Krisenmanagement: Eine Krise ist keine Katastrophe
Ein Beitrag aus unserer »Standpunkte«-Reihe von Dierk Rommel, Hamburg.
Augen zu und durch – nach diesem Motto wird in Unternehmen oft gehandelt, wenn diese in eine Krise geraten. Dabei gilt gerade dann: Augen auf und die Weichen neu stellen. Damit aus der Krise keine Katastrophe wird.
In der Chefetage des Unternehmens geht es zu wie in einem Bienenschwarm. Die Führungskräfte eilen von einem Meeting zum nächsten und die Mitarbeiter ziehen ihre Köpfe ein, um nichts vom drohenden Gewitter abzubekommen. Die Ursache für die hektische Betriebsamkeit: das aktuelle Quartalsergebnis. Völlig unerwartet rutschte das Unternehmen in die roten Zahlen. Also eilen die Verantwortlichen nun von einem Meeting zum nächsten, um zu beraten, was in dieser vertrackten Situation zu ist.
Doch produktiv ist das hektische Hin und Her nicht. Denn immer wieder steht die Frage im Raum: Wie konnte es so weit kommen? Und zumindest indirekt die Frage: Wer ist daran schuld? Gerade jetzt, wo alle Verantwortlichen gemeinsam effektiv handeln müssten, verstricken sie sich in wechselseitigen Schuldzuweisungen. Oder nutzen die Situation, um alte Rechnungen zu begleichen. Außerdem spielen die wenigsten mit offenen Karten, denn sie befürchten: Wenn ich nicht aufpasse, stehe ich am Pranger.
Krisen werden oft spät erkannt und benannt
Dies ist auch der Grund, warum viele Krisen erst erkannt und benannt werden, wenn es bereits zu spät ist. Denn keiner traut sich offen auszusprechen: »Wenn es so weiter geht, geraten wir in eine Krise«. Denn jeder befürchtet; Dann fallen alle anderen über mich her. Also halten sie lieber den Mund und hoffen, dass es schon nicht so schlimm wird oder jemand anderes den Mund aufmacht und Prügel kassiert.
Deshalb werden schlechte Zahlen oft vertuscht und Qualitätsmängel so lange kaschiert, bis die ersten Großkunden ihre Aufträge zurückziehen. Deshalb zögern Geschäftsführer mit schmerzhaften Entscheidungen häufig so lange, bis die Bank die Reißleine zieht. Und deshalb werden Projekte immer noch weiterverfolgt, selbst wenn allen schon lange klar ist: Wir erreichen die Projektziele nie. Entsprechend wichtig ist es, in Unternehmen eine Struktur und Kultur zu schaffen, die es ermöglicht, Risiken und Probleme frühzeitig zu erkennen und zu benennen.
Externe Moderation häufig hilfreich
Und kommt es trotzdem zur Krise, dann sollten sich die Verantwortlichen zunächst bewusst machen: Eine Krise kann man managen – wenn man einen kühlen Kopf bewahrt. Gerade dies gelingt den Beteiligten in Krisensituationen aber oft nicht, weil sie selbst mehr oder minder Betroffene sind. Deshalb empfiehlt es sich, in solchen Situationen einen externen Moderator hinzuziehen. Dieser schafft bei den Krisensitzungen die erforderlichen Rahmenbedingungen, damit die Verantwortlichen die Krise gemeinsam bewältigen können.
Dazu sollten sie im ersten Schritt gemeinsam analysieren: Welche Handlungsalternativen haben wir in der aktuellen Situation? Meist sind diese zahlreicher als dies in der ersten Panik erscheint. Insbesondere dann, wenn auch Lösungen in Betracht gezogen werden, die bisher im Unternehmen tabu waren weil sie dem gewohnten Vorgehen zuwider laufen. Oder weil sie gewachsene Strukturen und Privilegien in Frage stellen. Oder weil sie (auf den ersten Blick) dem Selbstverständnis des Unternehmens widersprechen.
Auch ungewöhnliche Lösungen erörtern
Sind die möglichen Lösungen auf dem Tisch, gilt es diese zu bewerten – und zwar ausgehend von der Frage: Was hilft uns in der gegenwärtigen Situation am besten weiter? Auch hier ist oft eine externe Moderation hilfreich. Denn häufig werden bestimmte Lösungsansätze selbst in Krisensitzungen nicht ernsthaft erörtert – weil Anwesende dazu ihr Verhalten ändern oder auf gewisse Privilegien verzichten müssten. Wenn sich keiner traut, so etwas vorzuschlagen, kann ein Externer eine Steilvorlage geben. Zum Beispiel, indem er fragt: »Unter welchen Voraussetzungen könnte diese Lösung doch realisiert werden?« Dann folgen plötzlich auch Aussagen wie: »Wenn die Entscheidungsbefugnisse des Vertriebs erweitert würden«. Oder: »Wenn die Vorgabe xy nicht mehr gelten würde«.
Erst wenn die möglichen Lösungswege hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit und ihrer Vor- und Nachteile bewertet sind, können sich die Beteiligten einigen: Wir ergreifen folgende Maßnahmen.... Zugleich sollten sie vereinbaren: Wer macht was bis wann? Wann überprüfen wir, ob die Maßnahmen die gewünschte Wirkung zeigen? Und: Woran messen wir dies? Denn nur so können sie rechtzeitig gegensteuern, falls die Maßnahmen nicht die gewünschte Wirkung zeigen.
Für die Zukunft lernen
Erst wenn die Krise behoben ist, sollten die Verantwortlichen sich nochmals zusammensetzen, um die Fragen zu erörtern, die ihnen am Anfang so auf der Seele brannten: Wie kam es zu der Krise? Und: Warum haben wir sie nicht früher erkannt? Denn jetzt können sie diese Fragen viel entspannter angehen – weil der Handlungsdruck nicht mehr so hoch ist. Deshalb gibt es auch weniger Schuldzuweisungen und persönliche Verletzungen.
Außerdem sollte bei einem solchen Treffen besprochen werden, was sich beim Bewältigen der Krise bewährt hat und was nicht. So können aus den gemeinsamen Erfahrungen die nötigen Schlüsse gezogen und die erforderlichen (strukturellen) Veränderungen abgeleitet werden, damit das Unternehmen nicht mehr in ähnliche Krisen schlittert.
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