Frauen im Vorstand: Fluktuation ist aktuell geringer als die bei Männern

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Zirka sechzig Prozent der Vorstände in Deutschlands einhundert größten börsennotierten Unternehmen sind nach wie vor komplett männlich besetzt  *  »Gender Pay Gap« liegt bei 23 Prozent -  in bestimmten Positionen verdie­nen weibliche Vorstände jedoch besser als ihre männlichen Kollegen 

Weibliche Vorstände zeigen mehr Durchhaltevermögen in ihren Positionen als ihre männlichen Kollegen. Das ist ein Ergebnis der Studie Diversity Champions: BCG Gender Diversity Index 2019, die zum dritten Mal in Kooperation mit der Technischen Universität München (TUM) erscheint. Danach lag der Anteil der männlichen Abgänge im Vorstand zwischen 2017 und 2019 bei durchschnittlich 13 Prozent pro Jahr, unter den Frauen verließen nur sieben Prozent ihre Vorstandsposten. »Frauen im Top-Management haben Durchhalte- und Durchsetzungsvermögen – anders als in der öffentlichen Diskussion manchmal dargestellt«, sagt Rocío Lorenzo von BCG und Co-Autorin der Studie.

Für die Studie analysierten BCG und TUM erneut die 100 größten börsennotierten Konzerne Deutschlands im Hinblick auf Vielfalt in den Führungsgremien. Dabei standen die Verteilung der Geschlechter in Vorstand und Aufsichtsrat sowie deren Vergütung im Mittelpunkt. Mit Daten aus drei Jahren in Folge lässt sich nun nicht nur der Ist-Zustand, sondern auch die Entwicklung in den Unternehmen nachvollziehen. Zudem wird der Index in diesem Jahr um eine Befragung zum Thema Vielfalt unter 16.700 Personen in 14 Ländern ergänzt.

Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten steigt nur schleppend

Zwar gibt es positive Signale auf dem Weg zur Geschlechterparität in den Führungs­gremien, aber sie sind nach wie vor relativ schwach. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Anteil der Vorständinnen um zwei Prozentpunkte gestiegen, doch sind lediglich neun Prozent der deutschen Vorstandsposten mit Frauen besetzt (2018: sieben Prozent; 2017: sechs Prozent). Unter den Aufsichtsräten erhöht sich im Jahr 2019 der Frauenanteil um bloß einen Prozentpunkt auf 32 Prozent (2018: 31 Prozent, 2017: 29 Prozent). »Geht die Entwicklung weiter wie bisher, erreichen wir ein ausgeglichenes Geschlechter­verhältnis in den Vorständen erst im Jahr 2051«, sagt Nicole Voigt von BCG und Co-Autorin der Studie. »Den Atomausstieg möchte Deutschland bis 2022 schaffen, den Kohleausstieg bis 2038 – und für die Geschlechterparität in den höchsten Ämtern der Wirtschaft lassen wir uns noch über 30 Jahre lang Zeit«. Aktuell leisten sich noch 59 von 100 Unternehmen einen rein männlich besetzten Vorstand.

Wie es besser geht, zeigen die diesjährigen »Diversity Champions«: An der Spitze des BCG Gender Diversity Index stehen dieses Jahr das Finanzinstitut Aareal Bank mit 81 von 100 möglichen Punkten, das Chemieunternehmen Evonik Industries (75 Punkte) und der Telekommunikationskonzern Deutsche Telekom (73 Punkte). Letzterem gelingt damit das ausgewogenste Verhältnis unter den DAX-Unternehmen. Es folgen die Konzerne Henkel, SAP und Lufthansa. Insgesamt zeigt sich, dass große Unter-nehmen Vielfalt stärker priorisieren als kleinere. So schneiden die DAX-Konzerne besser ab als der Durchschnitt der 100 Unternehmen.

Gehaltslücke im Vorstand vergrößert sich – aber nicht in allen Bereichen

Die Lücke zwischen den Gehältern von Frauen und Männern auf Vorstandsebene hat sich in diesem Jahr sogar wieder etwas vergrößert – von 21 Prozent auf 23 Prozent (2017: 30 Prozent). In den Aufsichtsräten stagniert der Gender Pay Gap bei 17 Prozent (2017: 20 Prozent). »Immerhin beobachten wir das folgende Nischenphänomen«, sagt Isabell Welpe, Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München und Co-Autorin der Studie: »In Business-nahen Positionen, beispielsweise im Produktions- oder Vertriebsressort, verdienten Frauen im Jahr 2019 durchschnittlich acht Prozent mehr als ihre männlichen Kollegen. Für die Ausübung sogenannter Support-naher Ämter – etwa Personal oder Compliance – erhielten Frauen im Vorstand sechs Prozent mehr als Männer«.

Unternehmen, die Chancengleichheit an der Firmenspitze ernst nehmen, haben einen Vorteil bei der langfristigen Bindung weiblicher Talente. Die Befragung zum Thema Vielfalt zeigt, dass auf­stiegsambitionierte Frauen in Deutschland Diversität im Top-Management als wichtiges Signal für die eigene Perspektive bewerten. Wenn die oberste Führungsriege als vielfältig wahrgenommen wird, wollen 83 Prozent der befragten ambitionierten Frauen lieber im eigenen Unternehmen aufsteigen als anderswo. »Die oft gehörte Entschuldigung ‚Wir haben keine Frauen im Top-Management, weil uns der weibliche Nachwuchs fehlt‘ lässt sich ins Gegenteil umkehren«, sagt Rocío Lorenzo. Vielmehr gelte: »Je mehr Frauen in Spitzenpositionen, desto größer die Sogwirkung für weiblichen Führungsnachwuchs«, ergänzt Nicole Voigt.

 

BCG Gender Diversity Index 2019

 

Hintergrund
Für die Studie Diversity Champions: BCG Gender Diversity Index 2019 haben die Boston Consulting Group (BCG) und die Technische Universität München (TUM) die 100 größten deutschen Unternehmen untersucht, die in einem der Prime-Indizes (DAX, MDAX, SDAX) gelistet sind und die benötigten Daten zur Berechnung des Index veröffentlichen (sortiert nach Marktkapitalisierung zum Stichtag 1. September 2019). Der entwickelte Index setzt sich zusammen aus dem Anteil an Männern und Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat des jeweiligen Unternehmens zum Stichtag sowie der Verteilung der Vergütung in den beiden Gremien nach Ausweis des letzten vollständigen Jahresberichts. Diese vier Faktoren gehen jeweils zu einem Viertel in die Gesamtwertung ein.

Darüber hinaus greift die Studie die Ergebnisse der BCG-Diversity-Befragung Fixing the Flawed Approach to Diversity unter 16.700 Personen in 14 Ländern auf. Im Fokus der Analyse standen die Aussagen von ambitionierten Frauen, Frauen ohne Karriereambitionen und männlichen Entscheidungsträgern in Deutschland. Ambitionierte Frauen streben laut eigener Aussage aktiv eine höhere Führungsposition in den nächsten drei Jahren an.

 

 

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