Nach 50 Jahren ist eine Runderneuerung des BAföG notwendig
Seit Jahren sinken die Gefördertenquoten und Gefördertenzahlen beim BAföG. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen, wenn es keinen deutlich überproportionalen Verbesserungen bei Fördersätzen und Einkommensfreibeträgen gibt. Andernfalls sinkt die Zahl der Geförderten von 465.000 im vergangenen Jahr auf unter 280.000 im Jahr 2030, was einer Gefördertenquote von unter zehn Prozent entsprechen würde. Bei Studierenden aus Nicht Akademiker-Familien ist die Gefördertenquote um ein Drittel gesunken.
Die Einnahmen der meisten Studierenden sind in den Jahren zwischen 2009 und 2016 gestiegen, wie eine Sonderauswertung der letzten drei Sozialerhebungen durch das FiBS Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie zeigt. Anders ist es bei denjenigen, die eine Förderung nach dem BAföG bekommen: Sie haben in vielen Fällen weniger Geld zur Verfügung. Entweder ist die Förderung ganz weggefallen oder sie erhalten geringere Beträge. In der Folge wohnen Studierende häufiger zuhause, weil sie sich den Auszug nicht leisten können.
BAföG-Gefördertenquote sinkt um ein Drittel bei Studierenden aus Nicht-Akademiker-Familien
Nur noch rund jeder sechste Studierende aus einer Nicht-Akademiker-Familie bekam 2016 eine BAföG-Förderung, das ist ein Drittel weniger als noch 2012. Bei Studierenden aus Akademiker Familien beträgt der Rückgang ein Viertel, allerdings auf einem niedrigeren Niveau. »Unsere Untersuchung zeigt, wie die verspäteten und unzureichenden Erhöhungen in den vergangenen zehn Jahren, die BAföG-Förderung ausgehöhlt haben«, stellt Dr. Dieter Dohmen, der FiBS-Direktor fest.
»Es zeigt sich zudem, dass nicht nur Studierende aus Nicht-Akademiker-Familien auf eine BAföG Förderung angewiesen sind, sondern auch Studierende aus Akademiker-Familien«, ergänzt der Bildungsökonom. »In vielen Fällen legen sich die Eltern unglaublich ins Zeug und schaffen es, einen Teil der geringeren BAföG-Förderung zu kompensieren. Oft müssen die Studierenden aber mehr arbeiten.«
Viele Studierende müssen zuhause wohnen bleiben
Jede*r fünfte Student*in wohnt bei den Eltern, darunter viele, die es sich nicht leisten können, auszuziehen. »Die Studie zeigt deutlich, dass das BAföG bei Elternwohner*innen zu einer besseren finanziellen Situation führt, anders als bei anderen Studierenden,« sagt Dohmen.
»Elternwohner*innen kommen offenkundig zu einem überdurchschnittlichen Anteil aus einkommensschwachen Familien, wie unsere Analysen zeigen. Das betrifft insbesondere die jüngeren Studierenden, die im Zuge der Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur einen größeren Anteil an den Studierenden ausmachen. Auffallend ist hier, dass die Unterhaltsleistungen der Eltern bei den Elternwohner*innen im Jahr 2016 deutlich, um rund ein Drittel gesunken sind. Neben dem Anteil jüngerer Studierender steigt auch der Anteil älterer Studierender, die - im Übrigen - als einzige Gruppe eine leicht steigende Gefördertenquote verzeichnen können.
Über die Hälfte der Studierenden stellt keinen BAföG-Antrag
Die Auswertungen zeigen zudem, dass mehr als die Hälfte aller Studierenden erst gar keinen BAföG Antrag stellen. Unter den Elternwohner*innen sind es sogar fast zwei Drittel. Die Gründe sind vielfältig, wobei vor allem das Einkommen der Eltern oder das eigene Einkommen als Grund für die Nicht-Antragstellung genannt werden. Allerdings nennt auch ein Viertel der Nicht-Antragsteilenden die Angst vor einer Verschuldung als Grund. Insgesamt könnte die Gefördertenquote um bis zu 15 Prozent ansteigen und sich dadurch fast verdoppeln, wenn die BAföG-Förderung auf einen Vollzuschuss umgestellt würde.
Generalüberholung des BAföG notwendig
»Unsere Studie zeigt erstmals anhand konkreter empirischer Daten, wie sehr das BAföG in den letzten Jahren ausgehöhlt wurde,« hält Dohmen fest. »50 Jahre nach seiner Einführung ist es nur noch ein Torso und wird seinem Anspruch nicht mehr gerecht, Studierenden aus einkommensschwachen Familien ein Studium ohne finanzielle Sorgen zu ermöglichen. Gerade bei Studierenden aus diesen Familien ist die Gefördertenquote in den letzten Jahren besonders stark zurückgegangen.«
Neben einer deutlichen Anhebung der Fördersätze und Freibeträge vom Einkommen der Eltern, sollten die Förderungsdauer verlängert, die Bedingungen für einen Fachwechsel und einer spätere Vorlage des Leistungsnachweises vereinfacht werden. »Unsere Studie belegt, dass Studierende, die aus dem BAföG fallen, nur durch deutlich steigende Erwerbsarbeit den Verlust des BAföG auffangen können. Dies verlängert die Studienzeit unverhältnismäßig und betrifft vor allem Studierende aus Nicht-Akademiker-Familien,« ergänzt Dohmen.
Bibliographie
Dieter Dohmen, Akiiki Babyesiza, Julian Tiedtke, Tamara Bayreuther:
Die Entwicklung der Einnahmen von Studierenden seit 2009: Eine Re-Analyse der Sozialerhebungen. Studie für das Deutsche Studentenwerk (DSW)
LINKS
- Zur Studie ...