SWK/KMK: Qualität der Lehrkräftebildung sichern

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SWK

In ihrem neuen Gutachten »Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht« empfiehlt die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) Maßnahmen für ein wissenschaftsbasiertes, klar strukturiertes Qualifikationssystem für Lehrkräfte in Studium, Vorbereitungsdienst und während des Berufs.

Für den zweiten Weg ins Lehramt hat die SWK Modelle für einen Master mit anschließendem Vorbereitungsdienst entwickelt.

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz hat heute (08.12.2023) ihr Gutachten »Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht« vorgestellt. Das Gutachten formuliert Ziele und Standards für das Studium, den Vorbereitungsdienst und die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften. Zudem gibt die Kommission Empfehlungen, wie die Ausbildung attraktiver werden kann und wie sich der künftige Lehrkräftebedarf verlässlicher vorhersehen lässt.

Im Januar hatte die SWK bereits eine Stellungnahme mit kurzfristigen Maßnahmen zum Umgang mit dem Lehrkräftemangel veröffentlicht. Das aktuelle Gutachten enthält Maßnahmen zur langfristigen Reform der Lehrkräftebildung.

»Viele Schulen leiden unter einem akuten Lehrkräftemangel, gleichzeitig sind die Leistungen der Schülerinnen und Schüler, wie zuletzt PISA gezeigt hat, besorgniserregend. Aus internationalen Studien wissen wir, dass die Kompetenzen der Lehrkräfte entscheidend sind für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler. Deshalb dürfen die Anforderungen an den Beruf nicht abgesenkt werden. Lehrkräfte brauchen unterrichtsbezogenes Wissen im Fach und Wissen über Lern- und Entwicklungsprozesse von Kindern und Jugendlichen. Eine universitäre Lehrkräftebildung muss dieses Wissen vermitteln und darauf aufbauend Praxiserfahrungen schrittweise ermöglichen. Eine kompetente Begleitung der Praxiserfahrungen ist für den Erwerb von wirksamen Unterrichtskompetenzen entscheidend. Dafür ist bereits in der ersten Phase eine enge Zusammenarbeit mit den Studienseminaren erforderlich«, fasst Prof. Dr. Felicitas Thiel, Co-Vorsitzende der SWK und Professorin für Schulpädagogik und Schulentwicklungsforschung an der Freien Universität zusammen.

Katharina Günther-Wünsch, Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie:
»Ich möchte mich für das SWK-Gutachten zur Qualifizierung von Lehrkräften bedanken und dabei besonders die konsequente Berücksichtigung der Lehrkräftebildung in den Empfehlungen hervorheben. Die klare Positionierung für hohe Qualitätsstandards in der Lehrkräftebildung ist und bleibt unverzichtbar für die zukünftige Entwicklung unseres Bildungssystems. Die Kultusministerkonferenz wird sich eingehend mit den vorgeschlagenen Empfehlungen auseinandersetzen und entsprechende Maßnahmen formulieren. Dabei ist eine umfassende Betrachtung der Lehrkräftequalifizierung notwendig, einschließlich der Ausbildung an Hochschulen und im Vorbereitungsdienst sowie der Fort- und Weiterbildung. Im Kontext der bildungspolitischen Initiativen in Berlin könnte eine Erweiterung des Blickwinkels auf bundesweiter Ebene sinnvoll sein. In Betracht ziehen sollten wir hierbei neue Ansätze zur Lehrkräftequalifikation, wie beispielsweise verkürzte Ausbildungen für Ein-Fach-Lehrkräfte oder duale Studiengänge. Die Notwendigkeit, dass Fachexperten vor der Unterrichtstätigkeit langwierige Studien absolvieren müssen, wirft Fragen auf. Zudem ist es von Bedeutung, die zügige Anerkennung ausländischer Abschlüsse zu fördern und innovative Strategien zur Überwindung sprachlicher Barrieren zu entwickeln. Eine nationale Evaluierung der Möglichkeit des hybriden Lernens für ältere Schülerinnen und Schüler, inspiriert von laufenden Modellversuchen in Berlin, könnte ebenfalls erfolgversprechend sein.«

