Trainer sein - im digitalen Zeitalter

(Geschätzte Lesezeit: 5 - 9 Minuten)

Sabine Prohaska2Ein Beitrag aus unserer »Standpunkte«-Reihe von Sabine Prohaska, Wien. 

Der digitale Transformationsprozess der Wirtschaft stellt nicht nur die Unternehmen und ihre Mitarbeiter vor neue Herausforderungen; auch der Trainerberuf verändert sich. Denn die Digitalisierung macht vor der betrieblichen Weiterbildung nicht Halt.

Die digitale Transformation der Unternehmen beschert vielen selbstständigen Trainern (sowie Beratern und Coaches) zurzeit lukrative Aufträge. Und den fimeninternen Trainern garantiert sie aufgrund des hieraus resultierenden Change- und Lernbedarfs ihren Job für die nächsten Jahre. Vermutlich auch deshalb haben die meisten Trainer noch kaum reflektiert, was die digitale Transformation mittel- und langfristig für ihren Beruf bedeutet. Denn diese macht vor der Weiterbildung und Personalentwicklung in den Unternehmen nicht Halt – auch weil in der von Veränderung geprägten VUCA-Welt der Change- und Lernbedarf in den Unternehmen kontinuierlich steigt. Deshalb müssen sie im Bereich Weiterbildung und Personalentwicklung teils neue Wege beschreiten.

Noch ist leider vielen Trainern nicht bewusst, dass die fortschreitende Digitalisierung auch sie selbst vor neue Herausforderungen stellt. Denn mit der modernen Information- und Kommunikationstechnologie sind die potenziellen Lerner zu jeder Zeit, an jedem Ort der Welt erreichbar. Und in der VUCA-Welt sind Online-Kurse, Webinare und Webkonferenzen, wenn es um das Befriedigen eines Qualifizierungsbedarfs geht, oft kosteneffizienter und einfacher zu realisieren als Präsenzseminare und -trainings. Zumindest sind sie häufig eine hervorragende Ergänzung von ihnen, wie der Blended Learning-Ansatz, also die Kombination von Präsenzveranstaltungen mit computer- oder netzgestützten Lern-Elementen, beweist. Er hat sich in den letzten Jahren in den Unternehmen zunehmend etabliert. Denn er vereint die Vorzüge der verschiedenen Lernwege und führt in der Praxis oft zu einem größeren Praxistransfer und somit einer höheren Wirksamkeit des Gelernten. Auch deshalb wird der Siegeszug des E- und Online-Lernens fortschreiten. Also sollte, nein muss dieses Thema auch in der Aus- und Weiterbildung von Trainern eine größere Rolle spielen – zumindest wenn die Angehörigen dieser Berufsgruppe nicht ihre »Employability«, sprich Beschäftigungsfähigkeit verlieren möchten, weil ihre Kompetenz zum Gestalten zeitgemäßer Lernmedien und -architekturen nicht mit der technischen Entwicklung Schritt hält.

Trainer brauchen neue Kenntnisse und Kompetenzen

In der Traineraus- und -weiterbildung wird es künftig verstärkt darum gehen, den Trainern (sowie Personal- und Weiterbildungsverantwortlichen in den Unternehmen) die psychologischen Theorien und Befunde hinsichtlich der Verwendung der neuen Medien zum optimalen Gestalten von Lehr- und Lernprozessen zu vermitteln. Denn für die junge Generation von Mitarbeitern (und Seminarteilnehmern) ist der Umgang mit den Neuen Medien gelebter Alltag. Schon in der Schule nutzten sie zum Beispiel Tablets als Informationsquelle und Lernmedium. Deshalb sind sie oft eher negativ überrascht, wenn in der betrieblichen Weiterbildung die moderne Informations- und Kommunikationstechnik noch nicht zum Einsatz kommt.

Für deren gezielten Einsatz benötigen Trainer ein gewisses technisches Know-how und Verständnis. Für viele berufserfahrene Trainer gilt: Sie müssen sich in den kommenden Jahren mit den neuen Lerntechnologien und -methoden befassen; außerdem Praxis-Erfahrung mit den verschiedenen Lernplattformen sowie mit der synchronen und asynchroner Web-Kommunikation (zum Beispiel in Chats, Foren, Blogs) sammeln. Denn im Gegensatz zur jungen Trainergeneration sind sie hiermit oft noch nicht vertraut.

Was der jungen Trainergeneration jedoch meist auch noch fehlt, ist eine Kompetenz im Entwickeln moderner Lernmaterialien und -medien (wie Lernvideos, Apps und E-Books). Diese müssen basierend auf den lern-und gedächtnispsychologischen Grundlagen entwickelt werden. Hierfür bedarf es auch einer präzisen und unmissverständlichen schriftlichen und mündlichen Ausdrucksfähigkeit. Generell gilt: Trainer müssen künftig eine höhere Flexibilität beim Gestalten von Lernumgebungen und -medien entwickeln, denn aufgrund des Fortschritts im Bereich der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie steigen die didaktischen Möglichkeiten.

