Gemein­schaftssinn und Teamwork in Zeiten der Indivi­dua­li­sierung

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Sind Gemeinschaftssinn und Teamwork in Zeiten der Individualisierung noch gefragt? 

Die Individualisierung durchdringt die gesamte Gesellschaft. Das beginnt bei einfachen Dingen wie dem Customizing von Konsumgütern und reicht bis hin zu individuellen Lebenskonzepten. Eine neue Studie analysiert, welchen Einfluss dieser Megatrend auf die Kultur von Unternehmen und die Kooperation in diesen hat. Ein Hauptergebnis: 84% der befragten Führungskräfte in Österreich und Deutschland stimmen der Aussage zu, dass ihr Unternehmen mehr als »die Summe der Einzelnen« sei. Eine große Mehrheit sieht somit eine Kultur der wechselseitigen Förderung in ihrem Unternehmen.

Weitere Ergebnisse unterstreichen diese synergetische Unternehmenskultur: 57% der Führungskräfte meinen, dass interne Konkurrenz kein prägendes Element sei. 81% sagen, dass Teamwork oberste Priorität hat. Und 32% sehen die Unternehmensziele durch alle Mitarbeitenden voll und ganz mitgetragen. Auf dieser »kulturell soliden Basis« ist offenbar auch Arbeiten und Führen aus der Distanz eine bewältigbare Herausforderung: 71% der Führungskräfte sehen kein Führungsproblem, wenn Mitarbeitende disloziert – also an verschiedenen Orten – arbeiten. Apropos Distanz: Für 65% ist E-Mail das wichtigste Instrument für den Informations- und Wissensaustausch. Erst danach folgen Meetings mit 57%. Der hohe Anteil medialer Kommunikation ist eine Herausforderung für das Leadership der Zukunft.

»Wie heißt es so schön: gemeinsam sind wir stark. Wenn wir gemeinsam entsprechend unserer Stärken arbeiten, passt die Performance jeder und jedes Einzelnen. Folglich auch die des gesamten Teams. Damit jeder und jedem ihre bzw. seine Stärken bekannt sind, braucht es Reflexion und das Bewusstsein als auch den Mut dorthin zu sehen, wo es Potenziale gibt«, erläutert Mag. Michaela Kreitmayer, Leiterin Hernstein Institut für Management und Leadership. Ergänzend fügt sie hinzu: »Daher ist es meine Empfehlung: Gleichen Sie, als Führungskraft, regelmäßig Selbst- und Fremdbild mit Ihren Mitarbeitenden ab. Das liefert Klarheit und schafft – als ein Baustein von mehreren – die Basis für gemeinschaftsorientierte Führung«.

Unternehmen zeigen »synergetische Kultur«

Das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelnen: Das entspricht im naturwissenschaftlichen Sinn dem Phänomen der Synergie, und ist das Bild, das Führungskräfte von ihren Unternehmen haben. 36% stimmen dieser Beschreibung in Bezug auf das eigene Unternehmen voll und ganz zu, weitere 48% eher. Je höher die Funktion ist, desto mehr wird diese Ansicht geteilt: Unter den Inhaberinnen und Inhabern von Unternehmen sehen sogar 46% diese Aussage als voll zutreffend an, im unteren Management sind es 32%. Es gibt noch Potenzial: 26% meinen voll und ganz, dass ihr Unternehmen sehr profitieren würde, wenn nicht »jeder sein eigenes Ding macht«. Weitere 43% teilen die Ansicht eher. Dennoch: Stellt man diese Ergebnisse gegenüber, ergibt sich in Summe das Bild einer konstruktiven, wechselseitig fördernden Kultur, die in den Unternehmen vorherrscht.

Sind Unternehmen von interner Konkurrenz geprägt?

57% der Führungskräfte sind der Ansicht, dass Konkurrenz kein prägendes Element in ihrem Unternehmen sei (18% voll und ganz, 39% eher). Bedeutsam ist der Begriff »geprägt«, denn dies geht über internen Wettbewerb, den es in der einen oder anderen Form nahezu immer gibt, deutlich hinaus. Der Konkurrenzdruck nimmt mit der Unternehmensgröße etwas zu: In Unternehmen mit bis 10 Mitarbeitenden meinen 8% der Führungskräfte, dass interne Konkurrenz prägend sei. Bei Großunternehmen mit über 1000 Beschäftigten sind es 14%.