Ties Rabe, A-Länderkoordinator und Hamburgs Senator für Schule und Berufsbildung:
»Ich freue mich über die klaren Empfehlungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Idee, neben dem klassischen Lehramtsstudium einen zweiten Weg mit einem neuen Studiengang in den Lehrberuf zu eröffnen, erschließt ganz neue Chancen für Studierende. Und die Verkürzung des Referendariats durch eine bessere Verzahnung von Studium und Praxis sollte sorgfältig geprüft werden. Vor allem aber begrüße ich das klare Bekenntnis zu einer soliden und fachlich hochwertigen Lehrerausbildung.«

Prof. Dr. R. Alexander Lorz, B-Länderkoordinator und Hessischer Kultusminister:
»Die SWK legt ein umfassendes Gutachten vor, das den Ländern viele Anhaltspunkte liefert, die Lehrkräftebildung an die neuen Herausforderungen anzupassen. Ich begrüße insbesondere die Ansätze, neue Personengruppen für den Beruf als Lehrkraft zu erschließen, ohne dabei den Qualitätsanspruch aus dem Blick zu verlieren. Die etablierte und qualitätsgesicherte grundständige Ausbildung unserer zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer durch alternative Formen zu gefährden, lehnt die SWK ab. Dem schließe ich mich an. So schaffen wir Verlässlichkeit für die Personen und Institutionen, die sich tagtäglich für gut ausgebildete Lehrkräfte bemühen, und Vertrauen in ihre Arbeit.«

Wissenschaftsbasiert Kompetenzen aufbauen in Studium, Vorbereitungsdienst und Fortbildung

Die SWK empfiehlt eine wissenschaftsbasierte Lehrkräftebildung in Studium und Vorbereitungsdienst, in der Wissen und Fähigkeiten schrittweise aufgebaut werden. Dafür ist die Entwicklung eines Curriculums nötig, das stärker als bisher Inhalte des Studiums und des Vorbereitungsdienstes im Zusammenhang definiert: zentrale Kompetenzen im Fach und der Fachdidaktik, Querschnittsthemen wie der Umgang mit Heterogenität sowie gute Lerngelegenheiten im Studium und in den Praxisphasen.

Auch die Ausbildung von Personen ohne klassisches Lehramtsstudium (Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger) soll wissenschaftsbasiert erfolgen. Konkret empfiehlt die SWK, dass etwa Fachstudierende oder Berufswechslerinnen und -wechsler ein Masterstudium in einem Unterrichtsfach mit anschließendem Vorbereitungsdienst absolvieren. Dieser zweite Weg ins Lehramt soll die zahlreichen Sondermaßnahmen in den Ländern ablösen.

»Der Lehrkräftebedarf unterliegt starken Schwankungen. Während jüngst so viele Schülerinnen und Schüler wie nie eingeschult wurden, sind die Geburtenzahlen seit 2022 rückläufig, gleichzeitig sind migrations- und fluchtbedingt steigende Zahlen nur bedingt vorhersehbar. Ein klar strukturierter zweiter Weg ermöglicht es, flexibel auf den Lehrkräftebedarf zu reagieren und gleichzeitig die wissenschaftliche Qualifizierung der Lehrkräfte sicherzustellen. Zudem müssten keine neuen Strukturen aufgebaut werden und der zweite Weg ins Lehramt wäre mit finanziell geringem Aufwand umsetzbar«, ergänzt Prof. Dr. Olaf Köller, Co-Vorsitzender der SWK und geschäftsführender Direktor des IPN – Leibniz-Institut für die Didaktik der Naturwissenschaften und Mathematik.