Trainer müssen mehr Zeit in Weiterbildung investieren

(Fach-)Wissen veraltet heute schnell. Ein lebenslanges Lernen ist deshalb wichtiger denn je, um im Berufsleben langfristig konkurrenzfähig zu sein. Das gilt auch für Trainer. Denn auch das in ihren Trainings vermittelte berufsrelevante Wissen veraltet. Dieser Tatsache tragen Trainer oft noch nicht ausreichend Rechnung. Nicht ungewöhnlich ist es heute noch, dass berufserfahrene Trainer ihr vor zehn, 15 oder gar 20 Jahren gesammeltes (Praxis-)Wissen beispielsweise im Bereich Führung in ihren Seminaren an die Teilnehmer weitergeben – ohne zu reflektieren, dass sich die Rahmenbedingungen von Führung in den Unternehmen zwischenzeitlich stark verändert haben. Dasselbe gilt für den Vertriebs- und Projektmanagement-Bereich. Deshalb sind ihre Tipps und Empfehlungen oft nicht mehr »passgenau«. Das spüren die Teilnehmer, weshalb besagte Trainer zunehmend Akzeptanzprobleme haben (siehe Kasten).

Die Fähigkeit und Bereitschaft zum selbstgesteuerten Lernen wird künftig eine Schlüsselkompetenz sein – insbesondere für selbstständige Trainer, die häufig Einzelkämpfer sind. Denn ohne diese Kompetenz werden sie auf Dauer im Bildungs- und Beratungsmarkt nicht konkurrenzfähig sein.

Aus Trainern werden Lernprozess-Begleiter

Mit Hilfe der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie können Menschen 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr auf Lern-Ressourcen zugreifen. Sie sind nicht mehr an Seminartermine und Öffnungszeiten gebunden, denn Online-Kurse sind jederzeit verfügbar. Hierdurch verändert sich auch die Trainerrolle.

Beim E-Learning und Online-Lernen sind die Lernenden primär selbst aktiv. Der Trainer hingegen bleibt eher im Hintergrund und hilft bei Bedarf. Er bereitet die Lernumgebung vor und erleichtert durch ein didaktisches Konzept (wie zum Beispiel Blended Learning) den selbstgesteuerten Wissenserwerb.

In diesem Kontext ist der Trainer primär ein Lernprozess-Begleiter. Zu seinen Aufgaben gehören die Konzeption der Angebote und die Beratung bei der Auswahl der Werkzeuge, Methoden und Inhalte. Im Lernprozess selbst übernimmt er unter anderem folgende Funktionen:

  • Coaching: Er unterstützt als Lernbegleiter die Lernenden beim selbstgesteuerten Lernen und hilft ihnen, den Lernprozess weiterzuführen
  • Modeling: Er zeigt den Lernenden als Experte exemplarisch prototypische Aufgaben und Lösungen und erklärt ihnen das Vorgehen sowie die relevanten Schritte.
  • Reflexion: Er leitet eine Selbstreflexion bei den Lernenden ein, die auch darauf abzielt, dass diese die Kompetenz erwerben, künftig ihr Verhalten und Vorgehen selbst zu korrigieren.
  • Beratung: Er gibt den Lernenden als Experte Hilfestellungen und Empfehlungen, wenn sie Aufgaben nicht alleine lösen können.

Das selbst-organisierte Lernen forcieren

Statt um einen reinen Wissenserwerb geht es künftig primär um einen Kompetenzerwerb. Die zentrale Bildungsfrage lautet nicht mehr (nur) »Was muss ich wissen?« sondern »Was möchte ich können?«. Bisher wurde auch in der betrieblichen Weiterbildung sehr häufig das Lernergebnis mit dem Lerninput gleichsetzt; gemäß der Maxime: »Lerne die Inhalte dieses Buchs; danach musst du sie wiedergeben können.«

Künftig wird es in der betrieblichen Weiterbildung primär darum gehen, Menschen die Kompetenzen zu vermitteln, die sie in der modernen, von Veränderung und Komplexität geprägten Arbeitswelt zum Bewältigen neuer Aufgaben oder Herausforderungen brauchen. Kompetenzen können jedoch nicht im klassischen Sinn vermittelt werden: Menschen können sie nur selbst erwerben – und zwar nicht durch ein schulisches Lernen. Das Lernen muss vielmehr am Arbeitsplatz, im Rahmen von Projekten beziehungsweise eines konkreten Tuns erfolgen. Das sogenannte informelle Lernen beim (gemeinsamen) Tun muss mit der klassischen Qualifizierung verknüpft werden.

