GEW: »Volles Semesterprogramm nicht auf Biegen und Brechen durchziehen«
Bildungsgewerkschaft mahnt Länder und Hochschulen zu ehrlichem Umgang mit Coronakrise
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat Länder und Hochschulen gemahnt, den Auswirkungen der Coronakrise auf Lehre und Forschung ehrlich Rechnung zu tragen. »Die Wissenschaftsministerien der Länder haben sich in der vergangenen Woche zwar auf Leitlinien für das Sommersemester verständigt, diese sind jedoch unvollständig und geben den Hochschulen einen maximalen Spielraum bei der Umsetzung.
So können die Vorlesungszeiten flexibel festgelegt werden. Zudem gibt es keine Regelungen wie Prüfungen durchgeführt und anerkannt werden, die Lehrverpflichtung angepasst wird und für einen kollektiven Nachteilsausgleich der Studierenden. Länder und Hochschulen müssen sich jetzt mit Studierenden- und Beschäftigtenvertretungen an einen virtuellen Runden Tisch setzen, um gemeinsam die Rahmenbedingungen für Lehre und Studium auszuhandeln«, sagte Andreas Keller, stellvertretender GEW-Vorsitzender und Vorstandsmitglied für Hochschule und Forschung, am Montag in Frankfurt a.M.
»Es ist zu befürchten, dass einige Hochschulen das volle Semesterprogramm auf Biegen und Brechen durchziehen wollen – und dafür das Studium flächendeckend auf Online-Lehre umstellen oder die Vorlesungszeit weit in die Sommerferien hinein verschieben. Die Hochschulen sind aber weder technisch noch didaktisch auf ein digitales Lehrangebot für alle Studiengänge vorbereitet. Sowohl die Studierenden als auch die Lehrenden benötigen die vorlesungsfreie Zeit im Sommer dringend: für Prüfungen, Vor- und Nachbereitungen, Forschung und wissenschaftliche Qualifizierung, die Entwicklung digitaler Lehr- und Studienformate und nicht zuletzt den verdienten Erholungsurlaub. Die GEW lehnt strikt ab, die Vorlesungszeit in die Semesterferien auszudehnen«, stellte Keller klar.
Weiter setzte sich der GEW-Hochschulexperte für einheitliche Mindeststandards für den Umgang mit Prüfungen ein. »Prüfungen, die eine Anwesenheit an den Hochschulen erfordern, sollten grundsätzlich bis auf weiteres ausgesetzt, Abgabefristen für Examens- und Hausarbeiten verlängert werden. Soweit möglich, sind Abschlüsse aufgrund bereits erbrachter Leistungen zu vergeben. Auf keinen Fall darf das Sommersemester zum Nachteil der Studierenden gezählt werden – weder beim BAföG und bei Stipendien noch bei Gebühren und den Regelstudienzeiten.«
Keller mahnte, die Coronakrise nicht auf dem Rücken der Hochschulbeschäftigten auszutragen. »Viele Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und Beschäftigte in Verwaltung und Wissenschaftsmanagement arbeiten derzeit im Homeoffice – und zwar unter Hochdruck: Online-Lehre muss vorbereitet und erbracht, Studierende müssen aus der Ferne beraten und Forschungsprojekte unter erschwerten Bedingungen fortgeführt werden. Daneben gilt es, Kinder zu betreuen und beim Fernunterricht zu unterstützen. Die GEW bekräftigt ihre Forderung, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse, Stipendien und Forschungsprojekte um ein Semester verlängert werden und diese Zeit nicht auf die gesetzliche Höchstbefristungsdauer angerechnet wird.«
Keller bot den Ländern und Hochschulen die konstruktive Mitarbeit der GEW an einem virtuellen Runden Tisch an. »Die aktuellen Herausforderungen können nicht top down bewältigt werden, sondern nur, wenn die Vertretungen der Beschäftigten und Studierenden auf Augenhöhe daran beteiligt werden, Lösungen zu entwickeln«, unterstrich der GEW-Vize.
Info: Im Sinne der GEW hat sich heute auch ein breites Bündnis von Studierendenorganisationen mit dem Aufruf »Solidarsemester 2020« für die Klärung offener Fragen mit Blick auf das Sommersemester und die materielle Absicherung der Studierenden stark gemacht. Der Aufruf wird vom Bundesausschuss der Studentinnen und Studenten (BASS) der GEW unterstützt.
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