Bologna-Prozess weiter in der Diskussion
»Es steht wohl außer Frage, dass es etwas bringt, wenn junge Menschen ins Ausland gehen und Brücken bauen«, sagte die Vertreterin der CDU/CSU bei der Sitzung des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zum Bologna-Prozess, die am 30. September 2015 in Berlin stattfand. Grundlage war unter anderem der Entschließungsantrag des Europäischen Parlamentes vom 28. April 2015 zur Überwachung der Umsetzung des Bologna-Prozesses, der Antrag der CDU/CSU und SPD, der Linken sowie der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen.
Die Vertreterin der CDU/CSU lobte das Vorankommen des Prozesses, viele Themen hätten sich gut entwickelt. Die Qualität von Studium und Lehre in Deutschland konnte mindestens gehalten und die internationale Anerkennung des Wissenschaftssystems ausgebaut werden. Der Hochschulpakt, der Qualitätspakt Lehre sowie die Exzellenzinitiative waren und seien wichtige Instrumente, um das Hochschulsystem qualitativ und quantitativ für die Zukunft zu rüsten. Die mit der Bologna-Reform beabsichtigte Steigerung der Auslandsmobilität der Studenten hätte deutlich ausgebaut werden können. Der Bologna-Prozess habe nicht nur in Deutschland sondern vor allem auch in anderen europäischen Staaten Bildungsreformen beschleunigt. Sie appellierte an alle Länder, die gegenseitige Anerkennung von im Ausland erworbenen Studienleistungen zwischen den Hochschulen der Unterzeichnerstaaten der Bologna-Erklärung weiter zu verbessern.
Einen anderen Blick auf den Bologna-Prozess warf die Vertreterin der Linken. »Diesen als gut zu bezeichnen, davon sind wir weit entfernt«, sagte sie. Derzeit stagniere die Umsetzung. Zudem betontes sie, dass es eine zu große ökonomische Nutzbarmachung der Studenten gebe. Sie kritisierte neue Systeme zur Dokumentation von Leistungen sowie eine neue inhaltliche Ausrichtung von Studiengängen, die sich unter dem Stichwort »Employability« hauptsächlich auf die Vermittlung von marktgängigen Fähigkeiten und Wissen für den späteren Beruf konzentrieren. Bildung müsse als Menschenrecht begriffen werden. Zudem bemängelte sie die BAföG-Sätze als zu niedrig. Sie müssten an den tatsächlichen Bedarf für Lebensunterhalt und Ausbildung angepasst werden.
Die Vertreterin der SPD begrüßte es, dass bei der Bologna-Nachfolgekonferenz Mitte Mai in der armenischen Hauptstadt Eriwan Weißrussland als 48. aktives Mitglied des europäischen Hochschulraums aufgenommen worden sei. Gegen den Vorwurf der Linken, dass es ausschließlich um »Verwertbarkeit« bei den Studenten gehe, verwahrte sich die Bundestagsabgeordnete: »Es geht um den Erwerb von Kompetenzen«. Sie machte aber auch deutlich, dass die Lehre stärker an den Studenten ausgerichtet sein müsste. Zudem habe Bologna wesentlich dazu beigetragen, Deutschland als attraktives Wissenschaftsland sichtbar zu machen. »Es darf nicht an den Bildungspolitikern scheitern, wenn Europa auseinanderfällt«.
Der Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen betonte, dass es immer noch nicht gelungen sei, die Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu verringern. Immerhin seien fünf Millionen Menschen unter 25 Jahre in Europa ohne Jobs. Daran habe auch Bologna nichts geändert. Hinzu komme, dass der Europäische Hochschulraum noch immer nicht verwirklicht sei und nun einen neuen Schub brauche. »Wir müssen Europa besser, größer und erfahrbarer machen«. Er sprach sich für ein offenes Deutschland und mehr Hochschulzugänge aus, ohne dass die soziale Herkunft eine Rolle spiele. Zudem fragte der Vertreter der Grünen die Bundesregierung, wie man den Umgang mit Weißrussland gestalten wolle. Schließlich seien die Hochschulen dort auch Teil des Repressionssystems.
Die Bundesregierung bezeichnete es als mutiges Vorhaben, Weißrussland als 48. Staat aufgenommen zu haben. Es sei eine »Road Map« vereinbart worden. Die Bundesregierung lobte die Debattenkultur auf der Konferenz in Eriwan, da es dort eine offene Diskussion über die Defizite im Bologna-Prozess in einigen Ländern gegeben habe. Beim Thema Bafög erinnerte der Vertreter der Bundesregierung daran, dass es gerade erst eine große Reform beschlossen worden sei. Außerdem gebe es ein Instrument wie Bafög nur in fünf von 48 Bologna-Staaten. Daran sehe man, wie groß die soziale Beteiligung des deutschen Staates am Bildungswesen sei.
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