Studiengebühren: Schnellere Abschlüsse, aber weniger Neueinschreibungen
Mehr und schnellere Abschlüsse, aber weniger Immatrikulationen: Die in den Jahren 2006 und 2007 eingeführten – und mittlerweile in allen Bundesländern wieder abgeschafften – Studiengebühren hatten sowohl erwünschte als auch unerwünschte Konsequenzen. Das geht aus einer aktuellen Studie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervor, für die erstmals in diesem Kontext amtliche Individualdaten der Studenten- und Prüfungsstatistik ausgewertet wurden.
Demnach schlossen Studierende, die zum Zeitpunkt der Einführung von Studiengebühren bereits eingeschrieben waren, ihr Studium schneller und häufiger ab, als es ohne Studiengebühren der Fall gewesen wäre. Allerdings nahmen aufgrund der Gebühren weniger Studienberechtigte ein Studium auf. »Die allgemeinen Studiengebühren waren ein zweischneidiges Schwert«, sagt Felix Weinhardt, gemeinsam mit Jan Marcus und Jan Bietenbeck Autor der Studie. »Einerseits kann man es positiv bewerten, dass viele Studierende offenbar zielstrebiger studierten. Andererseits ist es natürlich fatal, wenn junge Menschen, die studieren wollen, durch die Gebühren von einem Studium abgeschreckt werden.«
Vor etwa 15 Jahren führten mit Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen die ersten beiden Bundesländer allgemeine Studiengebühren ein, weitere folgten. Letztlich mussten StudentInnen in sieben Bundesländern in der Regel 500 Euro pro Semester zahlen. Nach heftigen Kontroversen und Protesten wurden die allgemeinen Studiengebühren mittlerweile überall wieder abgeschafft, zuletzt in Niedersachsen im Jahr 2014.
Für ihre Studie betrachteten die Autoren Studierende, die bei Einführung der Studiengebühren bereits eingeschrieben waren und sich somit nicht aufgrund der Gebühren für oder gegen ein Studium entschieden hatten. Das Ergebnis: Sie schlossen ihr Studium häufiger innerhalb von sechs Jahren ab. Schon im Jahrgang, der 2001 an die Universitäten kam und damit höchstens am Ende des Studiums Studiengebühren zahlen musste, lag der Anteil der Abschlüsse innerhalb von sechs Jahren bei knapp 32 Prozent und damit um fast drei Prozentpunkte höher, als es ohne Studiengebühren der Fall gewesen wäre. Je mehr Semester in die Zeit der Studiengebühren fielen, desto größer wurde dieser Unterschied: Für die StudienanfängerInnen des Jahres 2004 lag er bei knapp sechs Prozentpunkten. Gleichzeitig haben sich die Abschlussnoten nicht verschlechtert.
Unerwünschte Nebenwirkungen von Studiengebühren könnten vermieden werden
Gesunken ist durch die Studiengebühren jedoch der Anteil der Studienberechtigten, die sich für ein Studium einschrieben: Über alle Bundesländer hinweg nahmen im Mittel knapp 57 Prozent der AbiturientInnen im Jahr des Abiturs oder im Folgejahr ein Studium an einer Universität auf. Die Studiengebühren reduzierten diesen Anteil um fast vier Prozentpunkte. Dass dieser Rückgang daher rührt, dass AbiturientInnen aus Bundesländern mit Studiengebühren vermehrt in Ländern mit gebührenfreien Unis studierten, können die Autoren ausschließen. Denn die Daten erlauben es Studienberechtigte unabhängig davon zu betrachten, in welchem Bundesland sie sich eingeschrieben hatten.
Ein Kompromiss, um die Vorteile von Studiengebühren – wie einen zügigeren Studienabschluss – zu nutzen und gleichzeitig unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden, könnten nach Ansicht der Studienautoren nachgelagerte Studiengebühren sein: Die Studierenden würden die Gebühren erst dann zahlen müssen, wenn sie nach dem Studium ein bestimmtes Einkommen erzielen. Dies könnte zu höheren Abschlussquoten führen, ohne die Einschreibungsquote zu verringern. »Da AkademikerInnen in der Regel ein deutlich höheres Einkommen haben und für so manche Ausbildungsberufe nicht wenige Gebühren anfallen, wäre es nur fair, Studierende stärker an den Hochschulkosten zu beteiligen«, erklärt Studienautor Marcus. Studienberechtigte ohne finanziellen Rückhalt dürften jedoch nicht abgeschreckt werden, selbst wenn sie die Gebühren erst später zahlen müssen. »Wichtig ist daher auch, Studienberechtigte besser und gezielter über die Möglichkeiten der Studienfinanzierung zu informieren, also etwa über den BAföG-Bezug, Stipendien und Studienkredite«, so Weinhardt.
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