Frauen in MINT-Berufen: Mädchen unterschätzen ihre Fähigkeiten im Schulfach Mathematik
Jungen halten sich in Mathe für begabter, als es die Noten rechtfertigen – Mädchen bescheinigen sich eher sprachliche Fähigkeiten – Unterschiede sind bereits in der fünften Klasse deutlich und bleiben in höheren Jahrgangsstufen bestehen.
Jungen schreiben sich im Schulfach Mathematik größere Fähigkeiten zu als Mädchen – in einem Ausmaß, das durch die tatsächlichen Schulnoten nicht gerechtfertigt ist. Die entsprechenden Selbsteinschätzungen von Schülerinnen und Schülern, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) untersucht hat, weichen bereits in der fünften Klasse deutlich voneinander ab. Bis einschließlich zur zwölften Jahrgangsstufe bleiben die Unterschiede weitgehend bestehen. Das geht aus einer aktuellen Studie des DIW-Bildungsforschers Felix Weinhardt hervor, der für Deutschland repräsentative Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) ausgewertet hat.
Die Ergebnisse sind vor allem mit Blick darauf relevant, dass Frauen an Universitäten und Fachhochschulen, aber auch in Ausbildungsberufen im sogenannten MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) deutlich unterrepräsentiert sind. »Frauen studieren diese Fächer offenbar auch deshalb weitaus seltener als Männer, weil sie ihre mathematischen Fähigkeiten schon sehr früh in ihrer Schulzeit unterschätzen und deshalb Präferenzen für andere Fächer, meist Sprachen, entwickeln«, so Weinhardt. »Damit gehen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern im MINT-Bereich, die bereits vielfach beklagen, dass sie kaum noch Fachkräfte finden, womöglich viele talentierte Frauen verloren«.
Mädchen sollten bereits in der Grundschule in Einschätzungen ihrer mathematischen Fähigkeiten bestärkt werden
Für seine Studie hat DIW-Bildungsökonom Weinhardt Daten von rund 20.000 Schülerinnen und Schülern verwendet, die auf einer Skala von eins (»trifft gar nicht zu«) bis vier (»trifft völlig zu«) Auskunft gegeben haben zu der Aussage »Ich war schon immer gut in Mathematik«. Während Schüler in der fünften Klasse im Durchschnitt einen Wert von 3,1 angeben, liegen Schülerinnen mit 2,5 deutlich darunter. Wie weitergehende Berechnungen zeigen, ist dieser Abstand aber nur teilweise durch tatsächlich bessere Noten der Jungen im Fach Mathematik zu erklären. Vergleicht man nämlich nur Schülerinnen und Schüler mit exakt denselben Mathematiknoten, schätzen die Jungen ihre mathematischen Fähigkeiten noch immer um fast einen halben Skalenpunkt höher ein. Dabei ist auch berücksichtigt, dass Jungen ihre Fähigkeiten generell und fächerübergreifend höher bewerten als Mädchen. Für das Fach Deutsch liegen die Selbsteinschätzungen so kaum auseinander, obwohl Schülerinnen dort deutlich bessere Noten erzielen als Schüler.
Weil Jungen und Mädchen ihre Kompetenzen bereits sehr frühzeitig sehr unterschiedlich wahrnehmen, möglicherweise bedingt durch gesellschaftliche Rollenbilder, ist es nach Weinhardts Ansicht von zentraler Bedeutung, rechtzeitig gegenzusteuern. »Lehrerinnen, Lehrer und Eltern sollten deutlich mehr dafür tun, Mädchen von ihren vorhandenen mathematischen Fähigkeiten zu überzeugen – nicht erst in der Sekundarschule, sondern bereits in der Grundschule«, empfiehlt Weinhardt. Umgekehrt könnten Jungen speziell im Fach Deutsch gefördert werden, um den sogenannten Vergleichseffekt zu reduzieren: Dieser führt dazu, dass Jungen aufgrund ihrer vergleichsweise schlechten Deutschleistungen tendenziell denken, sie seien mathematisch begabt. Ihre Klassenkameradinnen wiederum gehen aufgrund ihres Vorsprungs im Fach Deutsch davon aus, sie seien eher sprachlich begabt als in Mathematik, obwohl das nicht in jedem entsprechenden Einzelfall zutrifft.
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