Studienfachentscheidung: Welche Aspekte geben den Ausschlag?

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Das Institut für Soziologie hat Studierende an der Leibniz Universität (LUH) zu den Hintergründen ihrer Studien- und Berufswahl befragt 

Maschinenbau, Jura oder Germanistik? Welche Faktoren führen zu einer Entscheidung für ein bestimmtes Studium beziehungsweise einen Beruf? Mit diesem Themenbereich befasst sich eine Studie des Instituts für Soziologie der Leibniz Universität Hannover, deren Ergebnisse jetzt vorliegen. Ein besonderes Augenmerk der Untersuchung liegt auf geschlechtsstereotypen Rollenbildern. Welche Bedeutung hat nach wie vor die Wahrnehmung der traditionellen Teilung in männliche und weibliche Rollen und Tätigkeiten bei der Entscheidung für ein Studium beziehungsweise den angestrebten Beruf? Inwieweit tragen externe gesellschaftliche Einflüsse – zusätzlich zu internen Faktoren wie Intelligenz und eigenen Fähigkeiten – zur Berufsentscheidung bei?

Das Team des Instituts für Soziologie um Dr. Irina Gewinner und Mara Esser hat dafür einen Link zu einer Online-Befragung an alle rund 20.500 Studierenden verschickt, die Im Sommersemester 2018 und im Wintersemester 2018/19 einen Bachelor- oder Masterabschluss an der LUH anstrebten – mit einer für eine Online-Befragung recht guten Rücklaufquote von etwa 7,4 Prozent. Es nahmen Studierende aus 28 verschiedenen Studiengängen teil (etwa ein Drittel aller an der LUH angebotenen Studiengänge). Die Verteilung auf MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), Gesellschafts- sowie Geisteswissenschaften entsprach in etwa der Verteilung in der gesamten Universität (rund 54 Prozent der Studierenden studieren MINT-Fächer, ca. 26 Prozent Gesellschaftswissenschaften und ca. 4,5 Prozent Geisteswissenschaften).

Erfragt wurden neben soziodemographischen Daten wie Geschlecht und Alter viele Aspekte, die ausschlaggebend für die Studienfachwahl sein können – etwa zur persönlichen Sozialisation, zu Wertvorstellungen, zum Medienkonsum oder zu Assoziationen zwischen Studium und künftigem Beruf. Daraus ergaben sich spannende Ergebnisse, die zu einem besseren Verständnis der Mechanismen der Studienfachwahl beitragen. Diese führen dazu, dass nach wie vor deutlich mehr Männer MINT-Fächer studieren, während soziale und pädagogische Tätigkeiten immer noch stark frauendominiert sind.

Bei der Frage, welche Gründe den Studierenden in Bezug auf ihre Studienfachwahl wichtig waren, zeigten sich geschlechtsübergreifend recht ähnliche Bewertungen. Spaß und Leidenschaft liegen als Begründung für die Studienfach- und Berufswahl weit vorne – deutlich vor Aspekten wie hohe Einkommenschancen, Sicherheit des Jobs oder Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Jedoch: Geschlechtsspezifische Unterschiede zeigten sich beim gesellschaftlichen Ansehen des angestrebten Berufs. Dieses ist den befragten Männern deutlich wichtiger als den Frauen. Auch bei der Frage nach Wertevorstellungen zeigte sich, dass bei den befragten Männern eine konservative Vorstellung über die Geschlechterrollenverteilung stärker vertreten zu sein scheint als bei den weiblichen Befragten. Junge Männer halten laut dieser Untersuchung deutlich stärker an traditionellen Rollenorientierungen fest als junge Frauen. Vermeintlich atypische Berufswege erscheinen ihnen eher unattraktiv.

Im Bereich der Bedeutung des sozialen Umfeldes auf die Studienfach- und Berufswahl wurde analysiert, wie stark der Einfluss von Familie und Freunden war. Hier zeigte sich interessanterweise, dass die Mutter geschlechtsübergreifend als großes Vorbild wahrgenommen wird. Deren Einfluss ist deutlich höher als der des Vaters. Freunde und Geschwister erscheinen weniger wichtig. »Es zeigt sich, dass die Vorboten der Wahl eines künftigen Berufs in Sozialisationsjahren zu suchen sind«, erläutert Dr. Irina Gewinner als Implikation aus diesen Ergebnissen. »Vor allem die Mutter ist ein wichtiges Vorbild für viele Studierende: Aus dieser Perspektive ist das Empowerment von Frauen besonders dringend und aktuell«.

Ein anderes überraschendes Ergebnis zeigte sich im Bereich »Genderstereotype und Familie«. Hier wurde nach dem Besitz geschlechtstypischer Spielsachen gefragt. Eher geschlechtstypisches Spielzeug besaßen in dieser Befragung vor allem männliche Studierende. Es zeigte sich, dass vermutlich diejenigen Frauen atypische Spielsachen besaßen, die aktuell in eher männerkonnotierten Studienfängen zu finden sind.

Weniger überraschend ist der Aspekt des vermittelten Rollenbildes durch Lehrerinnen und Lehrer in Schulen. Sprachen und Kunst werden meist von Lehrerinnen unterrichtet, Informatik und Physik etwa eher von Lehrern. »Die Schule ist ein Ort, der nicht selten geschlechtstypische Handlungsmuster vermittelt, was meistens latent geschieht«, sagt Dr. Gewinner. »Die große Herausforderung ist es, Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, dass gesellschaftliche Unausgewogenheiten nicht als Gegebenheit oder gar Norm wahrzunehmen sind«.

Die Untersuchung erfasst die Situation an der Leibniz Universität Hannover im Jahr 2018. Möglicherweise sehen die Verhaltensmuster der Studierenden an anderen Universitätsstandorten jedoch ähnlich aus. »Ein interessantes Ergebnis unserer Studie ist – anders als in anderen Untersuchungen – der Hinweis, dass nicht unmittelbare Geschlechtsstereotype, sondern vielmehr die persönlichen Lebensszenarien und die damit verbundenen Genderideologien einen erheblichen Einfluss auf die Studienfachwahl ausüben«, sagt Irina Gewinner.

 

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