Hilfe bei der Orientierung: Der Weiterbildungsguide
Ein Beitrag aus unserer »Standpunkte«-Reihe von Dr. Michael Cordes, Berlin.
Schaut man sich gegenwärtig die Weiterbildungsbranche an, dann wirkt es fast schon ein wenig Old School, von Kursen oder Bildungsangeboten zu sprechen. Im Moment scheinen es ganz andere Trendfelder zu sein, die den Markt bestimmen – allen voran natürlich das omnipräsente Thema Digitalisierung bzw. digitales Lernen. Besonders interessant außerdem: die derzeit beobachtbare Tendenz, den Einzelnen viel stärker als in früheren Zeiten für seine eigene Kompetenzentwicklung in die Pflicht zu nehmen. Unüberhörbar sind die Personalerstimmen, die mehr als zuvor von Mitarbeitern erwarten, dass diese bereit und fähig sind, permanent zu lernen und sich dadurch kontinuierlich und im Sinne des Unternehmens weiter zu entwickeln, und zwar unabhängig und gegebenenfalls auch außerhalb von existierenden Angebotsmärkten. Schlagwörter dieses Trends wie Lernagilität, Learnability oder 70-20-10, hinter denen dann mal mehr, mal weniger komplexe Modelle stehen, unterstreichen dies.
Nun ist es ja nicht so, dass diese Trends automatisch die Vorherrschaft des Informellen und Autodidaktischen postulieren und damit zugleich den Schwanengesang für klassische Bildungsangebote und -formate eröffnen würden. Schließlich sind Bildungsangebote kein Gegenpol zum selbständigen Lernen, sondern vielmehr ein Baustein von Lernprozessen und eine Form, innerhalb der dieses ermöglicht und bestenfalls erleichtert wird.
Wenn in diesem Zusammenhang also vom Einzelnen nun mehr Bereitschaft und Engagement zur Selbstorganisation gefordert wird, dann bedeutet dies für ihn demnach auch Überlegungen, ob und wenn ja welche Bildungsangebote ihm denn hilfreich sein könnten. In diesem Fall steht er vor Auswahlentscheidungen für ein »gutes« Angebot – und da wird’s schon schwierig: Wann ist denn eine Bildungsmaßnahme überhaupt gut? Zweiteilige Antwort: Erstens besitzt - wie überall - natürlich die Qualität eines Bildungsangebotes entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis. In schlecht konzipierten und fachlich überladenen Seminaren, die in ungeeigneten Räumlichkeiten angeboten und von didaktisch unzureichend qualifizierten Dozenten geleitet werden ist vermutlich wenig zu holen. Für den Nutzen und damit für den Erfolg ist jedoch zweitens vor allem auch die Passung des Angebots zum individuellen Anspruch, zu den Zielen und zu den persönlichen Voraussetzungen eine zwingende Voraussetzung. Um aber diese Passung herzustellen, müssten auf der einen Seite die eigenen Bedürfnisse, Ziele und Voraussetzungen überhaupt erst einmal erkannt und präzisiert werden – seien wir ehrlich: das ist in der Praxis absolut nicht die Regel. Auf der anderen Seite werden handlungsleitende Informationen u.a. zum Marktangebot, zu relevanten Entscheidungskriterien oder zu externen Unterstützungsmöglichkeiten benötigt.
Dummerweise besitzt der Weiterbildungsmarkt in Deutschland nun ziemlich heterogene Strukturen, die durch eine kaum überschaubare Vielfalt an Angeboten, Lernformen, Trägern und Abschlüssen und damit durch eine insgesamt hohe Intransparenz gekennzeichnet sind. Nicht gerade optimal für den Verbraucher, denn wenn die Wahl haben Qual haben bedeutet, müssen Bildungsentscheidungen unter diesen Voraussetzungen die reinste Folter sein.
