Studie zum Fachkräftemangel
Gute Sprachkenntnisse und Onboarding-Prozesse verbessern nachhaltige Integration junger Zugewanderter in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.
Im Vergleich zu deutschen Auszubildenden tendieren junge Menschen mit Zuwanderungshintergrund bei einer begonnenen Ausbildung deutlich seltener zu einem Abbruch, wenn sie über gute Sprach- und Mathematikkenntnisse verfügen und ihre Wunschausbildung beginnen konnten. Darüber hinaus sind auch die Unterstützung aus dem unmittelbaren kollegialen Umfeld sowie gut strukturierte Auswahl- und Onboarding-Prozesse ausschlaggebend für eine nachhaltige Integration in den deutschen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.
Das ist das Ergebnis der Analyse »Integration@Work« des Exzellenzclusters The Politics of Inequality der Universität Konstanz, das dieses in Kooperation mit dem Berliner Think-Tank Das Progressive Zentrum veröffentlicht.
Besonders deutlich senken die genannten Faktoren demnach die Kündigungsabsichten zugewanderter Auszubildender im Handwerk (38 Prozent bei zugewanderten gegenüber 26 Prozent bei deutschen Auszubildenden) sowie in Pflege- und Gesundheitsberufen (41 gegenüber 29 Prozent) – Branchen, die besonders vom Fachkräftemangel betroffen sind.
Sprache, soziale Interaktion und Onboarding als zentrale Integrationsfaktoren
Unter der Fragestellung, wie vor diesem Hintergrund eine nachhaltige Integration junger Zugewanderter in den deutschen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gelingen kann, analysierte ein interdisziplinäres Forschungsteam um Professor Florian Kunze Daten einer Langzeitstudie, für die seit 2021 1.139 Auszubildende regelmäßig per Smartphone-App zu den Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit und ihren Kündigungsabsichten befragt werden.
Demnach sind im Vergleich zu Auszubildenden mit deutschem Pass v. a. drei Faktoren entscheidend dafür, ob junge Zugewanderte eine Ausbildung fortsetzen und ggf. beenden:
- individuelle Rahmenbedingungen wie Sprach- und Mathematikkenntnisse sowie die Frage, ob die Ausbildung im tatsächlich gewünschten Ausbildungsberuf begonnen werden konnte. Gute Sprachkenntnisse bspw. reduzieren die Bereitschaft zur Kündigung bei den Befragten mit Zuwanderungshintergrund fast um die Hälfte;
- die soziale Interaktion am Arbeitsplatz – insbesondere die Unterstützung durch Kolleg:innen im unmittelbaren Arbeitsumfeld;
- die Unterstützung durch den Ausbildungsbetrieb. Vor allem durch Sozialisierungsstrategien wie systematische Schulungen und soziale Integrationsmaßnahmen zu Beginn der Ausbildung können Ausbildungsbetriebe die Kündigungsabsichten junger Zugewanderter halbieren.
Eine zentrale Rolle kommt darüber hinaus dem dualen Ausbildungssystem in Deutschland zu. Dieses bietet gerade jüngeren Zugewanderten, die die formalen und sprachlichen Voraussetzungen für die Aufnahme eines Studiums noch nicht erfüllen, einen perspektivreichen Weg in eine sichere und qualifizierte Beschäftigung.
Intensivierung der Sprachförderung und ausbildungsbegleitender Hilfen
Deutschland steht angesichts des Fachkräftemangels und seiner wachstumshemmenden Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft kurz- und mittelfristig vor massiven Herausforderungen. Neben einer erhöhten Zuwanderung könnte vor allem auch eine Verbesserung der betrieblichen Integration bereits in einem Ausbildungsverhältnis stehender junger Menschen einen Beitrag zur Lösung des Problems leisten.
Politische Handlungsoptionen bestehen der Analyse »Integration@Work« zufolge v. a. in den Bereichen Ausgangsqualifikation, Sprachförderung sowie der verstärkten Förderung ausbildungsbegleitender Hilfen (abH) und Initiativen zur Reduktion von Ausbildungsabbrüchen. Auch die gezielte Unterstützung mittlerer und kleinerer Unternehmen, die in der Regel nur über geringe Ressourcen zur strukturierten Integration zugewanderter Auszubildender verfügen, kann deutliche Verbesserungen nach sich ziehen.
Hintergrund
Die Veröffentlichung der Analyse »Integration@Work« erfolgte in Zusammenarbeit des Exzellenzclusters The Politics of Inequality der Universität Konstanz und des Berliner Think-Tanks Das Progressive Zentrum. Sie basiert auf Daten einer Langzeituntersuchung, für die das Team um Professor Florian Kunze seit 2021 regelmäßig deutschlandweit 1.139 Auszubildende mit und ohne Zuwanderungshintergrund über eine Smartphone-App zu den Rahmenbedingungen ihrer Ausbildung befragt haben sowie zur Überlegung, die Ausbildung abzubrechen. Unter den Befragungsteilnehmenden sind Frauen und Männer aus 72 Nationen und 108 verschiedenen Ausbildungsberufen im Alter von durchschnittlich 21 Jahren. Alle Befragten haben ihre Ausbildung in den Jahren 2021 oder 2022 in Betrieben verschiedener Größenklassen aufgenommen,