Neue Arbeits- und Reiseformen: Workation und Bleisure im Fokus
Flexible Arbeitsformen zur Fachkräftegewinnung
Der Tourismusausschuss des Deutschen Bundestages hat am Mittwochnachmittag in einer öffentlichen Anhörung über die Verknüpfung von Geschäfts- und Privatreisen diskutiert. Im Mittelpunkt standen dabei die Arbeits- und Urlaubsmodelle »Workation« und »Bleisure«.
Die Expertinnen und Experten waren sich einig, dass dieser Trend langfristig an Bedeutung gewinnen wird. Vor allem die nach 1981 Geborenen begrüßten die neuen flexiblen Arbeitsformen, die nicht nur die Work-Life-Balance verbesserten, sondern auch Vorteile für die Unternehmen brächten.
Workation: Arbeiten in Urlaubsatmosphäre
Das Konzept der Workation verbindet Arbeit und Urlaub, indem Berufstätige ihre Arbeit von klassischen Urlaubsorten aus erledigen. Inspiriert von den »digitalen Nomaden« ermöglicht diese Arbeitsform, für Tage, Wochen oder sogar Monate von jedem beliebigen Ort aus zu arbeiten.
Während die digitalen Nomaden meist selbständig sind, bieten viele Unternehmen ihren Mitarbeitern inzwischen die Möglichkeit, Workation-Programme zu nutzen. Das steigert nicht nur die Motivation, sondern trägt auch zur Attraktivität des Arbeitgebers bei.
Bleisure: Geschäftsreisen und Freizeit verbinden
Im Gegensatz zu Workation trennt das Bleisure-Konzept strikt zwischen Arbeit und Freizeit. Die Idee, an eine Geschäftsreise ein paar Tage Urlaub anzuhängen, gibt es schon länger und erfreut sich wachsender Beliebtheit.
Mitarbeiter nutzen diese Zeit, um Sehenswürdigkeiten zu erkunden und sich zu entspannen. Meist handelt es sich um wenige Tage, die sich unmittelbar an den geschäftlichen Aufenthalt anschließen.
Vorteile für Beschäftigte und Unternehmen
Die Verbindung von Arbeit und Reisen entspricht nicht nur den individuellen Wünschen vieler Beschäftigter, sondern bietet auch Vorteile für Unternehmen. Flexible Arbeitsmodelle erhöhen die Zufriedenheit und Produktivität der Mitarbeitenden. Gleichzeitig können Unternehmen mit solchen Angeboten im Wettbewerb um Talente punkten. Workation und Bleisure schaffen eine Win-Win-Situation, in der persönlich
Diskussion
»In einer sich stetig wandelnden Arbeitswelt gewinnen ortsflexible Arbeitsmodelle wie Workation oder Bleisure Travel zunehmend an Bedeutung und sind ein Instrument des Employer Branding der Unternehmen«, sagte Corinna Döpkens, Gründerin der Corinna Döpkens-Travel Management, in der Anhörung. Allerdings habe sie festgestellt, dass auf Seiten der Anbieter in der Tourismus-Industrie die Begriffe Bleisure Travel, Workation sowie Co-Workation nicht geklärt seien. Sie plädiere deshalb dafür, ein »einheitliches, leicht verständliches Vokabular« zu entwickeln und Kommunikationsstrategien einzusetzen, die weniger Fachjargon beinhalteten und mehr erfahrungsbasierte Inhalte nutzten.
Außerdem müssten die Bedürfnisse der verschiedenen Zielgruppen differenziert werden. So hätten Freelancer andere Erwartungen als Führungskräfte großer Unternehmen. Anhand von Umfragen, Interviews oder Nutzerdatenanalysen könnten spezifische Bleisure- oder Workation-Angebote entwickelt werden. Schließlich seien Kooperationen hilfreich, um die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die bereits Expertise in Remote-Arbeitsmodellen hätten, besser zu vernetzen, sagte Döpkens .
Dafür bekam sie Unterstützung von Professor Peter Neumann, Fachgebietsleiter Hospitality, Tourism and Event an der IU Internationale Hochschule Münster und Erfurt. Auch er sprach sich für Marktforschung und Datenanalysen aus und schlug umfassende Studien zur nationalen und internationalen Nachfrage nach Workation und Bleisure Travel vor, »ergänzt durch kontinuierliche Datenanalysen, um Trends, Bedürfnisse und wirtschaftliche Auswirkungen gezielt zu verstehen und fundierte Entscheidungen treffen zu können«, sagte Neumann.
Wenn Unternehmen solche neuen Anreize zur Mitarbeiterbindung anböten, müssten auch die firmeninternen Reiserichtlinien angepasst und Workation- sowie Bleisure-Angebote integriert werden, um Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung zu fördern. Die Politik sei aufgefordert, für rechtliche Rahmenbedingungen zu sorgen. Dabei stünde die Klärung arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Fragen durch klare gesetzliche Leitlinien im Vordergrund, um die Rechtssicherheit für Unternehmen und Mitarbeitende zu gewährleisten.
Julia Reif, Professorin für Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Universität der Bundeswehr München, unterstrich die Notwendigkeit neuer Formen der Mitarbeitergewinnung für Unternehmen. Vor allem demografische Gründe hätten dazu geführt, dass Firmen ihre Mitarbeitersuche veränderten. Jüngere Menschen aus der Generation Y und der Generation Z - die zwischen 1981 und 1994 beziehungsweise von 1995 bis 2010 geborenen Jahrgänge - erwarteten Flexibilität und digitale Arbeitsweisen, »was gemischte Arbeitsmodelle für diese Zielgruppe besonders attraktiv macht«, sagte Reif.
