Diskriminierung an deutschen Hochschulen
Frauen, Studierende mit Migrationshintergrund und nicht-heterosexuelle Studierende haben ein erhöhtes Diskriminierungsrisiko
Dies belegen Ergebnisse der bislang größten bundesweiten Befragung unter Studierenden »Die Studienbefragung in Deutschland«, die gestern in der Publikationsreihe DZHW Brief veröffentlicht wurden. Insgesamt geben 26 Prozent der Studierenden an, dass sie an deutschen Hochschulen Diskriminierung erfahren haben, so die Autor*innen von der Universität Konstanz.
Als Stätten der Wissenschaft und Reflexion gelten Hochschulen im Allgemeinen auch als Orte der Gleichberechtigung. »Die Studierendenbefragung in Deutschland«, eine Kooperation des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) mit der Arbeitsgruppe Hochschulforschung der Universität Konstanz und dem Deutschen Studierendenwerk (DSW), kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass Hochschulen keine diskriminierungsfreien Orte sind. So gibt etwa ein Viertel der befragten Studierenden an, im Rahmen des Studiums schon einmal selbst Diskriminierung erfahren zu haben, und fast die Hälfte hat eine Diskriminierung anderer beobachtet.
Der DZHW Brief geht der Frage nach, wie verbreitet Diskriminierung an deutschen Hochschulen insgesamt ist und aufgrund welcher Merkmale benachteiligt wird. Hierzu gab es bisher keine umfassenden Daten, da die Studienlage nur Diskriminierungserfahrungen an einzelnen Hochschulen oder spezielle Formen der Diskriminierung erfasste.
Zwölf mögliche Diskriminierungsformen
Die Studienteilnehmenden wurden nach zwölf möglichen diskriminierenden Erfahrungen gefragt, die von der Herabsetzung erbrachter Leistungen bis zu Beleidigungen und Beschimpfungen, körperlicher Bedrohung oder Angriffen reichen.
Wie gruppenspezifische Analysen zeigen, berichten mehr Frauen als Männer von sexualisierter Belästigung und Gewalt. Auch Studierende, die sich selbst den sexuellen Orientierungen schwul, lesbisch, bisexuell, unklar und »eine andere« (LGB+) zuordnen, erleben mehr sexualisierte Übergriffe und körperliche Bedrohungen als heterosexuelle Studierende. Studierende mit Migrationshintergrund berichten häufiger von körperlichen und verbalen Bedrohungen oder Angriffen als ihre Mitstudierenden ohne Migrationshintergrund.
»Wir konnten nicht nur zeigen, dass diese Gruppen stärker betroffen sind als andere, sondern auch, dass sie von spezifischen Formen der Diskriminierung stärker betroffen sind«, sagt Jasmin Meyer, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe Hochschulforschung und Erstautorin des Policy-Papers.
Wie groß ist das Problembewusstsein?
Die Studie untersucht darüber hinaus, wie viele Studierende Diskriminierung bei anderen wahrnehmen. »Durch das Kriterium Beobachtung von Diskriminierung lässt sich zusätzlich erfassen, wie groß das Bewusstsein für das Problem ist«, erläutert Jasmin Meyer das Vorgehen. Insgesamt 46 Prozent der Befragten geben an, eine Herabsetzung anderer beobachtet zu haben. Dabei unterscheiden sich die Merkmale, aufgrund derer andere benachteiligt werden, von denen bei selbst erlebten Herabsetzungen. So berichten Studierende am häufigsten, dass sie bei anderen vor allem Diskriminierung aufgrund Migrationshintergrunds beobachtet haben, selbst erlebt wird Diskriminierung dagegen am häufigsten aufgrund des Geschlechts.
Diskriminierung hat Auswirkungen auf die Studienzufriedenheit
Die Studie untersucht auch Zusammenhänge zwischen herabsetzenden Erfahrungen und der Studienzufriedenheit. Fazit: Je mehr herabsetzende Erlebnisse die Studierenden haben, desto weniger zufrieden sind sie mit der Atmosphäre in ihrem Studiengang – insbesondere im Gegensatz zu Studierenden ohne Diskriminierungserfahrung. Dies hat Auswirkungen auf das Stressempfinden der betroffenen Personen. So fühlten sich 37 Prozent der Befragten, die mehrmals oder regelmäßig Herabsetzungen ausgesetzt waren, in den letzten vier Wochen sehr häufig gestresst. »Man kann sehen: Diskriminierung hat Auswirkungen auf den Alltag der Studierenden,« schlussfolgert Jasmin Meyer.
Hintergrund
»Die Studierendenbefragung in Deutschland« ist eine Kooperation der Arbeitsgruppe Hochschulforschung der Universität Konstanz mit dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) sowie dem Deutschen Studierendenwerk (DSW) und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Sie führt erstmalig drei bisher separat durchgeführte Langzeiterhebungen in der Studierendenforschung zusammen.
Die erste Erhebung des neuen Surveys fand im Sommersemester 2021 statt. Insgesamt haben rund 180.000 Studierende an rund 250 Hochschulen in ganz Deutschland an der Online-Befragung teilgenommen.