Fachkräftemigrationsmonitor 2022: Nur wenige Unternehmen werben Personal im Ausland an

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Fachkräfteengpässe von Unternehmen in Deutschland, Trends und Potenziale zum Zuzug ausländischer Fachkräfte

Die Personalengpässe in der deutschen Wirtschaft nehmen immer weiter zu. Vor allem Menschen mit Berufsausbildung werden händeringend gesucht.

Trotzdem setzt noch nicht einmal jedes fünfte Unternehmen auf Fachkräfte aus dem Ausland. Die Hürden für Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern sind noch zu hoch. Mit ihrem neuen Strategiepapier zeigt die Bundesregierung, dass sie den Handlungsbedarf erkannt hat.

Der Personalmangel in der deutschen Wirtschaft nimmt immer größere Dimensionen an. 73 Prozent und damit fast drei Viertel der Entscheider*innen in Unternehmen berichten von Fachkräfteengpässen in ihrem Betrieb.

Das ergab eine repräsentative Civey-Befragung für den neuen Fachkräftemigrationsmonitor unserer Stiftung. 2021 hatten noch zwei Drittel (66 Prozent) der Unternehmen über fehlendes Personal geklagt, 2020 etwas mehr als die Hälfte (55 Prozent). Insbesondere die Nachfrage nach Personen mit Berufsausbildung steigt weiter an: 58 Prozent der befragten Betriebe melden hier Bedarf an, während nur 30 Prozent von ihnen Akademiker*innen fehlen.

Hinsichtlich der betroffenen Branchen gibt es kaum Veränderungen: An Fachkräften mangelt es vor allem in der Kranken- und Altenpflege, im Bau und im Handwerk, in der Industrie und Logistik sowie im Tourismus. Zudem sind größere Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten häufiger von Engpässen betroffen als kleine. Regional betrachtet, zeigt sich der Mangel an Personen mit Berufsausbildung am deutlichsten in Sachsen, Bayern und Rheinland-Pfalz und ländlichen Regionen aus, die Bedarfe an Akademiker*innen sind in städtischen Ballungsräumen am höchsten.

»Der Personalmangel tritt mittlerweile in fast allen Berufen, Branchen und Regionen auf. Unsere Wirtschaft verliert dadurch zunehmend an Dynamik. Angesichts dieser kritischen Situation ist es umso überraschender, dass die Rekrutierung von Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern für die meisten Unternehmen noch immer kein Thema ist«, sagt Susanne Schultz, Expertin für Migrationspolitik der Bertelsmann Stiftung.

Fachkräfteengpässe1(c) BertelsmannStiftung

Fachkräftezuwanderung liegt deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau

Tatsächlich gibt mit 17 Prozent noch nicht einmal jedes fünfte Unternehmen an, im Ausland nach neuen Mitarbeiter*innen zu suchen. Stattdessen setzen sie zurzeit in erster Linie auf Aus- und Weiterbildung im eigenen Betrieb sowie auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um mehr Fachkräfte zu gewinnen. Dabei geht zugleich nur weniger als ein Fünftel der befragten Entscheider*innen davon aus, dass in Deutschland ausreichend Personal zur Verfügung steht. Offenbar sind die Hindernisse für die Rekrutierung von Fachkräften im Ausland nach wie vor zu hoch. Noch mehr Unternehmen als in den Vorjahren nennen Sprachbarrieren, rechtliche und bürokratische Hürden sowie die schwierige Einschätzung ausländischer Qualifikationen als Hauptprobleme.

Die Zurückhaltung der Unternehmen spiegelt sich in den Zuwanderungszahlen. Zwar sind 2021 wieder etwas mehr Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern nach Deutschland gekommen als unmittelbar nach Beginn der Pandemie. Mit knapp 25.000 Personen lag deren Anzahl aber deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau von fast 40.000 Menschen. Rund die Hälfte der eingewanderten Fachkräfte stammte aus Asien. Zugleich hat die Zuwanderung aus anderen EU-Staaten in die Bundesrepublik 2021 abgenommen. Den Ländern außerhalb Europas kommt dadurch eine noch größere Bedeutung für den deutschen Arbeitsmarkt zu.

Dass der Bedarf an Fachkräften trotz der Wirtschaftsbelastungen durch Ukraine-Krieg, Energiekrise und Inflation ungebrochen steigt, liege laut Susanne Schultz vor allem am demografischen Wandel. »Die niedrigen Geburtenraten der Vergangenheit holen uns jetzt ein. Mit dem Renteneintritt der Generation der ‚Babyboomer‘ wird das Problem nun noch größer. Ohne Zuwanderung kann Deutschland den Wohlstand nicht sichern«, betont die Expertin. Zwar sind mit den geflüchteten Menschen aus der Ukraine auch potenzielle Fachkräfte für den hiesigen Arbeitsmarkt ins Land gekommen, aber wie viele von ihnen längerfristig bleiben, sei nicht abzusehen. Zudem fehle es auch hier oft an den nötigen Sprachkenntnissen, passenden Berufsprofilen sowie der Anerkennung von Abschlüssen.

Das im Frühjahr 2020 in Kraft getretene Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) sollte in diesen und weiteren Punkten Abhilfe schaffen. Nach Ansicht der Bertelsmann Stiftung verbessert es die rechtlichen Möglichkeiten für Zuwanderung, müsste aber weiterentwickelt werden.

»Die aktuellen Vorschläge der Bundesregierung, die Berufserfahrung als Kriterium zu berücksichtigen, eine Chancenkarte einzuführen und Visumsverfahren zu digitalisieren, gehen in die richtige Richtung und könnten Hürden für den Zuzug ausländischer Fachkräfte abbauen«, sagt Susanne Schultz. Genauso wichtig sei es laut Schultz, das neue Einwanderungsrecht auch konsequent umzusetzen, vor allem in den Ausländerbehörden und Auslandsvertretungen. Dazu zählen Angebote zur Sprachförderung, Integrationshilfe vor Ort sowie eine engere Vernetzung von Unternehmen, Behörden und Zivilgesellschaft, um Migrant*innen gezielter zu unterstützen.

Gleichzeitig gilt es, die Bundesrepublik als Einwanderungsland attraktiver zu machen und die ausländischen Fachkräfte im Land zu halten. Eine Willkommens- und Anerkennungskultur, Maßnahmen gegen Diskriminierung sowie bessere Bleibeperspektiven würden dazu beitragen. Insbesondere das Potenzial von weiblichen Fachkräften aus dem Ausland ist noch wenig erschlossen.

Fachkräfteengpässe2(c) BertelsmannStiftung

Ausbildungspartnerschaften weiter ausbauen

Für eine gezielte Gewinnung ausländischer Fachkräfte empfiehlt es sich zudem, das Modell der transnationalen Ausbildungspartnerschaften mit Ländern des globalen Südens zu erweitern. Mit Hilfe mehrgleisiger Ausbildungsprogramme in Herkunftsländern werden dabei Fachkräfte sowohl für den heimischen Arbeitsmarkt als auch für eine Tätigkeit im Ausland passend qualifiziert und erhalten berufsspezifische Sprachkurse. Ein gutes Beispiel im Pflegebereich ist die Kooperation zwischen Kliniken in Deutschland und auf den Philippinen. Rund zwei Drittel der befragten Entscheider*innen befürworten solche zwischenstaatlichen Abkommen zur Entwicklung und Vermittlung von Fachkräften.


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