Nur jedes 25. Start-up in Deutschland wird von Frauen gegründet
Start-ups von Frauen erhalten weniger Investitionen und schlechtere Bewertungen als von Männern gegründete Unternehmen * Bei aktuellem Tempo wird erst im Jahr 2139 Geschlechterparität in deutschen Gründer-Teams erreicht * Deutschland liegt bei Geschlechtervielfalt in Start-ups hinter Frankreich und Großbritannien
Deutsche Start-ups haben in Sachen Geschlechterparität großen Aufholbedarf. Denn Unternehmensgründung ist in Deutschland nach wie vor eine Männerdomäne. Das geht aus einer Studie hervor, die BCG in Deutschland, Frankreich und Großbritannien erstellt hat. Die Strategieberatung wertete hierfür Personal-, Unternehmens- und Finanzierungsdaten seit 2008 von über 15.000 Start-ups aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien und von deren mehr als 27.500 Gründerinnen und Gründern aus.
Die Ergebnisse zeigen: Hierzulande haben gerade einmal vier Prozent aller Jungunternehmen ein rein weibliches Gründer-Team, zehn Prozent der Start-ups sind gemischt und in 86 Prozent der Firmen sind die Gründer ausschließlich männlich. Deutschland liegt mit diesen Ergebnissen hinter Großbritannien (8 Prozent weiblich) und Frankreich (5 Prozent weiblich).
»Die Veränderungsdynamik in der Geschlechtervielfalt deutscher Gründer-Teams geht gegen Null. Wenn wir das nicht ändern, verschließen wir nicht nur Frauen die Tür in die Zukunft, wir verzichten auch auf ein großes unternehmerisches Potenzial«, erklärt Katharina Hefter von BCG. Schreibt man das marginale Wachstum des weiblichen Gründeranteils der vergangenen zehn Jahre in Zukunft fort, wird in Deutschland erst im Jahr 2139 Geschlechterparität in den Führungsetagen von jungen Unternehmen erreicht.
Weniger Finanzmittel und schlechtere Bewertungen für Frauen
Ein zentraler Grund, warum so wenige Frauen ein Unternehmen gründen, ist, dass sie weniger Förderung von Investoren erhalten. Die Studie ermittelte, dass rein weibliche Start-ups in Deutschland eine 18 Prozent geringere Chance haben, nach der Gründung Investorengelder zu akquirieren. Geht es um die Suche nach einem Hauptinvestor für ihr neues Unternehmen, haben Frauen hierzulande sogar eine 25 Prozent geringere Erfolgswahrscheinlichkeit. Diese Ungleichbehandlung zieht sich durch sämtliche Phasen der Gründungsfinanzierung – und verstärkt sich dabei: So haben rein weibliche Start-ups eine 40 Prozent geringere Chance, in der wichtigen zweiten Finanzierungsrunde das Firmenwachstum mit Fremdmitteln zu sichern. In der dritten Runde ist die Erfolgswahrscheinlichkeit sogar 90 Prozent geringer.
Auch bei der effektiven Höhe ihrer Beteiligungen sind Kapitalgeber gegenüber weiblichen Start-ups deutlich zurückhaltender: Der Durchschnitt aller Investments, die ein Start-up in Deutschland über alle Finanzierungsphasen akquirieren kann, beträgt bei männlich geführten Firmen 10,6 Millionen Euro. Deutsche Gründerinnen hingegen erhalten 3,5 Millionen Euro, also nur knapp ein Drittel. Mit ein Grund hierfür: Investoren bewerten weiblich geführte Unternehmen schlechter. Die Studie hat gezeigt, dass der Wert von deutschen Neugründungen mit Männern an der Spitze durchschnittlich 16,4-mal höher eingeschätzt wird.
Chancengleichheit auf allen Ebenen notwendig
»Die Geschlechter-Ungleichbehandlung von Investorenseite ist zu einem guten Teil systembedingt«, so Hefter. »Denn die Führungsetagen der Venture Capital Fonds, die zum Großteil die Finanzierung von Start-ups bestreiten, sind fest in Männerhand«. So werden 96 Prozent der deutschen Venture Capital-Unternehmen ausschließlich von Männern geführt. Unter den Top-3-Risikokapitalgebern Deutschlands findet sich auf oberster Entscheiderebene nur eine einzige Frau. »Männer geben Männern Geld. Diesen Mechanismus müssen wir durchbrechen. In der Konsequenz heißt das: wir müssen das Thema Diversity auch auf die Kapitalgeberseite treiben«, sagt Hefter. »Wollen wir das Thema Gender Diversity in der deutschen Gründerszene ernsthaft und nachhaltig verfolgen, müssen wir auf allen Ebenen für Chancengleichheit sorgen«.