Aber auch für »Menschen mit Sorgeverantwortung« könnten gemischte Arbeitsformen eine Chance bieten, im Spannungsfeld der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben besser navigieren zu können: Zum Beispiel mit einer verkürzten Wochenarbeitszeit, intensiven Phasen in Vollzeit, die sich mit Teilzeit abwechseln, familienfreundlichen Schichtdienstplänen, Gleitzeitmodellen, mobilem Arbeiten und, wo es möglich sei, flexiblen Karrierewegen.
Gleichzeitig förderten Coworking- und Workation-Modelle Kreativität und Innovation durch neuen Input und Netzwerke in entsprechenden Communities und Coworking Spaces. Unternehmen könnten durch hybride Arbeitsmodelle Bürokosten sparen. »Mitarbeitende könnten von geringeren Pendelkosten profitieren, wenn sie den Arbeitsort flexibel wählen können oder einen Coworking Space in ihrer direkten Umgebung wählen können«, sagte Reif. Coworking Spaces am entsprechenden Standort könnten neue Wirtschaftszweige schaffen und Dienstleistungen erforderlich machen
Wie ein solches Modell aussehen kann, erklärte Jean-Pierre Jacobi, Vorstandsmitglied bei CoWorkLand eG. Er stellte das Konzept der Workation aus der Perspektive der von ihm mitgegründeten Genossenschaft inhabergeführter Coworking Spaces in ländlichen Regionen und Kleinstädten vor. Aus seiner Sicht könnte ein solches Format entscheidend für die Entwicklung ländlicher Räume sein, »da diese Regionen Rahmenbedingungen benötigen, um nachhaltig erfolgreich zu sein«, sagte Jacobi. Wirtschaftlich betrachtet, könnten Workation-Angebote zur Diversifizierung der lokalen Wirtschaft beitragen, indem sie Arbeits- und Urlaubswelt miteinander verknüpften.
»Dies ermöglicht es, die touristische Saison zu verlängern, ganzjährige Arbeitsplätze zu schaffen und ländliche Hotellerie sowie Gastronomie zu beleben - auch mit begrenzten personellen Ressourcen«, erklärte Jacobi. Die Verbindung von Arbeit und Freizeit mache ländliche Räume gerade für junge, kreative Zielgruppen immer attraktiver und könne so auch einen Beitrag zur Bekämpfung von Folgen des demografischen Wandels wie Überalterung und dem Vergreisen ganzer Landstriche leisten.
Auch Marco Nußbaum, Vorstandsvorsitzender Hiamo AG, Betreiber eines Boutique-4-Sterne-Hotels und mehrerer Ferienwohnungen in Hohwacht an der schleswig-holsteinischen Ostsee, sieht in der Workation »eine zeitgemäße Arbeitsform mit einem enormen Potenzial zur Belebung der Nebensaison«. Workation biete eine Chance, Regionen wie Hohwacht in der Nebensaison zu beleben und gleichzeitig die Arbeitskultur zukunftsfähig zu gestalten.
»Unsere bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Workation weit mehr als ein Trend ist - es ist ein Schlüssel zur nachhaltigen Entwicklung der Hotellerie und Tourismuswirtschaft«, sagte Nußbaum. Mit einer »klugen Infrastrukturstrategie und gezielten Investitionen« könnten die Anbieter Deutschland gar als »führende Workation-Destination etablieren und gleichzeitig wirtschaftliche und gesellschaftliche Vorteile erzielen«, so sein Fazit.
Markus Orth, Geschäftsführer von Lufthansa City Center Reisebüropartner, betont, dass vor allem die »Gen Y«, die zwischen 1981 und 1995 geborenen Jahrgänge, sich derzeit Workation-Optionen von ihren Arbeitgebern wünschten. In einer Untersuchung der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers International hätten 80 Prozent aus dieser Zielgruppe angegeben, dass ihnen dieser »Benefit« wichtig sei. Bleisure und Workation seien »in der Arbeitswelt von heute fest etabliert und keine vorübergehenden Erscheinungen«, sagte Orth.
Vor allem durch die zunehmende Digitalisierung und die gewachsene Akzeptanz von Homeoffice hätten sich diese Arbeitsformen entwickelt. 67 Prozent der Geschäftsreisenden passten die Reiseplanung an ihre Work-Life-Balance an. Die größte Motivation zur Nutzung von Bleisure Travel sei ein attraktives Reiseziel. Für die erfolgreiche Umsetzung dieser Trends bedürfe es deshalb »klarer Regelungen, technologischer Infrastruktur und kompetenter Beratung«.
Inge Pirner, Vizepräsidentin des Verbands Deutsches Reisemanagement (VDR), sprach die arbeitsrechtlichen Regelungen für die neuen Arbeitsmodelle an. Für Themenfelder wie das Arbeitsrecht und den Arbeitsschutz, die Arbeitszeitregelungen, Fragen zur Sozialversicherung und zu weiteren Versicherungen - wie etwa Unfall- und Krankenversicherung -, der Meldepflicht sowie Einreisebestimmungen, gebe es bislang keine klaren Antworten, oder bestehende Regeln passten nicht zur neuen Arbeitswelt. »Der VDR und seine Mitgliedsunternehmen sind daher auf praxisnahe, klare und umsetzbare Vorgaben angewiesen, die möglichst bürokratiearm umgesetzt werden können«, forderte Pirner. »Daher bedarf es einer einheitlichen europäischen Sozialversicherungsnummer.«
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