Handlungsbedarf sieht die SWK im Bereich der Fortbildungen. In den meisten Ländern findet keine systematische Erfassung der Fortbildungsbedarfe und eine darauf ausgerichtete Angebotsplanung statt. Zudem werden Dozentinnen und Dozenten oft zufällig rekrutiert und nur in wenigen Ländern gezielt qualifiziert. Vor diesem Hintergrund fordert die SWK eine datenbasierte Angebotsplanung und eine Qualitätssicherung. Sie empfiehlt außerdem eine Fortbildungsverpflichtung von 30 Stunden pro Jahr für alle Lehrkräfte, um sicherzustellen, dass sie sich kontinuierlich mit neuen Inhalten und Anforderungen auseinandersetzen können.

Ausbildungsbedingungen verbessern

Neben den Empfehlungen zur inhaltlichen Ausgestaltung der Lehrkräftebildung widmet sich das Gutachten den Ausbildungsbedingungen. Obwohl Lehramtsstudierende an vielen Universitäten einen großen Teil der Studierenden ausmachen, ist der Stellenwert der Lehrkräftebildung in den Universitäten häufig gering und liegt quer zu anderen Zuständigkeiten und Bereichen. Gleichzeitig verzeichnen die Universitäten hohe Schwundquoten insbesondere in den Mangelfächern. Die SWK empfiehlt daher eine Stärkung und systematische Qualitätssicherung der Lehrkräftebildung an den Universitäten, angefangen von der sichtbaren Verankerung in der Hochschulleitung über Forschungsanreize bis hin zur Verbesserung der Studierbarkeit.

Der Vorbereitungsdienst stellt angehende Lehrkräfte vor große Herausforderungen. Für den Vorbereitungsdienst empfiehlt die SWK eine begrenzte Unterrichtsverpflichtung von ca. sechs Wochenstunden, für die Berufseingangsphase (sechs Monate) eine Unterrichtsreduktion um sechs bis acht Stunden. Die Länge des Vorbereitungsdienstes kann auf zwölf Monate reduziert werden, sofern Studium und Vorbereitungsdienst strukturell und inhaltlich miteinander verschränkt werden und die Studienseminare in die Begleitung der universitären Praxisphasen einbezogen werden.

Inzwischen arbeiten immer mehr Lehramtsstudierende neben dem Studium als Vertretungslehrkräfte. Dies birgt die Gefahr, dass sich Studienzeiten verlängern und Studierende ihr Studium abbrechen, weil sie direkt in der Schule bleiben. Die SWK empfiehlt die qualifizierte Begleitung der Vertretungslehrkräfte mit Beteiligung der Universitäten. Unter dieser Bedingung können die Tätigkeiten auf Praxisphasen des Studiums angerechnet werden.

Studierende gewinnen und Karrierewege aufzeigen

Für die Gewinnung von Studierenden empfiehlt die SWK u.a. neue Studienplätze in Mangelbereichen zu schaffen, die Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen zu prüfen und finanzielle Anreize für Studieninteressierte anzubieten. Aus Sicht der SWK würde der Beruf der Lehrkraft auch attraktiver durch mehr Entwicklungsmöglichkeiten und definierte Karrierewege, etwa mit Blick auf die Qualifizierung für Leitungs- und Koordinationsfunktionen. Hier empfiehlt die SWK wissenschaftliche Weiterbildungen zu entwickeln, die modular aufgebaut sind.

Datenlücken schließen und Lehrkräftedarf transparent und vergleichbar modellieren

Voraussetzung für alle Maßnahmen zur Gewinnung von Studierenden und der Sicherung ihres Studienerfolgs ist eine verlässliche Datengrundlage. Dies gilt ebenso für die Prognose des Lehrkräftebedarfs. Hier empfiehlt die SWK den Ländern, Daten systematisch vergleichbar zu erheben und aktuelle Datenlücken zu schließen, etwa hinsichtlich der Anzahl der Studienanfängerinnen und -anfänger sowie mit Blick auf den Verlauf vom Vorbereitungsdienst bis in den Beruf. Neben der Datenqualität ist entscheidend, dass der Lehrkräftebedarf und das Lehrkräfteangebot transparent und vergleichbar modelliert wird.


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