Beschäftigungsperspektiven für gering Qualifizierte
Nachdem die Beschäftigung gering Qualifizierter lange rückläufig war, hat sie in den letzten Jahren leicht zugenommen
Gering Qualifizierte: Fachkräfte ohne Ausbildung?
Gering Qualifizierte gelten häufig als die Verlierer*innen auf dem Arbeitsmarkt. Allerdings wächst seit zehn Jahren ihre Zahl wieder deutlich. Es gibt mittlerweile einen stabilen Sockel an Beschäftigten ohne abgeschlossene Berufsausbildung, der nach SOEP-Daten* 4,7 Millionen Menschen bzw. 13,3 Prozent der abhängig Beschäftigten umfasst.
»Niedrig Qualifizierte sind keine arbeitsmarktpolitische Restgröße, die irgendwann verschwindet. Vielmehr haben sie in einzelnen Berufen durchaus Beschäftigungschancen«, sagt Dr. Thorsten Kalina im aktuellen Report aus dem Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE).
Besonders deutlich stieg die Beschäftigung gering Qualifizierter in Berufen aus den Bereichen Lagerwirtschaft, Verkauf, Gastronomie und Fahrzeugführung im Straßenverkehr. »Dabei sind mit rund 60 Prozent die meisten gering Qualifizierten oberhalb des Helferniveaus, also auf Fachkraftstellen oder Positionen mit höheren Anforderungen tätig«, stellt Kalina fest. Es handelt sich um einen Graubereich an Tätigkeiten, die anspruchsvoller sind als Helferarbeiten, die aber nicht unbedingt eine dreijährige Berufsausbildung voraussetzen.
Die Abgrenzung von Helfer- und Fachkraftstellen ist ein strittiges Thema zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Vor allem die tarifliche Eingruppierung von Beschäftigten als Fachkräfte ist für Arbeitgeber mit höheren Lohnkosten verbunden. In vielen Berufen werden auch Jobsuchende eingestellt, die nur Kompetenzen in Teilen einer vollständigen Berufsausbildung haben. Die Zertifizierung von Teilqualifikationen für gering Qualifizierte oder Zugewanderte erleichtert die Integration in den Arbeitsmarkt, weiß Kalina.
So lassen sich durch die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse die Übergänge in höherqualifizierte Beschäftigungen für Ausländer:innen verbessern. Für Jüngere sollte die Zahl von Ausbildungsabbrüchen reduziert und das Nachholen von Ausbildungsabschlüssen ermöglicht werden. »Denn Teilqualifikationen zu zertifizieren, kann eine vollwertige Berufsausbildung nicht ersetzen«, warnt Kalina. »Grundsätzlich sollte der Fokus von Arbeitsmarktpolitik eher darauf liegen, vollständige Ausbildungen nachzuholen, um das duale System der beruflichen Ausbildung dauerhaft zu erhalten.«
* Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Sie beruht auf den Daten des Umfrageinstituts infas Institut für angewandte Sozialforschung, das jährlich rund 30.000 Personen in etwa 15.000 Haushalten befragt.
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