Studie analysiert Geschlechterverhältnis in Deutschlands 100 größten börsennotierten Unternehmen
Noch viel Luft nach oben bis zu ausgeglichenem Verhältnis von Männern und Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat - Frauen verdienen in Vorständen rund 30 Prozent weniger, in Aufsichtsräten 20 Prozent weniger als Männer
Vor allem DAX-Unternehmen haben den Ruf nach mehr Vielfalt in Vorstand und Aufsichtsrat erhört, wie die Studie Diversity Champions: BCG Gender Diversity Index 2017 zeigt, welche The Boston Consulting Group (BCG) in Kooperation mit der Technischen Universität München (TUM) erstellt hat. Spitzenreiter der Rangliste in Sachen Geschlechtervielfalt der 100 größten börsennotierten Unternehmen ist der Konsumgüterhersteller Henkel. Er erreicht 77 von 100 möglichen Punkten und weist damit das ausgeglichenste Verhältnis der Geschlechter in Vorstand und Aufsichtsrat sowie die ähnlichste Bezahlung von Männern und Frauen in diesen Gremien auf.
Auf Platz zwei mit 76 Punkten folgt das Logistikunternehmen Hamburger Hafen und Logistik, auf Platz drei mit 75 Punkten der Chemiekonzern Evonik Industries. »Frauen setzen sich vor allem in großen Unternehmen Schritt für Schritt mehr durch in Führungspositionen. Jedoch gibt es noch viel Luft nach oben bis zur Gleichberechtigung, sowohl was die Anzahl der weiblichen Führungskräfte als auch was deren Vergütung angeht«, sagt Rocío Lorenzo, Partnerin bei BCG und Studienautorin des Diversity Champions: BCG Gender Diversity Index 2017.
Die erfolgreichsten DAX-Konzerne in Bezug auf Geschlechterparität sind neben Henkel der Chemiekonzern Merck sowie die Deutsche Börse. Schlusslichter im Index sind das Immobilienunternehmen Deutsche Wohnen, Software-Anbieter Nemetschek und Internet-Provider United Internet.
In Deutschlands 30 größten börsennotierten Unternehmen gibt es immerhin schon einen durchschnittlichen Anteil von 11 Prozent Frauen in Vorständen und 31 Prozent in Aufsichtsräten. Das liegt erkennbar über dem Durchschnitt der 100 größten börsennotierten Unternehmen hierzulande. Im Durchschnitt aller 100 Unternehmen liegt der Anteil von Frauen in Vorständen bei 6 Prozent, in Aufsichtsräten bei 29 Prozent.
Frauen in Top-Positionen unterdurchschnittlich bezahlt
Funktionsübergreifend verdienen Frauen in Aufsichtsräten im Durchschnitt nur rund 80 Prozent des Gehaltes ihrer männlichen Kollegen, in Vorständen sind es nur etwa 70 Prozent. »Überwiegend übernehmen Männer die besser vergüteten Aufgaben in Vorständen und Aufsichtsräten. Daher gibt es trotz positiver Signale in diesen Gremien längst keine Geschlechterparität; der Weg dahin ist noch weit«, sagt Professor Isabell Welpe, Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München und Studienautorin. Verzichtet man in der Analyse darauf, das Gehalt von CEOs und Aufsichtsratsvorsitzenden zu berücksichtigen, erhalten Frauen in Aufsichtsräten durchschnittlich immerhin rund 89 Prozent, in Vorständen etwa 78 Prozent des Männergehalts. »Unternehmen tun gut daran, Vielfalt stärker zu fördern. Schließlich können vielfältige Teams und Führungsetagen Unternehmen genau das geben, was die digitale Transformation von ihnen erfordert: Kreativität, Offenheit und Innovationskraft«, so Studienautorin Welpe.
In den 100 analysierten Unternehmen gibt es insgesamt nur eine Vorstandsvorsitzende und drei weibliche Aufsichtsratsvorsitzende – Posten mit üblicherweise besonders hoher Vergütung. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen haben gar keine Frau im Vorstand und fünf Unternehmen keine Frau im Aufsichtsrat. »Die noch unterentwickelte Geschlechtervielfalt im Top-Management ist ein Risiko für den Standort Deutschland. Sie kostet letztlich Innovation und Wachstum«, sagt Nicole Voigt, BCG-Partnerin und Studienautorin.
Frauen zu selten in zentralen Vorstands- und Aufsichtsratsposten
Damit die Unternehmen, aber auch die deutsche Wirtschaft insgesamt Geschlechterparität erreichen, rät BCG-Partnerin Voigt: »Unternehmen müssen Frauen noch stärker in den zentralen Vorstandspositionen mit Geschäftsverantwortung und in wichtigen Aufsichtsratsausschüssen berücksichtigen.« Um echte Vielfalt zu erreichen, empfehle es sich zudem, mehr Frauen in den Vorsitz von Vorständen und Aufsichtsräten zu bringen. »Vielfältige Unternehmen sind besonders innovative Unternehmen. Wer mehr Innovation möchte, sollte dringend mehr Frauen einstellen, entwickeln und befördern«, so BCG-Partnerin Lorenzo.
Hintergrund
Für die Studie Diversity Champions: BCG Gender Diversity Index 2017 haben The Boston Consulting Group (BCG) und die Technische Universität München (TUM) die 100 größten deutschen Unternehmen (nach Marktkapitalisierung zum Stichtag 30. Juni 2017) betrachtet. Der kreierte Index setzt sich zusammen aus dem Anteil an Männern und Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat des jeweiligen Unternehmens sowie der Verteilung der Vergütung in den beiden Gremien. Diese vier Faktoren gehen jeweils zu einem Viertel in die Gesamtwertung ein. Der Index berücksichtigt die verschiedenen Funktionen der männlichen und weiblichen Top-Manager in den Gremien.
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