Selbst-organisierte Lernprozesse erfolgen in der Kommunikation mit Lernpartnern: Experten und Kollegen, Coaches und Beratern, aber auch Kunden und Geschäftspartnern. Das Lernen findet zunehmend in Netzwerken statt. Dabei stimuliert die Selbstorganisation die Lernenden, eigene Beiträge zu leisten und selbst ihr Lernen zu steuern. Dies fördert das Erleben von Selbstwirksamkeit und ist so auch die Basis für ein echtes Lernengagement.

Lerntheoretische Erkenntnisse beachten

In der Praxis gibt es sehr viele Möglichkeiten und Methoden, um durch eine Kombination von Präsenz- und Online-Lernen, abhängig von den Lernzielen und -inhalten, effektive und attraktive Lernumgebungen und -designs zu schmieden. Bei deren Gestaltung sollten Trainer jedoch beachten:

  • Lernen ist ein sozialer Prozess.
    Im digitalen Zeitalter gibt es mehr Möglichkeiten, sich auszutauschen. Die Menschen interagieren heute mehr denn je – jedoch oft nicht persönlich, sondern über die »sozialen Netzwerke«. Noch ist unklar, inwieweit die Sozialen Medien das Lernen und das Lernverhalten verändern. Fakt ist aber: Die sozialen Bindungen innerhalb einer Gruppe sind und bleiben wichtige Bestandteile beim Lernen. Sind die sozialen Beziehungen gestört, führt dies (auch beim Online-Lernen) zu schlechteren Lernleistungen beziehungsweise zum Scheitern einzelner oder der ganzen Gruppe.
  • Lernen erfordert Feedback.
    Menschen wünschen sich nicht nur ein Feedback darüber, wie gut sie etwas können; sie benötigen ein solches Feedback auch zum Erweitern ihrer Kompetenz. Deshalb ist und bleibt es eine zentrale Frage beim Konzipieren von Lernmedien und Gestalten und Lernarchitekturen: Welche Feedbackprozesse sind in sie integriert?
  • Lernen setzt Interesse und Motivation voraus.
    Smarte Lerndesigns zielen stets auch darauf ab, das Interesse und die aktive Beteiligung der Adressaten zu wecken und zu bewahren. Dies gilt es insbesondere beim Planen und Gestalten von E-Learning-Konzepten zu beachten – unter anderem aufgrund der räumlichen Trennung von Trainer und Lernenden. Zudem gilt es zu berücksichtigen, inwieweit die Lerner über die nötige Selbstlernkompetenz verfügen. Diese kann beim Einsatz neuer Lernmedien häufig (noch) nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden.

Insbesondere das Schaffen und Bewahren der Motivation zum Initiieren und Aufrechterhalten des Lernprozesses ist für den Erfolg von E-Learning-Konzepten von zentraler Bedeutung. Bei netzbasierten Aus- und Weiterbildungen ist die Abbrecherquote etwa doppelt so hoch wie bei Face-to-Face-Aus- und Weiterbildungen. Abhängig vom Lernumfeld und von der Lernmotivation der Teilnehmer steigt die Quote teils über 90 Prozent – so zum Beispiel bei vielen Fernlehrgängen. Eine entsprechende Bedeutung sollte beim Konzipieren von E-Learning-Konzepten der Motivation der Teilnehmer beigemessen werden.

Leben bedeutet Veränderung – auch für Trainer

»Leben bedeutet Veränderung«. Und: »Wer nicht bereit ist zu lernen und sein Verhalten zu überdenken und gegebenenfalls zu verändern, dessen Arbeitskraft ist irgendwann nicht mehr gefragt.« Dieses Denken versuchen Trainer häufig in Seminaren den Teilnehmern zu vermitteln – zum Beispiel im Rahmen von Changeprojekten. Dass dies auch für ihre eigene Arbeitskraft gilt, das sollten Trainer stärker reflektieren.... und daraus die nötigen Schlüsse ziehen.

 


  VERWEISE  

Sabine Prohaska2

 
Sabine Prohaska  ist Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmens seminar consult prohaska, Wien, das unter anderem Trainer ausbildet.
Die Wirtschaftspsychologin ist zudem selbst in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung tätig.
 
 
 In unserer Reihe »Standpunkte« bieten wir von Zeit zu Zeit engagierten Akteuren aus den Bereichen Weiterbildung, Personalentwicklung und Wissensmanagement die Möglichkeit, sich mit einem aktuellen Thema an unsere Leser zu wenden. Unabhängig vom jeweiligen Inhalt weisen wir darauf hin, dass diese Artikel ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wiedergeben und nicht zwangsläufig mit der Auffassung der Redaktion in Einklang zu bringen sind.

 

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