Wie also kommt man nun zu einem passenden, bedarfsgerechten Bildungsangebot? Eine de facto durchaus beliebte und häufige Vorgehensweise ist - leider muss man davon ausgehen, dass dies nicht Ausnahme, sondern Usus ist -, sich schlicht einer Internetsuchmaschine zu bedienen und darauf zu hoffen, mit einem vagen Schlagwort zu einer vagen Bildungsabsicht kombiniert mit einer konkreten (immerhin!) Ortsangabe zu exakt derjenigen Weiterbildung geführt zu werden, die einem persönlich wie auf den Leib geschnitten ist und alle Bildungs- und Karrierewünsche umfassend abdeckt. Kann man so machen. Man kann auch auf einen freundlichen Kobold hoffen, der einen mit einem Goldtopf überrascht. Sicherlich dürfte es da jedoch zielführender sein, sich der einschlägigen branchenimmanenten Informationssysteme zu bedienen. So gibt es in Deutschland jede Menge Weiterbildungsdatenbanken, die einem zumindest die strukturierte Suche erleichtern. Oder es könnten Beratungsangebote greifen, die aber tatsächlich nur von einer sehr geringen Zahl Betroffener aufgesucht werden. Gründe für die geringe Nutzung sind u.a. regionale Barrieren, emotionale Hemmschwellen oder schlicht Unkenntnis.
Was fehlt, sind professionelle, zugleich aber auch niederschwellige und leicht verfügbare Unterstützungsinstrumente, die eine Hilfestellung bei der Orientierung und in ihrem Entscheidungsprozess bieten. Dabei ist es keinesfalls so, dass entsprechende Informationen nicht vorhanden oder nicht zugänglich wären, im Gegenteil: Zahlreiche Internetportale, Einrichtungen aus dem Bildungssektor, Weiterbildungsdatenbanken, Verbände oder Gewerkschaften informieren über Fragen rund um Weiterbildung und lebenslanges Lernen. Diese Informationen sind aber häufig nur fragmentarisch oder kaum verbrauchernah aufbereitet. Ein Instrument, welches konsequent die Perspektive des Verbrauchers aufgreift, fehlte lange Zeit. Grund genug für die Weiterbildungsexperten der Stiftung Warentest, sich dem anzunehmen und ein kostenloses und verbraucherorientiertes Onlineportal zu entwickeln. Das Ergebnis: Der Weiterbildungsguide, auf den seit Anfang des Jahres Bildungsinteressierte zurückgreifen können. Der Guide zielt darauf ab, mittels der Bereitstellung angebotsübergreifender, »globaler« Informationen Kenntnisse zum Thema Weiterbildung zu vermitteln und so des Verbrauchers eigene Entscheidungskompetenz zu stärken. Dabei geht es nicht um Qualitätsaussagen zu einzelnen Angeboten, sondern um Hintergrundwissen, welches man braucht, um die eigenen Bildungsvorhaben vernünftig und erfolgsversprechend planen zu können.
Der Guide ist als ein interaktives digitales (da haben wir das Wort schon wieder…) Produkt angelegt, das den Verbraucher in seinem Prozess von den ersten, noch vagen Bildungsüberlegungen bis hin zur konkreten Maßnahmenauswahl begleitet und ihm bei der Beantwortung der sich in diesem Prozess stellenden Fragen unterstützt. Der Guide will also Orientierungen schaffen und Verbrauchern die ihren Bedürfnissen entsprechenden Kenntnisse liefern, um selbst entscheidungssicher agieren zu können. Damit liefert der Guide nicht nur einen Beitrag zur Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung, sondern er unterstützt Personen auch bei der Präzisierung der eigenen Bildungsanliegen, hilft ihnen darauf aufbauend bei der passgenauen Auswahl potenziell in Frage kommender Maßnahmen und verstärkt somit letztlich Effektivität und Effizienz von Weiterbildung.
Neben Privatpersonen profitieren übrigens auch Akteure aus dem Feld der Weiterbildungsberatung, die das Instrument im Rahmen ihrer Dienstleistung unterstützend einsetzen können. Darüber hinaus besitzt der Guide auch einen Nutzwert für Firmen, speziell aus dem KMU-Bereich, die über keine ausgeprägten eigenen Fachkenntnisse im Bereich der betrieblichen Weiterbildung und Mitarbeiterqualifizierung verfügen. Diese Gruppe erhält wertvolle Impulse und Informationen, die sich zum Beispiel hinsichtlich der Bildungsbedarfsanalyse, der Maßnahmenplanung oder der Wahl eines geeigneten Bildungsdienstleisters nutzen lassen.
