Studie zur »Frauenquote«: Positive Effekte auf längere Sicht erwartbar
Am 1. Januar 2016 tritt in Deutschland eine feste Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent für Aufsichtsräte in Kraft. Diese gilt verpflichtend für alle Unternehmen, die paritätisch mitbestimmungspflichtig und börsennotiert sind. Im Vorfeld hatten Kritiker der so genannten »Frauenquote« moniert, die gesetzliche Regelung diskriminiere Männer und führe nunmehr dazu, dass nicht mehr die Besten einen Posten bekommen.
Gesetzliche Quote könnte Geschlechterstereotype reduzieren – Qualität des Talentpools dürfte sich insgesamt verbessern – keine Benachteiligung von Männern zu erwarten
Derartige Befürchtungen hat Norma Schmitt, Forscherin im Bereich Gender Studies am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), auf der Basis wissenschaftlicher Untersuchungen überprüft. Ihr Fazit: »Viel spricht dafür, dass ein höherer Anteil an weiblichen Mitgliedern in Aufsichtsräten dazu führt, dass mehr Frauen in die obersten Führungsetagen einziehen und sich generell die Beförderungschancen von Frauen positiv verändern. Voraussetzung ist allerdings, dass dieses Ziel entschlossen umgesetzt wird«. Von der Umsetzung würden auch die Unternehmen profitieren, denn Untersuchungen zeigten ebenfalls, dass sich mit einem Frauenanteil von 30 Prozent eine kritische Masse herauskristallisiert, ab der eine vorteilhafte Wirkung eines divers zusammengesetzten Aufsichtsrats auf die Unternehmensperformance eintritt.
Geschlechterstereotype verhindern eine objektive Auswahl
Oftmals spielen bei Einstellungen und Beförderungen – zumeist unbewusst – Geschlechterstereotype eine Rolle. Studien zeigten, dass beispielsweise der Frauenanteil in Orchestern deutlich gesteigert werden kann, wenn Bewerberinnen und Bewerber – anders als sonst üblich – hinter einem Vorhang vorspielen. »Diese Stereotype haben gleichzeitig auch eine Bedeutung für Männer, denn sie erschweren ihren Rückzug aus der Versorgerrolle. Im Aufbrechen dieser Stereotype liegt die Chance für die gesamte Gesellschaft, die sich mit der Geschlechterquote bietet«, so Schmitt. Talente ließen sich dann effizienter nutzen. Neben unternehmerischen Vorteilen wäre eine solche Entwicklung auch mit einer positiven Signalwirkung auf nachfolgende Generationen verbunden.
Die Gefahr, dass Männer durch die Einführung einer Geschlechterquote benachteiligt würden, sieht Schmitt nicht: »Oft wird angenommen, dass Männer nun verdrängt werden. Dabei wird aber unterstellt, dass die bisherige Aufteilung der Plätze effizient war, also dass die Quote nun weniger qualifizierte Personen in die Aufsichtsräte bringt«. Ein Stereotyp, das leider allzu oft unter dem abwertenden Begriff der »Quotenfrau« kursiert. Dabei wird übersehen, dass Männer bislang überrepräsentiert waren und auch weniger leistungsfähige Männer in Aufsichtsräten sitzen.
Die unterrepräsentierte Gruppe geht gestärkt in den Wettbewerb
Für die Qualität des Talentpools dürfte die Geschlechterquote positive Folgen haben, denn es ist zu erwarten, dass sich Frauen bei besseren Aufstiegschancen verstärkt in den Wettbewerb begeben. Wie Studien zeigen, kann allein die Ankündigung einer Quotenregelung bereits dazu führen, dass sich Leistungen verbessern – haben Frauen doch die berechtigte Hoffnung, dass ihr Engagement nun auch zum Erfolg führen kann. Untersuchungen aus Norwegen, wo eine feste und verbindliche gesetzliche Quote im Jahr 2006 umgesetzt wurde, belegen, dass die neu berufenen Frauen nun deutlich höhere Bildungsabschlüsse vorweisen, obwohl sie im Vergleich zu Männern noch immer jünger sind und über weniger Führungserfahrung verfügen.
Aus den Erkenntnissen anderer Länder zu Auswirkungen auf die Unternehmensperformance lassen sich mittel- und langfristige Prognosen für Deutschland nicht sicher ableiten. Schmitt plädiert dafür, für eine systematische Evaluation der Geschlechterquote in Deutschland rechtzeitig in die Datenqualität und in ein Evaluationskonzept zu investieren.
Zudem weist sie darauf hin, dass die Chancen der Geschlechterquote auf lange Sicht auch davon abhängen, inwieweit sich Unternehmen selbst zu einem höheren Frauenanteil in den Führungsebenen verpflichten und dies auch verwirklichen. Der Gesetzgeber schreibt hier keine feste Quote vor, sondern verlangt von mitbestimmungspflichtigen und/oder börsennotierten Unternehmen, sich bis zum heutigen Tag (30. September 2015) Zielgrößen selber zu setzen. Diese müssen innerhalb einer selbst gewählten Frist erreicht werden. Allerdings kann der Anteil auch null betragen. Bei Verstößen drohen den Unternehmen bislang keine Sanktionen.
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