Die Resilienz und Stress-Resistenz erhöhen

(Geschätzte Lesezeit: 3 - 6 Minuten)

Christina Seitter Ein Beitrag aus unserer »Standpunkte«-Reihe von Christina Seitter, Starzeln bei Tübingen.

Im digitalen Zeitalter ist die Arbeitswelt von rascher Veränderung geprägt. Also müssen die Mitarbeiter der Unternehmen neue Aufgaben beherzt angehen und mit Stress-Situationen einigermaßen relaxt umgehen können. Sonst schlägt ihr Gefordert-sein in ein Überfordert-sein um.

 

 

 

Die Zahl der psychischen Erkrankungen von Arbeitnehmern steigt. Als Hauptursache hierfür wird in Studien oft der erhöhte Stress am Arbeitsplatz identifiziert – denn heute

  • müssen in vielen Betrieben weniger Arbeitnehmer eine größere Arbeitsmenge als früher bewältigen und
  • ändern sich aufgrund des verschärften erhöhten Wettbewerbs und des rasanten technischen Fortschritts die Anforderungen an die Mitarbeiter rasch.

Mit diesem Befund allein kommen Unternehmen beim Fördern und Bewahren der Gesundheit ihrer Mitarbeiter aber nicht weit, denn in ihm spiegeln sich auch Markterfordernisse wider. Außerdem ist es sehr subjektiv, was eine Person als Stress erlebt. Denkt zum Beispiel ein Mitarbeiter bei einer neuen Aufgabe »Toll, jetzt kann ich mich beweisen«, gerät ein anderer in Panik und ist überzeugt: »Das schaffe ich nie.«

Solche individuellen Denk- und Verhaltensmuster spielen beim Stressempfinden eine große Rolle. Und die Mitarbeiter zeigen sie außer am Arbeitsplatz auch zu Hause, denn sie sind ein Teil ihrer Persönlichkeit. Deshalb lassen sich, wenn es um den Krankmacher »Stress« geht, Berufliches und Privates schwer trennen. Darum kommen Unternehmen mit einer Gesundheitsprävention, die sich primär auf das gesundheitsgerechte Gestalten des Arbeitsumfelds fixiert, allein nicht weit. Sie müssen den Menschen als Ganzen im Blick haben.

Work-life-Balance-Maßnahmen genügen nicht

Das haben viele Unternehmen erkannt. Deshalb orientieren sich ihre Präventionskonzepte nur noch selten am klassischen Ziel der betrieblichen Gesundheitsförderung »Krankheit vermeiden«. Ihnen liegt vielmehr ein Präventionsansatz zugrunde, der sich an Zielen wie »Steigern der Vitalität und Lebensfreude« und »mehr Selbstbestimmung über das eigene Leben« orientiert.

Entsprechend boomten im vergangenen Jahrzehnt Maßnahmen zum Bewahren der Work-life-Balance der Mitarbeiter – angefangen bei Stressmanagement-Seminaren bis hin zu Entspannungskursen. Zudem offerieren die Betriebe ihren Mitarbeitern heute mehr Möglichkeiten, ihre Arbeitszeiten flexibel zu gestalten. Auch Kinderbetreuungsangebote und Angebote zur Kurzzeitpflege von Angehörigen sind nicht ungewöhnlich.

Das alles sind zielführende Maßnahmen zum Bewahren der Lebensbalance und somit Leistungskraft der Mitarbeiter. Doch inzwischen erkennen immer mehr Unternehmen: Allein mit ihnen kommen wir nicht zum Ziel, denn die bei unseren Mitarbeitern Stress auslösenden Faktoren können wir nur bedingt beheben. Denn eine Fiktion wäre es anzunehmen, dass der Wettbewerbs- und Veränderungsdruck, der auf den Unternehmen lastet, in den kommenden Jahren sinkt. Also wird auch die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter steigen – ebenso der Druck, sich neuen Herausforderungen zu stellen und eine große Verhaltensflexibilität zu zeigen. Deshalb müssen die Mitarbeiter künftig über die Kompetenz verfügen,

  • auch in Stresszeiten, wenn es beruflich oder privat mal heiß hergeht, ihre Lebensbalance zu bewahren, und
  • mit neuen Herausforderungen produktiv umzugehen.

Und beim Entwickeln dieser Fähigkeiten sollten die Unternehmen ihre Mitarbeiter unterstützen.

Die Resilienz, sprich Widerstandskraft erhöhen

Im Betriebsalltag registriert man immer wieder, dass Menschen auf dieselbe Belastung unterschiedlich reagieren. Während zum Beispiel Mitarbeiter Müller wegen der »stressigen Arbeitsbedingungen« nach einiger Zeit einen Burn-out erleidet und für längere Zeit ausfällt, klagt sein Kollege Maier zwar auch ab und zu »Das ist ja stressig«, doch dann macht er sich wieder ans Werk.

