Geschlechterquote: Nur ein Fünftel der Unternehmen erfüllt sie bereits
Geschlechterquote: Nur ein Fünftel der Unternehmen erfüllt sie bereits, deutlich mehr Frauen auf Arbeitnehmerseite.
Die feste Geschlechterquote für Aufsichtsräte gilt ab dem 1. Januar 2016. Doch ein halbes Jahr davor haben die davon erfassten Unternehmen mehrheitlich großen Nachholbedarf, insbesondere auf Seiten der Anteilseigner. Nach derzeitigem Stand erfüllt nur gut ein Fünftel der 105 Firmen die 30-Prozent-Quote. Und das oft auch nur, weil auf der Arbeitnehmerbank in den Aufsichtsräten mehr Frauen sitzen als vom Gesetz vorgegeben, was Lücken auf der Bank der Anteilseigner ausgleichen kann.
Das zeigt eine aktuelle Bilanz der Hans-Böckler-Stiftung*. Arbeitnehmer oder Anteilseigner im Aufsichtsrat können nach dem Gesetz darauf bestehen, dass jede der beiden Bänke für sich die 30-Prozent-Marke erreichen muss. Tun sie das, müssen noch deutlich mehr Frauen in die Aufsichtsräte einziehen, um die Quote zu erfüllen.
In den vergangenen Jahren ist der Frauenanteil in Führungsgremien kaum gestiegen – obwohl sich die deutsche Wirtschaft bereits vor 15 Jahren verpflichtet hatte, für eine Gleichstellung der Geschlechter zu sorgen. »Weil freiwillige Selbstverpflichtungen nicht eingehalten wurden, gibt es nun ein Gesetz, das den Anteil von Frauen in Führungspositionen verbessern soll«, erklärt Marion Weckes, Expertin für Mitbestimmung in der Hans-Böckler-Stiftung und Autorin der Studie. Die feste Quote gilt für Unternehmen, die sowohl börsennotiert als auch paritätisch mitbestimmt sind. Spätestens ab 2016 müssen diese Konzerne einen Frauenanteil von 30 Prozent im Aufsichtsrat vorweisen. Firmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, werden lediglich verpflichtet, Zielgrößen für die Besetzung von Führungsposten festzulegen. Minimalanforderungen sind dabei nicht vorgeschrieben, das Ziel darf nur nicht unter dem Status quo liegen. Diese Zielgrößen müssen schätzungsweise 2500 Unternehmen sogar schon bis zum 30. September 2015 festlegen.
Die feste Geschlechterquote erfasst 105 Unternehmen in Deutschland, zeigt die Bilanz – von Adidas bis Wüstenrot. Betrachtet man das Gesamtgremium, können nur 22 die Quote bereits heute erfüllen, 83 schaffen dies nicht. Insgesamt fehlen in den Aufsichtsräten dann 171 Frauen.
In 11 der 22 Unternehmen gleicht die Arbeitnehmerseite das Defizit an Frauen auf der Anteilseignerseite aus, sonst wäre die Lücke noch größer. Umgekehrt gilt das nur in drei Unternehmen. Lediglich in acht Unternehmen ist das Minderheitsgeschlecht auf beiden Bänken mit einem Anteil von mindestens 30 Prozent vertreten. Im Einzelnen sind dies: Adidas, Allianz, Cewe, Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Henkel, Kabel Deutschland und Siemens.
»Die Arbeitnehmervertreter sind wesentlich besser auf die Quote vorbereitet«, so Weckes. Das zeigen auch weitere Daten aus der Bilanz: Immerhin 39 der Arbeitnehmerbänke sind schon gesetzeskonform besetzt, auf Seiten der Kapitaleigner trifft dies auf nur 25 zu. Gleich stark vertreten sind Männer und Frauen auf den Arbeitnehmerbänken von 14 Aufsichtsräten. Die Anteilseigner kommen nur auf zwei Unternehmen mit Geschlechterparität. Dagegen sind rein männlich besetzte Gremien auf der Kapitalseite wesentlich häufiger: Es gibt 21 Aufsichtsräte, in denen nur männliche Anteilseigner sitzen. Lediglich 11 Arbeitnehmerbänke haben kein weibliches Mitglied.
Die Mindestquote von 30 Prozent gilt laut Gesetz für den gesamten Aufsichtsrat. Jedoch können sowohl die Anteilseigner als auch die Arbeitnehmer verlangen, dass jede Seite die Quote getrennt erfüllen muss. Dazu ist vor der Wahl ein Widerspruch gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden notwendig. »Aus Gründen der Rechtssicherheit ist dringend zu raten, in allen Fällen, das heißt vor jeder Wahl und Entsendung, den Widerspruch auszuüben«, schreibt Weckes. Würde das in allen 105 Unternehmen umgesetzt, gäbe es keinen rechnerischen Ausgleich zwischen den Bänken. Dadurch stiege der Bedarf an zusätzlichen weiblichen Aufsichtsräten weiter an: auf insgesamt 204 Frauen.
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