanteile in den Ingenieur- und Informatikberufen, so zeigen sich große Unterschiede. Gerade in den für die Dekarbonisierung und die Digitalisierung besonders benötigten Informatikberufen sind trotz des hohen Beschäftigungswachstums die Frauenanteile vergleichsweise gering. So ist der Frauenanteil in Informatikberufen von 13,7 Prozent Ende 2012 auf 16,3 Prozent Ende März 2021 gestiegen. Besonders niedrig ist der Frauenanteil in den Ingenieurberufen der Energie- und Elektrotechnik - der Anteil stieg von 7,6 auf 9,8 Prozent. Den höchsten Frauenanteil weisen die Ingenieurberufe Kunststoffherstellung und Chemische Industrie mit 43,4 Prozent auf, auch wenn dieser gegenüber Ende 2012 mit damals 46,0 Prozent leicht gesunken ist.
MINT-Kompetenzen von Mädchen auf ähnlichem Niveau wie die der Jungen
Auch wenn die Frauenanteile in Ingenieur- und Informatikberufen, in der Forschung und im Studium angestiegen sind, ist weiterhin ein großes Potenzial an Frauen für Ingenieur- und Informatikberufen zu gewinnen. Wichtig ist dabei, die Potenziale von Mädchen und Frauen für die Ingenieur- und Informatikberufe besser als bisher zu heben. Dazu sind die Kompetenzen von 15-jährigen Mädchen in Mathematik und Naturwissenschaften auf ähnlichem Niveau wie die Kompetenzen der Jungen, jedoch werden Töchter von Eltern schlechter eingeschätzt als gleich kompetente Söhne. Umso wichtiger ist es, dass die Mädchen ein unverzerrtes Feedback zu ihren Stärken in den Schulen erhalten.
Daneben ist eine klischeefreie Studienorientierung wichtig, die auch die hohe Bedeutung der Informatiker- und Ingenieurberufe für Klimaschutz und Nachhaltigkeit vermittelt. Das Bewusstsein für den Umweltschutz und den Klimawandel hat sich in den letzten Jahren erhöht. Die Auswertungen auf Basis des Sozioökonomischen Panels zeigen, dass sich vor allem jüngere Frauen zunehmend Sorgen um den Umweltschutz und den Klimawandel machen. Im Jahr 2009 machten sich 26 Prozent der Frauen und 24 Prozent der Männer im Alter zwischen 17 und 24 große Sorgen um den Klimawandel. Im Jahr 2019 stieg dieser Anteil auf 46 Prozent bei den jungen Männern und sogar 62 Prozent bei den jungen Frauen.
VERWEISE