IAQ zur Mindestlohn-Erhöhung »Nicht vom Himmel gefallen«
Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland hat – entgegen den Warnungen diverser Wirtschaftsforschungsinstitute vor erheblichen Beschäftigungsverlusten – keinen Schaden angerichtet. Vielmehr ist die Beschäftigung gestiegen und die Zahl der Arbeitslosen rückläufig. Dennoch »wurden in der Mindestlohnkommission noch sehr kontroverse und grundlegende Verhandlungen geführt - die Erhöhung auf 8,84 € ist nicht vom Himmel gefallen« stellt die Stellvertretende Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE), Dr. Claudia Weinkopf, fest.
Dem am 28. Juni 2016 veröffentlichten Bericht der Mindestlohnkommission zufolge sind die Stundenlöhne von An- und Ungelernten im Jahr 2015 überdurchschnittlich gestiegen – besonders in Ostdeutschland (Ungelernte: +7,9%; Angelernte: +5,9% im Vergleich zu 3,9% im Durchschnitt der ostdeutschen Beschäftigten). In Westdeutschland war der Lohnanstieg weniger ausgeprägt (im Durchschnitt: +2,3%), aber auch hier war die Lohnentwicklung für Angelernte (+2,4%) und insbesondere für Ungelernte (+3,5%) günstiger.
Die Zahl der Beschäftigten mit weniger als 8,50 €, die vor der Mindestlohneinführung im Jahr 2014 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes noch bei knapp 4 Millionen lag, hat sich auf knapp 1,4 Millionen im Jahr 2015 deutlich verringert. Der Anteil der Beschäftigten mit Stundenlöhnen unter 8,50 € ist demnach innerhalb eines Jahres von 11,3% auf 3,8% gesunken.
Die IAQ-Forscher Prof. Dr. Gerhard Bosch und Dr. Claudia Weinkopf halten dies für einen beachtlichen Rückgang, sehen aber auch noch weiteren Handlungsbedarf bei der Durchsetzung des gesetzlichen Mindestlohns. »Dass fast 1,4 Millionen Beschäftigte auch nach der Mindestlohneinführung noch weniger als 8,50 € verdienen, lässt sich nicht allein darauf zurückführen, dass es Ausnahmen für bestimmte Gruppen und Übergangsregelungen in einzelnen Branchen gibt«, betonen die Forscher. In Westdeutschland waren Mitte 2015 Stundenlöhne unter 8,50 € nur noch in der Landwirtschaft zulässig, im Osten außerdem noch bei Wäschereien, Zeitarbeit und im Bereich Textil. Auch die Ausnahme für Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer Beschäftigung wurde nach einer Studie des IAB nur sehr selten genutzt.
Bosch und Weinkopf sehen die Hauptursache für Unterschreitungen des Mindestlohns darin, dass viel zu selten kontrolliert wird. »Die Mindestlohnforschung zeigt, dass Unternehmen ihren Frieden mit einem Mindestlohn schließen, wenn sie sich darauf verlassen können, dass auch die Konkurrenz diesen einhält. Ausgerechnet im Jahr der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ist die Zahl der Kontrollen von Betrieben durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit aber nicht deutlich erhöht worden, sondern um fast 31% gesunken«.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes handelte es sich bei gut der Hälfte der Beschäftigen, die weniger als 8,50 € pro Stunde verdienten, um Minijobber/innen. »Gerade diese Gruppe braucht Rückendeckung dafür, dass sie in den Betrieben nicht weiterhin als »Beschäftigte zweiter Klasse« benachteiligt werden«, betonen die IAQ-Forscher. »Das betrifft nicht nur die Stundenlöhne, sondern auch Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlte Urlaubstage«.
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