Volkswirtschaftslehre: Monoparadigmatisch, mathematisch, praxisfern

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Uni Frankfurt 2

Befragung von Studierenden zur Wahrnehmung der Volkswirtschaftslehre 

Studierende der VWL stehen ihrem eigenen Fach kritisch gegenüber. Für eine Veränderung in der ökonomischen Hochschullehre treten sie selbst jedoch kaum aktiv ein. Zu diesem Ergebnis kommt eine schriftliche Befragung unter 351 Studierenden des vierten Fachsemesters an den Universitäten Bonn, Frankfurt/M., Hamburg, Heidelberg und Mannheim, die im Sommersemester 2017 von Prof. Dr. Tim Engartner und Eva Schweitzer-Krah an der Professur für Didaktik der Sozialwissenschaften durchgeführt wurde.

Die Volkswirtschaftslehre sei wenig interdisziplinär, auf abstrakte mathematische Modelle konzentriert und wiese selten Bezüge zur Praxis auf. Zentrale gesellschaftliche Themen wie Unsicherheit, Wandel oder Ungleichheit würden gegenüber traditionellen Knappheitsfragen kaum in den Blick genommen. Stattdessen dominiere auch nach der Wirtschafts- und Finanzkrise das Denken in neoklassischen Schemata. Die Studierenden bestätigen in ihrem Urteil die Kritikpunkte der Pluralismusbewegung, die für eine theoretische und methodische Erneuerung des Faches eintritt. Persönlich involviert, etwa durch die Mitarbeit in lokalen Initiativen oder Veranstaltungsreihen, sind dabei jedoch nur 6,4% der Befragten.

Die Befunde der Studie deuten darauf hin, dass das Missverhältnis zwischen ausgeprägter Fachkritik und geringem persönlichen Engagement eine Folge des immensen Wettbewerbsdrucks sein könnte, den die Befragten hochschulweit in der VWL beklagen. So geben 56,4% der Studierenden an, dass ihr Fach das Leistungs- und Konkurrenzdenken schüren würde. Im Studienverlauf führt dies in der Eigenbeobachtung der Studierenden zu einer Verhaltensänderung: gemeinwohlorientierte Attribute wie Solidarität, Hilfsbereitschaft und Einfühlungsvermögen treten zugunsten karrieristischer und vorteilsbedachter Eigenschaften in den Hintergrund. Damit sinkt zugleich die Motivation der Studierenden, sich uneigennützig in der Pluralismusbewegung einzubringen. Vielmehr – so die Schlussfolgerung der Autoren –müssten die Befragten abwägen, wie sie Zeit, Energie und Ressourcen zur Wahrung ihres Studienerfolges investieren.

Sollten weitere Untersuchungen diese explorativen Befunde bestätigen, so stünde die Pluralismusbewegung insgesamt vor dem Dilemma, trotz der inhaltlichen Zustimmung der Studierenden kaum aktive Unterstützerinnen und Unterstützer gewinnen zu können. Damit würde der Pluralismusbewegung langfristig der notwendige Impetus fehlen, um flächendeckende Veränderungen in der VWL anzustoßen. Entsprechende Impulse müssten dann durch Initiativen jenseits der studentischen Netzwerke gesetzt werden, etwa durch hochschulpolitische Aktivitäten, alternative Studienprogramme und eine verstetigte sozialwissenschaftliche Begleitforschung.

Hintergrund
Die Studie wurde unterstützt durch das Themenfeld »Neues ökonomisches Denken« des Forschungsinstituts für gesellschaftliche Weiterentwicklung e.V. in Düsseldorf und gefördert vom Land Nordrhein-Westfalen durch das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung. Sie ist in englischer Form im International Review of Economics Education erschienen und wurde in Times Higher Education besprochen.

  

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