Mittelstandsbarometer 2022 - Thema »Digitalisierung«
Gliederung
Mittelstand treibt Digitalisierung voran, doch vor allem kleinere Betriebe hinken der Entwicklung hinterher
Jedes dritte Unternehmen will in stärkeren Homeoffice-Einsatz investieren
Sicherheit geht vor: Bei der Digitalisierung hat der deutsche Mittelstand einen klaren Fokus. 60 Prozent der Unternehmen geben an, dass Cybersecurity und Datensicherheit für sie von großer Bedeutung sind. Damit ist der digitale Schutz die mit Abstand wichtigste Herausforderung aus Sicht des Mittelstands – und das schon bevor der Krieg in der Ukraine der Welt neue Wirklichkeiten und Sicherheitsrisiken vor Augen führte. Nur vier Prozent sagen dagegen, dass digitale Verteidigung für sie gar keine Rolle spielt. Auch den Einsatz von Chatbots (vier Prozent) und künstlicher Intelligenz allgemein (elf Prozent) schätzen die befragten Unternehmen als nicht sehr wichtig ein.
Fakt ist: Die Digitalisierung geht voran – auch schnell genug, um konkurrenzfähig zu bleiben? 38 Prozent der Befragten sagen, dass digitale Technologien für sie sehr wichtig sind. Das sind fast doppelt so viele, wie vor sechs Jahren. 2016 erklärte noch jeder Fünfte (21 Prozent), dass Digitalisierung für sein Unternehmen überhaupt keine Rolle spielt. Aktuell sind es gerade einmal noch zwei Prozent. Zusammen mit den Betrieben, die Digitalisierung für kaum wichtig halten, gibt es aber auch eine Gruppe von 21 Prozent, die der Digitalisierung weiterhin skeptisch bis verschlossen gegenübersteht.
Das sind die Ergebnisse des EY-Mittelstandsbarometers, für die 800 mittelständische Unternehmen in Deutschland befragt wurden.
Michael Marbler, Partner bei EY und verantwortlich für den Bereich Mittelstand in Deutschland: »Die Sicherheitsrisiken für Unternehmen sind real und werden von ihnen wahrgenommen. Cyberkriminelle wollen sich auf Kosten von Firmen bereichern und versuchten in der Vergangenheit immer wieder Unternehmen – auch aus dem Mittelstand – zu attackieren. Nur eine schlüssige digitale Sicherheitsstrategie, die stetig angepasst und verbessert werden muss, kann hier Schutz bieten.«
Als besonders wichtig schätzen Unternehmen der Energie- und Wasserversorgung (66 Prozent), im Maschinenbau (58 Prozent) und der Elektrotechnik (54 Prozent) die Rolle der Digitalisierung ihrer Abläufe ein. In der Land- und Forstwirtschaft nimmt das Thema dagegen gar keinen Raum ein (null Prozent). Im Baugewerbe gaben 14 Prozent der Befragten an, dass digitale Technologien wichtig für das Geschäftsmodell ihres Unternehmens sind.
Größe spielt bei Digitalisierung wichtige Rolle
Ein deutlicher Unterschied zeigt sich bei der Größe der Unternehmen: Bei den Firmen, deren Jahresumsatz unter 30 Millionen Euro liegt, spricht sich weniger als ein Drittel (30 Prozent) für die Wichtigkeit digitaler Technologien aus. Bei Unternehmen deren Umsatz über 100 Millionen Euro pro Jahr liegt, ist es dagegen mehr als die Hälfte (51 Prozent).