Warum dies so ist, damit beschäftigt sich die Resilienzforschung und kommt zum Schluss: Manche Menschen haben eine höhere »Widerstandsfähigkeit« als andere. Sie haben sozusagen eine »dickere Haut«, wenn es um den Umgang mit herausfordernden Situationen geht. Deshalb perlen Belastungen an ihnen scheinbar ab, während sie bei anderen zu einer Überforderung und -lastung führen.

Wie können wir unsere Mitarbeiter dabei unterstützen, ihre Resilienz, also Widerstandskraft, zu erhöhen? Diese Frage stellen sich immer mehr Unternehmen. Und in vielen wurden bereits erste Konzepte zur Förderung der Resilienz der Mitarbeiter realisiert.

Die acht Merkmale widerstandsfähiger Mitarbeiter

Sie basieren meist auf der Erkenntnis der Resilienzforschung, dass Menschen mit einer hohen Widerstandsfähigkeit haben in der Regel über folgende Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale verfügen:

  • Positives Denken: Widerstandsfähige Menschen reagieren auf neue An- und Herausforderungen nicht panisch. Sie denken vielmehr: Irgendwie schaffe ich das schon – auch wenn ich noch nicht weiß wie.
  • Selbstwertgefühl: Sie glauben an sich und an das, was sie tun.
  • Problemlösefähigkeit: Sie denken lösungsorientiert und planen ihre Zukunft. Sie blicken ihr nicht besorgt entgegen.
  • Selbstverantwortung: Sie nehmen ihr Leben und Schicksal in die Hand und lassen sich nicht in eine Opferrolle drängen.
  • Selbstwirksamkeit: Sie akzeptieren (negative) Dinge und Umstände zunächst, so wie sie sind. Sie lassen diese aber nicht so: Sie verändern sie.
  • Soziale Kompetenz: Sie bleiben bei Stress im Dialog mit ihrer Umwelt. Sie bitten bei Bedarf um Unterstützung oder organisieren diese selbst.
  • Achtsamkeit: Sie haben ein Gespür für sich selbst. Sie wissen, was ihnen (nicht) gut tut, und spüren, wann sie an ihre Belastungsgrenzen stoßen.
  • Stressbewältigungsstrategien: Sie haben Strategien entwickelt, um auch in Stresszeiten für die nötige Entspannung zu sorgen und, soweit möglich, die Balance in ihrem Leben zu wahren.

Eine resiliente Persönlichkeit werden

Die Resilienzforschung zeigt auch: Die genannten Fähigkeiten und Eigenschaften schlummern in fast allen Menschen. Ohne eine externe Unterstützung fällt es ihnen aber oft schwer, diese zu aktivieren. Denn dies setzt ein Bewusstsein darüber voraus: Wie reagiere ich regelmäßig in gewissen Situationen? Zum Beispiel bei neuen Herausforderungen? Oder wenn wichtige Entscheidungen anstehen? Außerdem: Warum reagiere ich so und nicht anders?

Diese Fragen kann sich jeder Mensch alleine stellen. Doch faktisch tun dies viele nicht. Und wenn doch? Dann finden sie oft nicht die richtigen Antworten. Zum Beispiel, weil sie gar nicht registrieren, dass sie in vergleichbaren Situationen stets ähnlich reagieren. Oder weil ihnen ihr Verhalten so selbstverständlich erscheint, dass sie sich nicht vorstellen können, anders zu reagieren.

Deshalb offerieren Unternehmen, die ihre Mitarbeiter beim Steigern ihrer Resilienz unterstützen möchten, diesen oft nicht nur entsprechende Seminare; sie stellen ihnen (danach) häufig auch einen Coach zur Seite. Er unterstützt sie dabei, ihre Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen und gegebenenfalls zu verändern.

Ein weiteres Ziel dieser Unterstützung ist es, die Selbst-Achtsamkeit der Mitarbeiter zu erhöhen – also ihre Sensibilität dafür, wann sie zum Beispiel in eine Situation geraten, in der eine Überforderung droht. Denn dann können sie meist noch gegensteuern und sich zum Beispiel Hilfe organisieren, so dass ein »Ausbrennen« und somit Burn-out vermieden wird.

 

 


  VERWEISE  

Christina Seitter

 
Christina Seitter arbeitet als Trainerin und Beraterin für die Managementberatung Müllerschön, Starzeln bei Tübingen.
 
Sie ist auf die Themenfeld Personalauswahl und -entwicklung, Selbst- und Stressmanagement spezialisiert.
 
 
 
 
In unserer Reihe »Standpunkte« bieten wir von Zeit zu Zeit engagierten Akteuren aus den Bereichen Weiterbildung, Personalentwicklung und Wissensmanagement die Möglichkeit, sich mit einem aktuellen Thema an unsere Leser zu wenden. Unabhängig vom jeweiligen Inhalt weisen wir darauf hin, dass diese Artikel ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wiedergeben und nicht zwangsläufig mit der Auffassung der Redaktion in Einklang zu bringen sind.

 

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