Teamwork hat oberste Priorität

Im Umkehrschluss zur internen Konkurrenz sagen 81%, dass Teamwork im eigenen Unternehmen absolut im Vordergrund stünde (voll und ganz: 35%; eher: 46%). 26% sind voll und ganz überzeugt, dass im Unternehmen alle an einem Strang ziehen. Besonders ausgeprägt ist diese Sichtweise bei Inhaberinnen und Inhabern von Unternehmen (47%) im Gegensatz zum unteren Management (20%). Michaela Kreitmayer: »Die unteren Führungsebenen sind mehr mit operativen Daily-Business konfrontiert, was da und dort ernüchternd wirken kann. Hier ist Leadership gefragt. Die Vision und der Sinn der eigenen als auch der Tätigkeit des Unternehmens soll klar sein. Dies fördert die intrinsische Motivation und die Identifikation. Auf der anderen Seite zeigen Inhaberinnen und Inhaber einen Grundoptimismus, der die Voraussetzung für unternehmerisches Handeln ist. Hier ist Reflexion ein wichtiges Element, um den Blick zu schärfen«.

Unternehmensziele sind bekannt – und werden mitgetragen

33% der österreichischen und deutschen Führungskräfte meinen voll und ganz, dass den Mitarbeitenden die Unternehmensziele gut bekannt sind (eher: 51%). Bemerkenswert: Beinahe ebenso viele, 32%, geben an, dass die Mitarbeitenden die Ziele auch voll und ganz mittragen. Jedoch zeigt sich hier ein starker Unterschied nach Unternehmensgröße: Während bei den Kleinbetrieben mit bis zu 10 Beschäftigten 44% sagen, dass die Mitarbeitenden die Unternehmensziele voll und ganz mittragen, sind es bei den Großbetrieben mit über 1000 Mitarbeitenden 25%. Dies zeigt klar, wie anspruchsvoll die Kommunikation in großen Organisationen ist: sowohl auf inhaltlicher, als auch auf funktionaler Ebene.

Homeoffice: Kein Führungsproblem

Zum Thema »Disloziertes Arbeiten« wurde erhoben, dass 52% der Führungskräfte in Österreich und Deutschland für Mitarbeitende verantwortlich sind, die zumindest gelegentlich an verschiedenen Orten ihrer Tätigkeit nachgehen. 25% davon haben die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten (weitere Nennungen: Arbeit an anderen Unternehmensstandorten, Außendienst). Die klare Mehrheit der Führungskräfte sieht in disloziertem Arbeiten kein Problem für die eigenen Führungsaufgaben: 26% geben an, dass dieser Umstand gar nicht problematisch sei, weitere 45% sehen es als eher nicht problematisch (gesamt: 71%). Der räumlich dominierte Unternehmens-Begriff verliert somit tendenziell an Bedeutung, ein sozial- und organisatorisch definierter tritt in den Vordergrund.

Informations- und Wissenstransfer: »E-Mail is King«

Nicht zuletzt die Dislozierung von Unternehmen wirft die Frage nach den genutzten Kommunikationskanälen auf. Mit 65% ist E-Mail das wichtigste Instrument für den regelmäßigen Informations- und Wissensaustausch. Dahinter folgen (formelle) Meetings mit 57% und informelle Treffen zum Beispiel in der Kaffeeküche. An erster Stelle liegt also ein technisches Medium, vor der persönlichen Kommunikation. WhatsApp hat auch schon einen fixen Platz in der Unternehmenskommunikation: 32% der Führungskräfte nutzen die App regelmäßig, um Inhalte zu teilen, wobei dies deutlich mit dem Alter der Befragten zusammenhängt. Bei den Führungskräften unter 40 sind es 39%, bei den Führungskräften über 40 Jahre 28%, die WhatsApp für diese Zwecke regelmäßig einsetzen. Dies würde die vorherrschende Meinung bestätigen, dass jüngere Menschen WhatsApp dem E-Mail vorziehen würden. Doch derzeit – das belegen die Ergebnisse des Hernstein Management Report – ist E-Mail ein essentieller Bestandteil der Kommunikationslandschaft von Unternehmen.

Hintergrund
Der Hernstein Management Report erhebt seit 20 Jahren ein jährliches Stimmungsbild unter Führungskräften und Unternehmerinnen und Unternehmern in Österreich und Deutschland. Befragungszeitraum für die aktuelle Ausgabe: April 2019, befragte Personen: 1.530 Führungskräfte sowie Unternehmerinnen und Unternehmer, davon 586 in Österreich und 944 in Deutschland. Befragungsart: Online-Befragung, durchgeführt von Triple M Matzka Markt- und Meinungsforschung KG.

 

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