Marbler: »Vor allem kleinere Betriebe drohen digital den Anschluss zu verlieren gegen die größere Konkurrenz – national wie international. Unabwägbarkeiten durch politische Spannungen und damit einhergehende Einschränkungen bei den Lieferketten stellen auch den Mittelstand schon jetzt vor völlig neue Herausforderungen. Hier hat schon die Pandemie als Extremereignis gezeigt, dass Faktoren wie digitaler Kundenkontakt überlebenswichtig sein können.«
Stichwort Corona: Wie in allen Bereichen hat die Pandemie auch beim Mittalstand ihre Spuren hinterlassen. Am deutlichsten wird dies, wenn es ums Homeoffice geht. Jeder Dritte (32 Prozent) setzt auf die Arbeit von zuhause, will hier mehr investieren. Marbler: »Es hat sich gezeigt, dass der Mittelstand aus den enorm schwierigen vergangenen Jahren lernen konnte und im Personalbereich flexibel neue Wege gehen will. Eine Entwicklung, die sich fortsetzen muss – vor allem, um im Wettbewerb um Talente und Bewerber gegenüber anderen Branchen und Bereichen zu bestehen.«
Bei den Kundenbeziehungen schlägt die Stunde digitaler Technologien
75 Prozent der Befragten sagen, dass Kundenbeziehungen ganz oder zumindest teilweise digital stattfinden. 2016 waren es nur knapp vier von zehn Unternehmen (39 Prozent). Auch beim Produktverkauf und Onlinezahlung (52 Prozent) ist das Thema wichtig – und immer wichtiger geworden. Vor sechs Jahren waren es nur gut 23 Prozent der Firmen, die dies sagten.
Marbler: »Ohne Frage hat der Mittelstand die Wichtigkeit digitaler Transformation und Entwicklung erkannt. Es geht voran, dies haben die vergangenen Jahre gezeigt. Das sollte aber kein Grund zu verfrühter Zufriedenheit sein. Darauf kann man aufbauen – aber ausruhen darf man sich nicht. Die Unternehmen müssen der Digitalisierung ein noch größeres Gewicht beimessen.«
Denn auch intern spielen digitale Technologien eine immer wichtigere Rolle: Im Rechnungswesen gaben 91 Prozent der Befragten an, dass digitale Technologien und das Internet mittlere bis große Bedeutung für sie haben. Auch beim Einkauf (82 Prozent) und beim Vertrieb (80 Prozent) ist und bleibt die Digitalisierung wichtig. 80 Prozent der Befragten sehen keine Faktoren, die die digitale Entwicklung ihres Geschäfts behindern. Umgekehrt heißt das aber auch: es gibt sie für jedes fünfte Unternehmen. Die Hauptgründe sind begrenzte finanzielle Mittel und fehlendes Personal.
Digitale Technologien haben bei den Investitionen von Industrieunternehmen einen Anteil von durchschnittlich 10,5 Prozent. Bei großen Betrieben über 100 Millionen Euro Jahresumsatz ist der Anteil höher (13,5 Prozent) als bei kleineren Firmen mit einem Umsatz von weniger als 30 Millionen Euro pro Jahr (8,9 Prozent).
»Bei einem großen Teil der Betriebe ist der Wille zu Investitionen da – trotz unklarer Aussichten. Dies ist wichtig, um den Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft zu legen, in der digitale Faktoren eine immer größere Rolle spielen«, sagt Marbler und erklärt weiter: »Auch kleinere Unternehmen müssen dies erkennen – falls nicht, droht die Gefahr einer Zwei-Klassen-Gesellschaft mit großen, weltweit wettbewerbsfähigen Mittelständlern, die bei der Digitalisierung ganz oben mitspielen, und kleineren Unternehmen, die stetig an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.«
Hintergrund
Das EY Mittelstandsbarometer basiert auf einer repräsentativen Befragung von 800 mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Befragt wurden nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 10 Millionen und einer Milliarde Euro. Dafür wurde im November und Dezember 2021 eine telefonische Befragung durch ein unabhängiges Marktforschungsinstitut durchgeführt. Die Unternehmen wurden nach ihrer derzeitigen Geschäftslage, nach den konjunkturellen Aussichten für 2022, nach ihren Investitionsabsichten, der Beschäftigungssituation und Einstellungsplänen sowie den größten Gefahren für das eigene Geschäft befragt.
VERWEISE
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