Weiterbildung in der Post-Corona-Ära
Ein Beitrag aus unserer »Standpunkte«-Reihe von Markus Dohm, Köln.
Corona hat es gnadenlos eingefordert: Mitarbeitende brauchen in einer digitalisierten Wirtschaft ein gewisses Set an digitalen Basiskompetenzen. Darüber hinaus gewinnen die sogenannten Soft Skills rasant an Bedeutung. Kreativität, Anpassungsfähigkeit, Problemlösungskompetenzen, Durchhaltevermögen, unternehmerisches Handeln und eine gehörige Portion Eigeninitiative sind für den beruflichen Erfolg in Zukunft mindestens ebenso wichtig, wie die Fähigkeit, digitale Werkzeuge richtig einzusetzen. Markus Dohm, Bereichsvorstand Academy & Life Care bei TÜV Rheinland, erklärt, warum die Transformation betrieblicher Weiterbildungskonzepte unumgänglich ist und in welche Richtung sie gehen sollte.
Homeoffice, Videokonferenzen und virtuelle Zusammenarbeit sind gekommen, um zu bleiben. Gleichzeitig verändern innovative Technologien und datenzentrierte Prozesse die Art und Weise unserer Arbeit. Kein Wunder also, dass das Thema Fort- und Weiterbildung bei vielen Unternehmen auf der Vorstandsagenda steht. Der wachsende Qualifizierungsbedarf im Bereich Zukunftsfähigkeiten (Future Skills) ist kaum noch zu übersehen. Allein im Corona-Jahr 2020 stieg Anteil der Weiterbildungen in digitalen Schlüsselqualifikationen um 75 Prozent.
Weiterbildungsangebote von der Stange
Wer allerdings glaubt, damit sei es getan, irrt. Immerhin sind laut Stanford Research Institute International 75 Prozent des langfristigen beruflichen Erfolgs auf Soft Skills und nur 25 Prozent auf technische Fähigkeiten zurückzuführen. Die Herausforderung der betrieblichen Weiterbildung liegt künftig vor allem darin, die Mitarbeitenden sowohl beim Aufbau digitaler und technologischer Kompetenzen als auch in ihrer individuellen persönlichen Weiterentwicklung noch stärker zu unterstützten. Allerdings lassen sich die unterschiedlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeitenden in der Regel nicht über einen Kamm scheren. Und genau hier liegt der Knackpunkt: Wo beispielsweise der eine selbst schwierigste Projekte mit Engelsgeduld und Fingerspitzengefühl ins Ziel bringt, mag beim anderen in Sachen Durchhaltevermögen und Problemlösungskompetenzen durchaus noch Luft nach oben sein.
Dementsprechend lässt sich mit Weiterbildungsangeboten von der Stange schon heute kaum noch ein Blumentopf gewinnen. Das sehen die Angestellten ähnlich: Laut einer aktuellen Studie der Online-Jobplattform Stepstone ist die Mehrheit der Befragten unzufrieden mit dem Lern- und Entwicklungsangebot in ihrem Unternehmen. Sie wünschen sich mehr Vielfalt in der Auswahl der Lernmethoden sowie Weiterbildungsangebote, die besser auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer würde ihre Weiterbildungspfade gerne eigenverantwortlicher gestalten. Außerdem empfiehlt die Studie, Lernen zu einem immanenten Bestandteil des Arbeitsalltags zu machen und nicht auf formale Wissensvermittlung zu begrenzen. Anstatt zu festen Zeiten und in Präsenz zu lernen, gehe der Trend zu kleineren Wissensblöcken, so genannten »Learning Nuggets«.
Lernformate auf den Prüfstand stellen
Für Unternehmen, die die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden neu denken, bedeutet das: Zum einen sind die Lerninhalte wesentlich stärker an den individuellen Bedürfnissen der Lernenden auszurichten, zum anderen gehören aber auch die Lernformate auf den Prüfstand. Denn obwohl der Corona-bedingte Digitalisierungsschub die Entwicklung innovative Lernformate angefeuert hat, klafft nach wie vor eine Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Während sich viele Angestellte Learning on Demand-Angebote und individualisierte Fortbildungsmöglichkeiten wünschen, sucht man diese beim überwiegenden Großteil der deutschen Unternehmen bislang vergebens. Dabei stellen gerade derartige Formate die Weichen für erstklassige Lernerfolge. Schließlich lernt jeder anders. Und eben am besten das, was ihn interessiert und weiterbringt.
»Blended Learning« heißt die Devise
Frontale Wissensvermittlung per Gießkannenprinzip kann das kaum leisten, interaktive Learning Experience Plattformen (LXP) und Learning Management Systeme (LMS) dagegen schon. Sie bündeln innovative Lernwerkzeuge und ermöglichen Mitarbeitenden, ihre Trainingspfade im Rahmen der betrieblichen Weiterbildungsangebote entsprechend ihrer eigenen Bedürfnisse individuell zusammenzustellen. Social Media-Tools, Chatbots und Online-Diskussionsforen erleichtern den Wissenserwerb »on the job«, dank Augmented, Virtual und Mixed Reality lassen sich praktische Erfahrungen und Kompetenzen risikofrei erlernen. Davon profitieren alle: Schließlich erleichtern personalisierte Bildungskonzepte nicht nur das Lernen, sondern tragen auch zu mehr Produktivität am Arbeitsplatz bei.