Der Weiterbildungsguide gliedert sich in seiner derzeitigen Fassung mit einer Schrittfolge (»Gewusst wie«), einer Infothek und einem Toolbereich in drei Bereiche. Auf diese Weise werden dem Nutzer unterschiedliche Zugänge zu Weiterbildungsthemen geboten:
- Der Bereich »Gewusst wie« spiegelt den Entscheidungsprozess wieder, den Verbraucher vor der Auswahl und Inanspruchnahme einer Bildungsmaßnahme durchlaufen sollten. Der Nutzer des Guides wird hier auf sechs Seiten nacheinander mit folgenden Leitfragen konfrontiert: Wo stehe ich? Was ist mein Ziel? Was brauche ich? Wie will ich lernen? Wo finde ich Angebote? Welches Angebot passt zu mir? Mit diesen Leitfragen und kurzen, dazu passenden Erläuterungstexten soll der Nutzer zunächst einmal sensibilisiert werden. Zugleich erhält er auf jeder Seite Hinweise, welche vertiefenden Informationen der Weiterbildungsguide für die jeweilige Leitfrage bereithält. Der Nutzer kann sich demnach horizontal von Frage zu Frage durch den »Gewusst wie«-Bereich bewegen, oder er kann vertikal vorgehen, indem er vertieft in einzelne Fragestellungen einsteigt. Die vertiefenden Informationen befinden sich in der Infothek oder im Toolbereich.
- In der Infothek sind redaktionell aufbereitete Informationen zu verschiedenen Themen zu finden. Aktuell werden die sechs übergreifenden Themen Beratung und Coaching, Abschlüsse und Zertifikate, Lernform und Lernorganisation, Kurssuche und Kursauswahl, Fördermittel und Steuern, Rechte und Pflichten angeboten. Jeder Themenkomplex enthält mehrere ausführliche Einzelartikel. Darüber hinaus beinhaltet die Infothek einen Downloadbereich, über den sich der Nutzer PDF-Broschüren oder Podcasts herunterladen kann.
- Von besonderem Nutzwert sind die Tools des Weiterbildungsguides, hinter denen sich interaktive Hilfsmittel zu bestimmten Fragestellungen verbergen. Folgende Applikationen werden angeboten:
- ein Fördermittelfinder, mit dem der Nutzer die für ihn zugänglichen öffentlichen Förderprogramme recherchieren kann,
- eine interaktive Landkarte zum Thema Bildungsurlaub, über die gesetzliche Regelungen der einzelnen Bundesländer einfach und übersichtlich abgerufen werden können,
- eine Checkliste, die bei der Prüfung der Angebotsbeschreibung eines konkreten Bildungsangebotes hilft,
- ein Soft Skill-Tool, in dem persönliche Bildungsziele gängigen Seminarthemen zugeordnet werden und Inhaltsprofile zu den häufigsten Soft Skill-Seminaren abgerufen werden können,
- ein Recherchetool für kaufmännische Abschlüsse, die dem Nutzer anhand von Filterungen eine Auswahl der für ihn in Frage kommenden geregelten Fortbildungsabschlüsse liefert,
- eine Hilfe bei der Kurssuche, indem der Nutzer die für seinen Bedarf besten Weiterbildungsdatenbanken ermitteln kann,
- ein Tool, mit dem man die eigenen Fremdsprachenkompetenzen einschätzen und diese den angestrebten Sprachkenntnissen gegenüberstellen kann sowie
- ein Lernformfinder, der in Form eines Selbstchecks dem Nutzer Aufschluss darüber gibt, welche Lernform für ihn am besten geeignet ist.
Der Weiterbildungsguide ist demnach so angelegt, dass er Personen sowohl Basisorientierungen geben, als auch sie redaktionell umfassend zu bestimmten Themen informieren, als auch ihnen konkrete Unterstützungen in ihrer individuellen Situation liefern kann.
Was er allerdings nicht kann ist, dem Nutzer das exakt eine, für seinen Bedarf passende Angebot auszuspucken. Auf die Suche begeben muss sich der Bildungsinteressierte schon selbst – passt übrigens ganz gut zur eingangs erwähnten Forderung nach Selbstverantwortung. Aber vielleicht verläuft die Suche nach der Nutzung des Guides ja systematischer, zielgerichteter und damit letztlich auch erfolgreicher…
Der Weiterbildungsguide wird seit 2015 im Rahmen eines dreijährigen Förderprojekts entwickelt und ist online abrufbar. Gefördert wird der Vorhaben durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Als Bildungswissenschaftler und Soziologe befasst er sich seit über zwei Jahrzehnten mit dem Thema Weiterbildung aus Nachfragersicht, speziell mit Kompetenzentwicklung, Lernsettings und Bildungsqualität.
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