Rückgang der Studienanfängerzahlen in 2020/21
Gliederung
- Nordrhein-Westfalen hat durchschnittlich 12.600 Erstsemester weniger
- Staatliche Universitäten verlieren, private Hochschulen gewinnen gegen den Trend
- Starker Rückgang im Maschinenbau; Sozialwesen, Informatik, Psychologie und Gesundheitswissenschaften gewinnen dazu
- Hochschulen müssen sich auf sich verändernde Gegebenheiten einstellen
Universitäten verlieren deutlich
Nach Jahren auf Rekordniveau schreiben sich mittlerweile deutlich weniger Studienanfänger*innen an deutschen Hochschulen ein. Der Rückgang wirkt sich auf Hochschulen und Fächer regional unterschiedlich aus, wie eine Auswertung des CHE Centrum für Hochschulentwicklung zeigt.
Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen verlieren dabei im Ländervergleich am stärksten. Den größten Rückgang der Erstsemester-Zahlen gibt es in den Fächern Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften. Während die staatlichen Universitäten deutlich verlieren, konnten die privaten Hochschulen ihre Studienanfänger*innenzahlen entgegen dem allgemeinen Trend sogar erheblich steigern.
Jahrzehntelange stiegen die Studienanfänger*innenzahlen in Deutschland bis zu ihrem Höchststand von 445.000 im Wintersemester (WS) 2011/12. Nach einer Stagnation auf hohem Niveau gehen die Werte seit dem WS 2019/20 nun wieder deutlich zurück und lagen 2021/22 erstmal wieder bei unter 400.000 Personen. Ein Grund dafür ist der Rückgang der Geburtenzahlen in Deutschland zwischen 1990 und 2011.
Nordrhein-Westfalen hat durchschnittlich 12.600 Erstsemester weniger
Eine Analyse des CHE Centrum für Hochschulentwicklung hat nun die Durchschnittszahlen der Studienanfänger*innen der Stagnationsphase (2011/12 – 2018/19) der Phase des aktuellen Rückgangs (2019/20 – 2021/22) gegenübergestellt. Zugrunde liegen dabei jeweils immer die Zahlen der Studienanfänger*innen im ersten Hochschulsemester im jeweiligen Wintersemester Der Vergleich zeigt, welche Regionen, Hochschultypen und Fächer vom Rückgang besonders betroffen sind.
Größter Verlierer im Ländervergleich ist Nordrhein-Westfalen, das im Vergleich der beiden Phasen im Schnitt rund 12.600 Studienanfänger*innen weniger zu verzeichnen hat. Ebenfalls stark betroffen sind Baden-Württemberg und Niedersachsen mit einem Minus von 7.400 bzw. 5.000. Schaut man auf den jeweiligen Anteil beim Rückgang der Zahlen, verzeichnen Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt jeweils in den Vergleichszeiträumen einen Verlust von mehr als zehn Prozent. Der Hochschulort mit dem bundesweit stärksten Rückgang ist Karlsruhe. Durchschnittlich mehr Studienanfänger*innen gibt es auf Länderebene in Berlin und Hamburg. Hinzu kommt der Sonderfall Thüringen, dem jedoch durch den Wechsel des Hauptsitzes der privaten IU Internationale Hochschule nun alle bundesweiten Fernstudierenden der Einrichtung zugerechnet werden.
Staatliche Universitäten verlieren, private Hochschulen gewinnen gegen den Trend
Die staatlichen Hochschulen haben mit einem Rückgang von rund 42.000 im Vergleichszeitraum rund 10 Prozent ihrer bisherigen Anzahl an Studienanfänger*innen verloren. Der Rückgang trifft die Universitäten mit einem Minus von 26.600 dabei in absoluten Zahlen deutlicher als die staatlichen Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) mit 14.200. »Dass der allgemeine Rückgang bei den Studienanfängerinnen und Studienanfängern in Deutschland nicht viel deutlicher ausfällt, liegt größtenteils am Boom der privaten Hochschulen«, bilanziert Studienautor Marc Hüsch. Entgegen dem allgemeinen Trend schreiben sich dort im Vergleichszeitraum durchschnittlich 15.700 Personen mehr ein als zuvor, ein Plus von rund 50 Prozent.
Starker Rückgang im Maschinenbau; Sozialwesen, Informatik, Psychologie und Gesundheitswissenschaften gewinnen dazu
Größter Verlierer auf Ebene der Studienbereiche ist der Bereich Maschinenbau/Verfahrenstechnik der mit einem Minus von 10.800 Personen im Vergleich fast ein Drittel weniger Studienanfänger*innen verzeichnen musste. Ebenfalls stark betroffen sind die Wirtschaftswissenschaften, Elektro- und Informationstechnik sowie Germanistik. Besonders hohe absolute Zugewinne lassen sich im Zeitvergleich für nur vier Studienbereiche feststellen. Hierzu gehören Sozialwesen, Informatik, Psychologie und Gesundheitswissenschaften. »Die negativen wie positiven Trends bei Fächern wie Maschinenbau oder Informatik sind allerdings kein Phänomen plötzlich sinkender oder steigender Erstsemesterzahlen«, verdeutlicht Marc Hüsch. »Die Entwicklungen beobachten wir bereits seit mehreren Jahren flächendeckend deutschlandweit«, so der Projektleiter des CHE Portals Hochschuldaten.de.
Hochschulen müssen sich auf sich verändernde Gegebenheiten einstellen
Bei der Zusammensetzung der Studienanfänger*innen fällt auf, dass es bei den männlichen Studienanfängern einen deutlich stärkeren Rückgang von mehr als 22.500 im Durchschnitt gibt. Bei den Studienanfängerinnen gibt es nur einen vergleichsweise leichten Rückgang von 3.700. Die Anzahl nicht-deutscher Studienanfänger*innen ist dagegen sogar um rund vier Prozent gestiegen.
Nach einer starken Phase des Wachstums müssen sich nach Ansicht von CHE Geschäftsführer Frank Ziegele die Hochschulen nun auf die neuen Gegebenheiten einstellen: »Die demografische Entwicklung und die damit verbundene Herausforderungen betreffen alle Teile der Gesellschaft. Der allgemeine Fachkräftemangel wird durch die rückläufige Entwicklung der Erstsemesterzahlen in Fächern wie Maschinenbau oder Elektrotechnik weiter verschärft. Hochschulen sollten sich auch dieser Verantwortung bewusst sein und die Entwicklung bei den Studienanfänger*innenzahlen dahingehend genau analysieren und entsprechende Schlüsse für ihre Hochschulstrategie und ihr Hochschulprofil ziehen.«
Hintergrund
Der »CHECK Entwicklung der Studienanfänger*innen in Deutschland « bietet eine genauere Analyse der jüngsten Entwicklung der Zahlen bei den Studienanfänger*innen. Grundlage sind die Daten aus der Studierendenstatistik des Statistischen Bundesamtes zu den Studienanfänger*innen (1. Hochschulsemester) im jeweiligen Wintersemester. Bei der Auswertung wurde ein besonderes Augenmerk auf den Vergleich der Zeiträume 2011/12 bis 2018/19 (Phase der Stagnation bei den Studienanfänger*innenzahlen auf hohem Niveau) und 2019/20 bis 2021/22 (Rückgang der Studienanfänger*innenzahlen) gelegt. Beleuchtet wurden dabei Unterschiede nach Bundesländern, Hochschulorten, Hochschultypen, Hochschulträgerschaft, Fächergruppen und Studienbereichen.