Präsenzveranstaltungen sind damit aber nicht out, sondern werden auch und vor allem künftig eine Daseinsberechtigung haben, nur eben in anderer Funktion. Beispielsweise bieten sie sich an, um online erworbene Kenntnisse durch gemeinsame Diskussionen zu vertiefen. Und auch in Sachen Persönlichkeitsentwickelung zieht die Mehrheit der Arbeitnehmer:innen Präsenzveranstaltungen rein digitalen Lernformaten vor. Ein weiteres Argument für Präsenzformate ist das in Pandemiezeiten entstandene Phänomen der sogenannten »Zoom-Müdigkeit". Laut einer Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability wurden im Corona-Jahr 2020 immerhin 60 Prozent der Befragten von Online-Müdigkeit geplagt.
Die richtige Mischung aus Online- und Präsenzangeboten ist der Schlüssel zu einer effektiven Weiterbildungsstrategie. Dabei geht es inzwischen um weit mehr als die Kombination von Präsenz- und Online-Angeboten. Vielmehr führt Blended Learning synchrone und asynchrone Lernangebote zusammen. Heißt konkret: Teilnehmende können Wissen entweder asynchron – also zeitlich flexibel – erwerben (z.B. durch Online-Tutorials oder -Zertifizierungen) oder sich zu einem festen Zeitpunkt (synchron) mit anderen Teilnehmern fortbilden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Wissenserwerb in einer Präsenz-Schulung oder per Web-Seminar erfolgt. Blended Learning führt also selbstgesteuertes Lernen mit klassischen Trainingsformaten, Learning on Demand, Gamification sowie Coaching- und Mentoring-Programmen zusammen und ebnet so den Weg zu einer passgenauen betrieblichen Weiterbildung.
Technische Hürden aus dem Weg räumen
Damit Blended Learing in der Praxis sein volles Potenzial entfaltet, braucht es zunächst einmal das passende technologische Fundament. Das beste Online-Learning-Angebot nutzt schließlich nichts, wenn die Mitarbeitenden nicht darauf zugreifen können. Neben technischen Hürden gilt es weitere Stolpersteine aus dem Weg zu räumen: Denn häufig bremsen auch mangelnde Kompetenzen der Mitarbeitenden im Umgang mit digitalen Lerninhalten und Tools sowie unzureichende didaktische Fähigkeiten der Trainer die Umsetzung zukunftsorientierter Weiterbildungsstrategien aus.
Für Unternehmen ergeben sich daraus vier Handlungsansätze:
- Das Lernen technologisch ermöglichen
Gamification-Anwendungen lassen sich per Smartphone schlecht nutzen, Virtual Reality-Trainings erfordern den Einsatz entsprechender Datenbrillen. Der Einsatz digitaler Lernformate sollte deshalb gut vorbereitet sein. Denn ohne eine alltagstaugliche IT-Infrastruktur wird die digitale Learning Journey vieler Angestellten im Sande verlaufen. - Das Lernen vereinfachen
Während Lern-Apps, Video-Tutorials und Gamification für die Generation der Digital Natives leicht zu verstehen sind, tun sich viele ältere Arbeitnehmer mit Online-Lerntools schwer. Je unkomplizierter der Zugang zu eLearning-Angeboten, desto leichter lassen sich Berührungsängste abbauen. - Das Lernen stärken
Der Erfolg zukunftsorientierter Weiterbildungsangebote steht und fällt damit, ob die Mitarbeitenden bereit sind, Verantwortung für ihren Lernprozess zu übernehmen. Viele müssen zunächst einmal lernen, eigenständig zu lernen. Umso wichtiger ist es, diese Selbstlernkompetenzen aktiv zu fördern. - Modernes Lernen institutionalisieren
Online und Präsenz, synchron und asynchron: Unterschiedliche Lernformate erfordern unterschiedliche didaktische Herangehensweisen. Um HR-Maßnahmen noch besser vorausschauend planen und das interne Wissensmanagement zeitgemäß vorantreiben zu können, müssen sich auch Trainer, Coaches oder Weiterbildungsverantwortliche mit digitalen Lernmethoden unbedingt vertraut machen.
Viele Unternehmen tun sich sowohl mit der Konzeption und Entwicklung als auch mit der Umsetzung digitaler Lernlösungen schwer. Kein Wunder, schließlich gehört dies in der Regel nicht zu den Kernkompetenzen des Betriebs. Gerade deshalb greifen immer mehr HR-Manager auf die Unterstützung ganzheitlicher Strategiepartner, wie der TÜV Rheinland Akademie zurück. Denn diese vereinen didaktische, technische und fachspezifische Kompetenzen, um Fach- und Führungskräfte fit für die Zukunft zu machen. Beste Voraussetzungen, um die Transformation der betrieblichen Weiterbildung voranzutreiben und in der Post-Corona-Ära mit einer überzeugenden Learning Experience bei der Belegschaft zu punkten.
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- Weitere [Standpunkte]-Beiträge ...
- vgl.: Weiterbildung während der Corona-Krise: Betriebe setzen verstärkt auf E-Learning ...
Markus Dohm ist Leiter des Geschäftsbereichs Academy & Life Care bei TÜV Rheinland.
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