Jugendliche ohne Ausbildungsplatz: Potenziale bleiben ungenutzt
Fast eine Viertelmillion Jugendliche im Übergangsbereich
Jedes Jahr beginnen in Deutschland rund 250.000 Jugendliche eine Maßnahme im so genannten Übergangsbereich, weil sie keinen Ausbildungsplatz finden oder ihre Fähigkeiten als nicht ausreichend eingeschätzt werden.
Laut einer bundesweiten Studie der Bertelsmann Stiftung und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) bringen aber fast zwei Drittel von ihnen die Voraussetzungen mit, um direkt in eine Ausbildung einzusteigen.
Unbesetzte Ausbildungsstellen trotz Fachkräftemangel
Im Jahr 2024 werden fast 70.000 Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. Gleichzeitig absolvieren viele Schulabgänger*innen staatlich geförderte Programme, die Praktika, Qualifizierungskurse oder das Nachholen von Schulabschlüssen umfassen.
Fachkräfte, die Jugendliche beim Übergang von der Schule in den Beruf begleiten, schätzen, dass 26,3 Prozent der Teilnehmer*innen im Übergangsbereich sofort eine Ausbildung beginnen könnten, wenn geeignete Plätze zur Verfügung stünden. Weitere 36,4 Prozent wären mit professioneller Unterstützung dazu in der Lage. Nur 37,3 Prozent benötigen tatsächlich die Maßnahmen des Übergangssektors, um auf eine Ausbildung vorbereitet zu werden.
Langfristige Folgen für Jugendliche ohne Schulabschluss
Die Maßnahmen des Übergangssektors sollen es den Jugendlichen ermöglichen, innerhalb eines Jahres eine Ausbildung zu beginnen. Doch nur zwei Drittel schaffen diesen Schritt innerhalb von drei Jahren.
Fast 20 Prozent der 20- bis 34-Jährigen in Deutschland bleiben langfristig ohne Ausbildungsabschluss, das sind fast drei Millionen Menschen.
HERAUSFORDERUNGEN UND LÖSUNGSANSÄTZE
Belastung der Fachkräfte steigt
Rund 80 Prozent der befragten Fachkräfte berichten, dass ihre Arbeit in den letzten fünf Jahren anspruchsvoller geworden ist. Dennoch sehen sie Verbesserungen auf dem Ausbildungsmarkt: So seien die Qualifikationsanforderungen vieler Betriebe entweder vereinfacht worden oder konstant geblieben.
Allerdings fordern die Fachkräfte mehr Kapazitäten für die direkte Arbeit mit den Jugendlichen - ein Anliegen, das 83 Prozent von ihnen teilen.
Flexiblere Ausbildungswege
Die Fachkräfte plädieren für flexiblere Übergänge auf dem Ausbildungsmarkt. Fast drei Viertel sprechen sich für den verstärkten Einsatz von Teilqualifikationen aus, die berufliche Kenntnisse schrittweise vermitteln. Zudem halten 60 Prozent der Befragten die Einführung von Teilzeitausbildungen für sinnvoll.
EXPERTENMEINUNGEN: JUGENDLICHE STÄRKER FÖRDERN
Clemens Wieland von der Bertelsmann Stiftung betont, dass die Potenziale vieler Jugendlicher im Übergangsbereich besser genutzt werden müssen. Dies sei nicht nur angesichts des Fachkräftemangels wichtig, sondern auch im Interesse der Jugendlichen selbst.
Andreas Knoke-Wentorf von der DKJS ergänzt, dass mehr direkte Zugänge in Ausbildung den Fachkräften Zeit geben würden, sich gezielt um diejenigen zu kümmern, die eine intensive Begleitung benötigen.
Fazit: Potenziale für alle Beteiligten heben
Die Studie zeigt, dass ein Großteil der Jugendlichen im Übergangsbereich direkt in Ausbildung einmünden könnte, wenn der Zugang zu Ausbildungsplätzen erleichtert würde. Gleichzeitig könnten flexiblere Ausbildungsmodelle und eine gezielte Förderung zu einer Win-Win-Situation für Jugendliche, Fachkräfte und den Arbeitsmarkt führen.
Hintergrund
Für die Studie „Jugendliche im Übergangssektor – Eine Befragung von Fachkräften“ hat das involas Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik im Auftrag der Bertelsmann Stiftung und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung bundesweit Fachkräfte befragt, die Jugendliche im Übergangssektor von der Schule zur Ausbildung begleiten. 1.540 Mitarbeitende haben den Online-Fragebogen beantwortet. Die Befragung auf freiwilliger und anonymer Basis fand im Oktober und November 2024 statt. Die Konzeption wurde u. a. von der Fachstelle für Übergänge in Ausbildung und Beruf des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) unterstützt. Die Zahlen zu Personen im Übergangssektor stammen aus dem Berufsbildungsbericht 2024, dem Nationalen Bildungsbericht 2024 und aktuellen Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung.